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Gesundheit: Germanistik-Bibliothek: Christian Büttrich geht in den Ruhestand. Der Herr der Bücher verlässt die FU

Ein Büchermensch. Einer, der nicht nur Bücher aus dem Regal zieht, um zu lesen.

Ein Büchermensch. Einer, der nicht nur Bücher aus dem Regal zieht, um zu lesen. Einer, der auch Bücher ins Regal stellt, damit andere lesen können. Christian Büttrich, Leiter der Germanistischen Bibliothek an der Freien Universität, geht in den Ruhestand. Ein Vierteljahrhundert und ein Jahr lang hat er die Bibliothek - mit 195 000 Bänden die größte germanistische Institutsbibliothek - bestückt, geordnet und repräsentiert. Unzählige Germanisten sind, als sie Anfänger im Unibetrieb waren, geduckt an den Bücherreihen entlanggeschlichen - in dem Glauben, dass das dort gesammelte Angebot zur Pflichtlektüre gehöre. Sehr viele Leser haben es Christian Büttrich zu verdanken, dass sich auf den zwei Etagen zwischen dem J- und K-Gang in der Rostlaube der Schrecken dann doch noch verlor.

Hier wurde kein Leser als Störfaktor betrachtet. Hier waren Bücher zum Benutzen da und nicht zum Anhimmeln. Und Büttrich und seine Mitarbeiter waren da, um zu helfen. Christian Büttrich, der stets ein offenes Ohr auch für die dümmsten Fragen hatte (nein, für ihn gab es keine dummen Fragen), war sich nicht zu schade, selbst Führungen durch die Bibliothek anzubieten, um Studienanfänger in die Kunst des Bibliographierens und der Bibliotheksbenutzung einzuführen. Lehrreich waren sie, aber nicht nur dies; es soll nicht wenige Studierende geben, die diesen Führungen heimlich gefolgt sind, um sich von seiner sonoren Stimme bewegen zu lassen ...

Ein Bibliotheksleiter ohne bibliothekarische Ausbildung. Büttrich studierte Germanistik und Latein auf Lehramt. 1972 hat er an der FU bei Eberhard Lämmert über Hauptmann promoviert. In den 80er Jahren hat Büttrich, zusammen mit Norbert Miller, die siebenbändige Werkausgabe von Marie Luise Kaschnitz im Insel-Verlag herausgegeben und gerade (zusammen mit seiner Frau Marianne Büttrich und Iris Schnebel-Kaschnitz) die "Tagebücher 1936-66" nachgelegt. Man fragt sich, woher er die Zeit für all das hernahm. "Fast die ganze Freizeit ging dafür drauf", so Büttrich, "Freunde kamen zu kurz." Aber das soll jetzt alles nachgeholt werden, verspricht er und macht sich daran, an diesem letzten Arbeitstag die vergessenen Dinge zu begutachten, die sich in seinem Büro im Laufe der Zeit angesammelt haben. All dieses Zeug!, denkt er und sagt: "Man muss etwas entweder sofort wegwerfen oder aber gleich richtig ablegen." Wie tröstlich, dass selbst ein Bibliotheksleiter Unordnung kennt.

In seiner alten Bibliothek wird man Büttrich von nun an nur noch als Gast sehen, zum Beispiel, um die anstehende Edition eines Hörbuches mit Originalaufnahmen der Kaschnitz vorzubereiten. Ganz sicher wird man ihn häufiger in seinem "Stammkonzerthaus" am Gendarmenmarkt finden, wenn er sich bei Barock-Konzerten oder Musik von Mendelssohn zurücklehnt. Doch im Augenblick steht nicht die Musik im Mittelpunkt oder die neue Edition, sondern er selber; morgen feiert er seinen 65. Geburtstag.

Tom Heithoff

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