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Gesundheit: Sensible Schwerstarbeiter

Nichts vernachlässigen wir so sträflich wie unsere Füße. Im Sommer, wenn die Sandalendichte steigt, kommt es an den Tag. Dabei leisten Füße jeden Tag Enormes. Mithilfe von ein paar einfachen Tipps kann man sie besser pflegen.

Unsere Füße haben es nicht gut. Sie sind nicht nur so weit vom Gesicht und damit von unserer Aufmerksamkeit entfernt wie kein anderer Körperteil. Meistens sind sie auch noch gut in Schuhen versteckt und damit dem Blickfeld entzogen. Die Hände dagegen sind, wenn nicht gerade Winter ist, meist nackt. Wir haben sie unmittelbar vor Augen. Unregelmäßigkeiten fallen sofort auf. Nicht so bei den Füßen. Die werden oftmals über Jahre hinweg vernachlässigt.

Das ist ungerecht. Denn wir stehen mit beiden Beinen auf dem Erdboden, sind also zunächst über die Füße, nicht über die Hände mit der Welt verbunden. „Der Fuß ist das wichtigste kybernetische Organ, hier entstehen wesentliche Informationen, die die Bewegung des gesamten Körpers steuern“, sagt Hubert Klauser, Leiter des Schöneberger Hand- und Fußzentrums am Bayrischen Platz. Der Anteil der Hirnregionen, die ihre Informationen von den Füßen erhalten – die sogenannte kortikale Repräsentanz – ist zwar nicht ganz so groß wie bei den Händen. Sie nimmt aber trotzdem einen bedeutenden Anteil ein. Im Hirn, das in einen sensorischen und einen motorischen Cortex geteilt ist, sind die Füße im sensorischen, die Hände im motorischen Teil angesiedelt. Das macht schon deutlich, dass wir eigentlich mit den Füßen sehr viel mehr tun als nur zu laufen – wir erfühlen unsere Umwelt. Manche sagen, die Hände hätten den Aufstieg des Menschen erst ermöglicht. Aber die Tatsache, dass neugeborene Babys dem Betrachter ihre Füße entgegenstrecken, zeigt, dass diese bei der Erforschung der Welt ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.

Bei Erwachsenen verliert sich – nicht zuletzt durch das Tragen von Schuhen – die Fähigkeit, mit den Füßen zu lesen. Dann müssen die Füße vor allem Schwerstarbeit leisten, nämlich das gesamte Körpergewicht tragen. Das können sie nur durch ein ausgefeiltes architektonisches Konzept, nämlich die Kreuzung eines Längsgewölbes, das im Fersenbereich ansteigt und über den Mittelfuß hin zu den Zehen wieder abfällt, mit einem Quergewölbe. Beim Spreizfuß sinkt dieses Quergewölbe zusammen, wodurch die Zehen fächerförmig auseinandergespreizt werden und die Schuhe nicht mehr passen können. Beim Senkfuß ist es das Längsgewölbe, das absinkt. Da häufig das eine das andere nach sich zieht, spricht man auch von einem Senk-/Spreizfuß. Liegt das Längsgewölbe schließlich völlig auf dem Boden auf, spricht man von einem Plattfuß. Behandelt wird vor allem mit Einlagen. Die helfen allerdings nicht mehr bei einem Hallux valgus, dem mit Abstand häufigsten orthopädischen Fußproblem, bei dem der große Zeh fehlgestellt ist und operiert werden muss. Am Hallux valgus, der vor allem bei Frauen auftritt, tritt die kulturelle Bedingtheit vieler Fußprobleme besonders deutlich zutage, denn er ist eine Folge des Tragens von Damenschuhen. Die sind vorne spitz zugeschnitten, der hohe Absatz presst das Gewicht zusätzlich nach vorne.

Schuhe sind ein schwieriges Thema, denn bei ihnen spielen modische und ästhetische Faktoren mit, die traditionell schlecht mit Gesundheit vereinbar sind. Sandalen lassen viel Luft an den Fuß, sind aber zumindest bei Männern modisch eine Katastrophe. Auch Lederschuhe fördern die Luftzirkulation, aber sie haben eine harte Sohle. Turnschuhe haben eine weiche Sohle, schließen den Fuß aber in der Regel luftdicht ein, was zu Schweißfüßen und Fußpilz führen kann. „Im Grunde ist es nicht eine Frage des richtigen Schuhs, sondern der richtigen Einlage“, meint Hubert Klauser, der nach seiner orthopädischen Promotion eine Zusatzausbildung zum Chirurgen gemacht hat. Seinen Patienten empfiehlt er keine gewöhnliche, sondern eine sogenannte sensomotorische Aktiveinlage mit zahlreichen Erhebungen, die die Fußmuskulatur stimuliert und damit kräftigt. Das steht im Einklang mit dem ganzheitlichen Konzept, das das Hand- und Fußzentrum verfolgt: Die Bedeutung des Fußes für den ganzen Körper wird hervorgehoben und die Eigenwahrnehmung des Fußes gestärkt.

Wie kann man diese Eigenwahrnehmung im Alltag trainieren? Zum Beispiel – Hubert Klauser macht es vor –, indem man sich einbeinig auf eine weiche Unterlage stellt und den Fuß die Balancearbeit machen lässt. Auch Barfußlaufen ist ein gutes Training, denn es stimuliert die Rezeptoren. Hervorragend geeignet ist Sand, denn der arbeitet unter den Füßen. Er sollte allerdings nicht nass sein, denn dann wird er hart. Auch Kieselsteine oder eine Wiese eignen sich gut, denn sie bieten taktile Variation und fördern die Empfindung von spitz, stachelig, stumpf, hart oder weich. Würden wir übrigens ganz auf Schuhe verzichten, würden wir, so Hubert Klauser, uns nur am Anfang Verletzungen einfangen. Nach einiger Zeit wäre die Sensomotorik wieder so weit entwickelt, dass wir automatisch Verletzungsquellen auswichen. Aber da die Füße meist in Schuhen wie in Watte verpackt sind, funktioniert dieser natürliche Abwehrmechanismus nicht mehr.

Das gilt auch für die Abwehr von Pilzerregern. Mit ihnen haben vor allem Podologen zu tun, ein nichtärztlicher Gesundheitsfachberuf, dessen Titel seit 2002 geschützt ist. „Fuß- und Nagelpilze sind häufig ein Problem von Männern“, sagt Anja Schloenvogt, Podologin im Gesundheitszentrum Polikum in Charlottenburg, „denn die tragen eher Turnschuhe, und das sind wahre Pilzcontainer.“ Ist ein Nagel befallen, schleift die Podologin die Oberfläche ab und behandelt ihn mit Lack. Bei tiefgreifendem Befall eines Nagels hilft Abschleifen aber nicht mehr. Dann müssen – auf dermatologischen Rat – über Monate verschreibungspflichtige Medikamente eingenommen werden. Fußpilz wird mit Salben behandelt, was ebenfalls bis zu einem halben Jahr dauern kann. Die Kosten werden von den Kassen nicht übernommen. Kostenlos sind dagegen einige Tipps von Anja Schloenvogt zum besseren Umgang mit den eigenen Füßen: Nach dem Schwimmbad- und Saunabesuch die Füße gut abtrocken, gerade auch in den Zehenzwischenräumen. Baumwollsocken tragen, denn die lassen sich heiß waschen. Frauen sollten neben hochhackigen Schuhen immer ein zweites, flaches Paar Schuhe dabeihaben, das sie während des Tages zumindest für ein paar Stunden anziehen. Generell sollten die Schuhe gut gelüftet und sogar mehrmals am Tag gewechselt werden. Dann kann man sich, wenn alles gut geht, vielleicht auch im Sommer mit bloßen Füßen sehen lassen.

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