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Muell

© Imago

Gesundheit: Sporen aus der Biotonne

Schimmelpilze im Abfall: Wer ein schwaches Immunsystem hat, sollte sich vorsehen, sagen Lungenärzte.

Salat geputzt, der Grünabfall landet in der Biotonne. Käse- und Wurstreste ebenfalls. So soll es sein bei ökologisch bewussten Zeitgenossen. Die Mülltrennung gilt als ein Meilenstein des Umweltschutzes. Doch jetzt schlagen Ärzte Alarm. Beim Öffnen des Deckels könnten Schimmelpilzsporen aufgewirbelt werden, sagt Harald Morr, Vorstand der Deutschen Lungenstiftung in Hannover. Würden die Keime eingeatmet, könnte die Lunge geschädigt werden, warnt Morr, der zudem Direktor der Pneumologischen Klinik Waldhof Elgershausen ist. Die Sporen könnten auch allergische Reaktionen, Asthmaanfälle oder Schübe von Neurodermitis hervorrufen. Tickt eine gefährliche Zeitbombe in dem unscheinbaren Plastikbehälter, der unsere Lebensmittelabfälle aufnimmt?

„Alles halb so schlimm“, beruhigt Christian Witt von der Klinik für Infektiologie und Pneumologie an der Berliner Charité. Natürlich sei die Biotonne „ein mit Pilzen und Bakterien belasteter Ort“. Das leuchtet ein, handelt es sich doch um organisches Material, das da verschimmelt und verwest.

Doch Untersuchungen zeigten vor etwa zehn Jahren ein überraschendes Ergebnis. „Die Konzentration an Schimmelpilzen ist bei Biomüll nicht größer als in den Tonnen mit gemischtem Abfall“, sagt Regine Szewzyk, Fachgebietsleiterin Mikrobiologie beim Umweltbundesamt in Berlin. Das liege auch daran, dass es die Pilze gar nicht so feucht mögen, wie es in der Biotonne oft zugehe. Zudem habe sich gezeigt, dass das Wachstum der Pilze nach einer Woche ein Maximum erreicht habe. Es ist demnach aus gesundheitlichen Aspekten nicht nötig, die Biotonne wöchentlich zu leeren, wegen des Gestanks allerdings schon.

Ob nun die Keime aus der Biotonne oder sonstigen Abfallbehältern stammen, beim Öffnen des Deckels gelangen sie in die Umgebung. Doch auch angesichts der Sporeninvasion gibt Lungenarzt Witt weitgehend Entwarnung. Das Immunsystem gesunder Menschen sei problemlos in der Lage mit den eingeatmeten Pilzen oder Bakterien fertig zu werden. Probleme sieht er allenfalls bei gesundheitlich angeschlagenen Patienten.

Mit stark geschwächtem Immunsystem solle man den Kontakt mit verschimmelndem Abfall meiden, sagt Witt. Das betrifft vor allem Aidskranke oder Menschen, die eine Transplantation hinter sich haben. Auch Patienten, die sich einer Strahlen oder Chemotherapie unterziehen müssen, sind bedroht. Ebenso ältere Menschen mit chronischen Krankheiten. Wer ausgeprägte Allergien oder Asthma hat, sollte ebenfalls vorsichtig sein.

Zur Risikogruppe zählt Witt zudem Patienten, die an Tuberkulose erkrankt waren, doch sei deren Zahl in Deutschland mit etwa 5000 sehr gering. Wesentlich größer ist dagegen die Gruppe derjenigen, die an chronischer Bronchitis leiden. Etwa sechs Prozent der Bevölkerung seien von dieser „Volkskrankheit“ betroffen, sagt der Charité-Arzt, bei Rauchern schon etwa jeder Vierte.

Wie die Lungenstiftung ausführt, können bei dieser Erkrankung Hohlräume in der Lunge entstehen. In solche Lungenkavernen, aber auch in anderen Hohlräumen des Atemtrakts wie Nasenneben- oder Stirnhöhlen nisten sich gerne Schimmelpilzsporen der Art Aspergillus fumigatus ein, die dann ein „Aspergillom“ bilden. Dabei wächst das Schimmelpilzgeflecht zu einer Kugel heran. An der Oberfläche entstehen neue Poren, die sich im Körper verteilen können. „Mit der Zeit machen sich Gewichtsverlust, chronischer Husten und Abgeschlagenheit bemerkbar“, sagt Morr. Therapieren könne man mit speziellen Antipilzmitteln.

Wer allergisch auf Schimmelpilze reagiert, sollte Abfalltonnen möglichst meiden. Denn die Allergie kann sich zu Asthma ausweiten. Die Lungenstiftung empfiehlt, beim Kontakt mit Biomüll einen Atemschutz zu tragen. UBA-Expertin Szewzyk rät mehr zu gegenseitiger Hilfe. Wer gesund und stark ist, bringt den Müll runter. Das stärkt nicht nur den Zusammenhalt in Familie und Nachbarschaft. Bewegung ist in jedem Fall gesund.

Paul Janositz

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