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Gesundheit: Gottes Konkurrent

Warum Charles Darwin 1859 die Wissenschaft revolutionierte

Hätte er vor 1859 gelebt, er hätte an Gott geglaubt. Wie sonst hätte er sich das Leben erklären sollen? Nach 1859 jedoch, dem Jahr, als Charles Darwin seine „Entstehung der Arten“ veröffentlichte, sei die Hypothese Gott hinfällig geworden, sagt Richard Dawkins („Das egoistische Gen“), der vielleicht berühmteste lebende Biologe. In seinem Buch „The God Delusion“ (etwa: „Der Gotteswahn“), das in den USA derzeit die Gemüter erhitzt, meint Dawkins sogar: Wer nach Darwin noch an Gott glaubt, der leide unter einer Art psychotischem Wahn.

So gut wie jede wissenschaftliche Hypothese ist im Laufe der Geschichte widerlegt worden. Darwins Theorie von der Entstehung der Arten aber hat den Test der Zeit überstanden: Sie gilt bis auf den heutigen Tag – ohne Abstriche. Ihre Genialität liegt nicht zuletzt in ihrer Einfachheit. Der Kerngedanke lässt sich in zwei, drei Sätzen erklären, und, im Gegensatz zu etwa Einsteins Relativitätstheorie, von jedem verstehen. Ja, das Prinzip der „natürlichen Auslese“ erscheint dermaßen simpel, man wundert sich, dass es so lange gedauert hat, bis endlich einer auf den Gedanken kam. Dabei löst die Idee mit einem Schlag eine fundamentale Frage auf eleganteste und zugleich ketzerische Weise. Die Frage lautet: Wer ist der Schöpfer der Vielfalt des Lebens, die wir um uns herum sehen? Darwins Antwort: Es ist das Leben selbst.

Arten entwickeln sich im Laufe einer Evolution. Jeder Organismus kommt mit etwas anderen Erbanlagen und damit mit anderen Eigenschaften zur Welt („Variation“). Nur diejenigen, die sich in ihrer Umwelt und gegen die Konkurrenz durchsetzen, pflanzen ihre Erbanlagen fort; die anderen waren lediglich ein Zwischenfall ohne Folgen („Selektion“). Variation und Selektion – diese zwei Spielregeln der Natur, verkündete Darwin, führten vom Einzeller bis hin zu uns.

Diese revolutionäre Theorie, die in zwei Jahren ihren 150. Geburtstag feiert, wird seit 1859 hartnäckig angegriffen und ebenso hartnäckig verteidigt. In der Wissenschaftswelt zweifelt kaum noch einer an ihrer Gültigkeit, im Gegenteil: Darwin inspiriert Forscher bis heute, von der Ökonomie bis zu den Neurowissenschaften. Die Hirnforscher stehen schließlich vor einem ähnlichen Problem: Wer, fragen sie, ist der Schöpfer unserer Gedanken? So etwas wie ein „Ich“, das unsere Gedanken lenken würde, lässt sich im Gehirn nicht finden. Vielmehr scheint auch in unserem Kopf eine Darwin-Maschinerie wirksam zu sein, die unser Ich erst hervorbringt: Diverse Zellverbände bekämpfen sich in jedem Augenblick gegenseitig. Wer aus dem Kampf als Sieger hervorgeht, bestimmt den Inhalt unseres Bewusstseins und/oder unseres Tuns. Eine zentrale, lenkende Instanz, die im Hintergrund die Fäden unserer Gedanken zieht, gibt es offenbar nicht.

Auch in den Molekülen stoßen Forscher auf Darwin. Pflanzen und Tiere lassen sich heutzutage nicht mehr nur aufgrund ihrer Erscheinung vergleichen, sondern auch auf genetischer Ebene. Man kann eine Art Stammbaum der DNS aufstellen und daran nachvollziehen, wie eng alle Lebewesen zusammenhängen. Was sich dabei herausgestellt hat: Wir teilen viel mehr mit dem Rest der Natur, als wir meinen – und uns manchmal lieb ist. Sogar eine Banane hat schätzungsweise zu 50 Prozent die gleichen Gene wie wir.

Darwin also. In einer Serie wollen wir ausloten, wie weit Darwins Gedanken die Welt der Wissenschaft durchdrungen haben. Wie weit man mit seiner Evolutionstheorie gekommen ist und wo ihre Grenzen liegen. Was wissen wir heute über die Entstehung der Arten? Wie entwickelte sich der Mensch? Welche Folgen hatte Darwins Theorie? Zum Auftakt der Serie fangen wir mit dem Anfang an und gehen zurück zu jenem Moment, als das Leben seinen Ursprung nahm: jenem Moment, als Darwins Spielregeln erstmals in Kraft traten ( Text oben ). bas

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