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Gesundheit: Grün ist die Hoffnung – oder?

Neue Studie: Obst und Gemüse bei der Krebsvorbeugung kaum wirksam

Wer Obst und Gemüse isst, beugt gegen Krebs vor. Diese Aussage ist geradezu ein Mantra der Ernährungsmedizin. Umso überraschender, dass nun eine große wissenschaftliche Untersuchung diesen Grundsatz erschüttert. Ergebnis der Studie: Die Teilnehmer, die am meisten Obst und Gemüse aßen, erkrankten nicht seltener an Krebs. Sie erlitten allerdings seltener einen Herzinfarkt oder Schlaganfall als Grünzeug-Muffel. Offenbar sind die Zusammenhänge zwischen Krebsvorbeugung und Ernährung komplizierter als gedacht.

Für die Untersuchung, die im Fachblatt „Journal of the National Cancer Institute“ veröffentlicht wurde (wir berichteten kurz), wurden Fragebögen zur Ernährung von 71910 Frauen und 37725 Männern aus Gesundheitsberufen seit Mitte der 80er Jahre ausgewertet und zu ihren Krankengeschichten in Verbindung gebracht. Die Forscher um Hsin-Chia Hung und Walter Willett von der Harvard-Universität in Boston wollten herausfinden, ob zwischen der täglich verspeisten Obst- und Gemüsemenge und den beiden wichtigsten Krankheiten und Todesursachen der westlichen Welt wirklich der Zusammenhang besteht, den man aufgrund zahlreicher früherer Studien vermutete. Der Schutzeffekt für Herz und Gefäße wurde nun untermauert: In der Gruppe, die am meisten Obst und Gemüse verzehrte, traten etwas weniger Erkrankungen auf.

Anders beim Krebs. „Der schützende Effekt von Obst und Gemüse wurde wahrscheinlich überschätzt“, lautet das Fazit der Wissenschaftler. Nur bei rauchenden Männern schlug sich statistisch ein leichter Schutzeffekt von Gemüse nieder.

Die Studie steht im Widerspruch zu anderen Untersuchungen, etwa einer 2003 veröffentlichten Studie, an der auch das Deutsche Institut für Ernährungsforschung (Dife) in Rehbrücke beteiligt war. In ihr zeigte sich, dass das Risiko für Dickdarmkrebs um 40 Prozent sinken kann, wenn der Anteil pflanzlicher Faserstoffe in der Ernährung verdoppelt wird. „Man kann also sagen: Wer sich vor Darmkrebs schützen will, sollte viel Obst und Gemüse essen“, resümiert Hans-Georg Joost, Direktor des Dife.

Warum schlugen all diese Effekte, die in Beobachtungsstudien und bei Vergleichen zwischen den Erkrankten und Kontrollpersonen zu einzelnen Krebsarten gefunden wurden, in der jetzigen Großuntersuchung nicht zu Buche? Möglicherweise waren die Beobachtungsinstrumente nicht genau genug, um bescheidene Unterschiede zu erfassen, so wird in einem Kommentar zur Studie in der Zeitschrift vermutet. Ein weiterer Einwand betrifft die Auswahl der Studienteilnehmer: Da sie alle in Gesundheitsberufen arbeiteten, ernähren sie sich eventuell im Schnitt vernünftiger als der Durchschnitt der Bevölkerung. Möglich, dass ab einem bestimmten höheren Level des Früchte- und Gemüseverzehrs dessen risikomindernder Effekt nicht mehr zu steigern ist. Für Heiner Boeing vom Dife ist Magenkrebs ein gutes Beispiel: „Er hat bei uns um zwei Drittel abgenommen, unter anderem wahrscheinlich, weil die Menschen sich auch im Winter vitaminreicher ernähren können.“ Ist es also gerade die gute Ernährungssituation, die dazu führt, dass die Unterschiede nicht mehr so sehr ins Gewicht fallen?

„Wer viel Obst und Gemüse isst, lebt auch sonst meist gesünder“, gibt der Ernährungsexperte Joost zu bedenken. Zusammen bringt das wahrscheinlich eine ganze Menge – vor allem im Hinblick auf Herz-Kreislauf-Krankheiten und Diabetes, aber auch beim Schutz gegen den Krebs. „Es gibt also genügend Grund für Kampagnen wie ,5 am Tag’, die Obst und Gemüse propagieren“, sagt Boeing.

Joost warnt jedoch davor, den Schutz zu pauschal in Aussicht zu stellen, nach dem Motto: Gemüse schützt vor Krebs. „Wir sollten nicht versprechen, dass alle Krebsarten reduziert werden.“ Im Interesse der Glaubwürdigkeit sollte man das schon deshalb nicht tun, weil Studien zu erwarten sind, die das Ernährungspuzzle noch verwirrender machen könnten.

Adelheid Müller-Lissner

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