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Gesundheit: Grüne Klimasünder

Pflanzen setzen beim Wachstum Methan frei. Bei steigenden Temperaturen wird so immer mehr Treibhausgas produziert

„Und sie erzeugen doch Methan“, sagt Frank Keppler. Der Chemiker am Heidelberger Max-Planck-Institut (MPI) für Kernphysik spricht von Pflanzen, die bisher unverdächtig waren, das neben Kohlendioxid wirksamste Treibhausgas zu produzieren. Jetzt berichtet ein Team um Keppler im Fachmagazin „Nature“ (Band 439, Seite 187) über den erfolgreichen Nachweis von Methan, das beim Wachstum von Pflanzen entstanden sei.

„Aus wissenschaftlicher Sicht ist das revolutionär“, sagt Keppler. Bisher steht in den Lehrbüchern, dass sich die aus einem Kohlenstoffatom und vier Wasserstoffatomen zusammengesetzten Methanmoleküle nur bei Abwesenheit von Sauerstoff bilden könnten. Dann würden sich Mikroorganismen daran machen, Substanzen wie Wasserstoff und Kohlendioxid, die beim Abbau organischen Materials entstehen, in Methan umzuwandeln.

Als jedoch die Heidelberger Forscher überraschenderweise feststellten, dass aus abgefallenen Blättern auch in sauerstoffreicher Umgebung Methan frei wird, stellten sie die Lehrmeinung in Frage. Sie packten insgesamt 16 verschiedene Pflanzenarten, darunter Mais oder Weidelgras, in ein Gefäß und spülten dieses mit methanfreier Luft. So konnten sie sicher sein, dass die Ergebnisse nicht durch normalerweise in der Umgebung vorhandenes Methan verfälscht würden. Ausgefeilte Messtechnik war notwendig, um nachweisen zu können, dass auch lebende Pflanzen Methan produzieren.

Mit diesem Resultat habe er schon gerechnet, sagt Keppler, überrascht habe ihn allerdings die große Menge des freigesetzten Treibhausgases – bei lebenden Pflanzen zehnmal mehr als aus abgestorbenem organischem Material. Keppler schätzt, dass sich das von Pflanzen erzeugte Methan auf jährlich 60 bis 240 Millionen Tonnen addiert.

Das entspricht zehn bis 30 Prozent der insgesamt weltweit freigesetzten Menge. Etwa zwei Drittel des pflanzlich erzeugten Methans kommt aus tropischen Gebieten, da dort am meisten Biomasse gebildet wird. Das erklärt auch die vor einigen Monaten von Heidelberger Forschern per Satellit festgestellten, unerwartet hohen Methankonzentrationen über tropischen Regenwäldern. Ansonsten entsteht Methan, das als Erdgas unentbehrlich ist, bei industriellen Prozessen, die meist mit der Energieerzeugung zusammen hängen.

Dass sich der Gehalt des Treibhausgases in der Atmosphäre in den letzten 150 Jahren fast verdreifacht hat, ist aber zum großen Teil der Nahrungsmittelversorgung einer stets wachsenden Weltbevölkerung geschuldet. So wird viel Methan aus natürlichen Quellen wie Reisanbau oder Rinderhaltung emittiert. Feuchtgebiete oder Reisfelder, die Verdauung bei Wiederkäuern oder Termiten, Mülldeponien oder Klärwerke tragen etwa zwei Drittel zu den rund 600 Millionen Tonnen weltweit erzeugten Methans bei.

„Der Beitrag der Pflanzen wirkt sich stark auf das Klima aus“, erklärt Keppler. Zumal sich der Effekt aufschaukelt. Denn mit steigenden Temperaturen wird mehr Methan produziert und das fördert die Klimaerwärmung. Der Mechanismus, nach dem sich pflanzliches Methan bildet, ist noch völlig unklar. Bisherige Vorstellungen über den pflanzlichen Stoffwechsel passen nicht.

„Das wird eine spannende Aufgabe für die Forschung“, sagt der Max-Planck-Experte. Allerdings wird dies nicht mehr in Heidelberg stattfinden. Die Arbeitsgruppe, der auch Kepplers Kollege Marc Braß, Thomas Röckmann, jetzt Universität Utrecht, und John Hamilton, nordirisches Landwirtschaftsministerium, angehörten, löst sich auf. Doch Keppler ist zuversichtlich, seine Forschung an einem anderen Institut fortsetzen zu können.

Neben Laborversuchen gehören dazu Feldstudien und Fernerkundung mittels Satelliten, um die Stärke der pflanzlichen Quellen besser abschätzen zu können. Darüber hinaus geht es um die Rolle der Biosphäre bei der Methanbildung in der Erdgeschichte. Welchen Einfluss haben steigende globale Temperaturen und zunehmende Kohlendioxidkonzentrationen auf die pflanzliche Methanherstellung? In den Modellen der Klimaforscher sind Pflanzen als Methanproduzenten jedenfalls noch nicht enthalten.

Paul Janositz

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