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Gesundheit: „Habn’s ein Atom g’sehn?“

Vor 100 Jahren starb Ludwig Boltzmann

„Doch glaube ich von den Molekülen beruhigt sagen zu können: Und dennoch bewegen sie sich!“ Dieser, an die Worte Galileis erinnernde Schlusssatz einer Publikation des österreichischen Physikers Ludwig Boltzmann mutet anachronistisch an. Als Boltzmann dies jedoch im 1889 schrieb, da gehörte die Atomtheorie keineswegs zum gesicherten Wissen.

Obwohl der Atombegriff damals in der Chemie bereits ein wichtiges Hilfsmittel für das Periodensystem der Elemente war, wollte man insbesondere in der Physik den Atomen lediglich den Rang einer Arbeitshypothese zubilligen, von ihrer realen Existenz aber nichts wissen. „Habn’s ein Atom g’sehn?“, soll die Antwort von Boltzmanns Wiener Kollegen Ernst Mach auf entsprechende Fragen gewesen sein.

Unter den Forschern, die sich im späten 19. Jahrhundert dieser Auffassung entgegenstellten und um eine Anerkennung der Atomlehre bemüht waren, muss man Ludwig Boltzmann einen besonderen Platz einräumen. Als „Atomistiker bis ins Unmögliche“ – so wurde er von seinen Gegenspielern charakterisiert – versuchte er, die physikalischen Erscheinungen konsequent auf der Grundlage des Atombegriffs zu deuten.

In einem Lebenswerk von ungewöhnlicher Breite, das neben Beiträgen zur Atomistik, Statistik und Thermodynamik auch in der analytischen Mechanik und Elektrodynamik sowie auf philosophischem Gebiet Bedeutendes hervorgebracht hat, stellte dieses Engagement für das Atom den roten Faden dar.

Ludwig Boltzmann wurde am 20. Februar 1844 in Wien als Sohn eines kaiserlichen Steuerbeamten geboren. Obwohl sich schon früh seine Interessen auf die Naturwissenschaften konzentrierten, spielten künstlerische und literarische Neigungen im Leben Boltzmanns stets eine wichtige Rolle. So nahm er bei Anton Bruckner Musikunterricht.

Nach dem Studium war Boltzmann Assistent an der Wiener Universität, doch ergingen bald ehrenvolle Berufungen. Graz, München, Leipzig und Wien bildeten die Stationen der akademischen Karriere. Beinahe wäre er 1888 nach Berlin gekommen. Den bereits ergangenen Ruf lehnte er im letzten Moment ab, weil er nicht an der Seite von Hermann von Helmholtz, dem übermächtigen „Reichskanzler der Physik“, wirken wollte.

Am Beginn hat Boltzmann experimentell gearbeitet. Dennoch waren schon damals seine Forschungen auf die theoretische Physik fokussiert. So erregte er früh mit Überlegungen zu den Beziehungen von Thermodynamik und Mechanik Aufsehen.Boltzmanns Überlegungen zur statistischen Begründung der Entropie und damit des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik waren so fundamental, dass die Entwicklung der modernen Physik ohne diese undenkbar gewesen wäre. Beispielsweise gründet sich die Quantenphysik ganz wesentlich auf seiner Statistik.

Boltzmann hat sich auch dem damals aktuellen Gebiet der Strahlungstheorie gewidmet und ihm gelang 1884 das von seinem Lehrer Josef Stefan empirisch gefundene Gesetz über die Gesamtstrahlung des Schwarzen Körpers theoretisch zu begründen. Seither heißt dieses Gesetz das Stefan-Boltzmannsche Gesetz.

Die Auseinandersetzungen um die Atomtheorie hinterließen tiefe Spuren und förderten wahrscheinlich jene Depressionen, die zu Boltzmanns Selbstmord am 5. September 1906 in Duino bei Triest führten.

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