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Gesundheit: Hat noch jemand Lust mitzustreiken? Berlin: Das letzte Aufgebot der Uniproteste findet keine Mitstreiter

Von Tilmann Warnecke und Constance Frey Mittags in der Mensa der Humboldt-Universität zu Berlin. An der Essensausgabe steht Philosophie-Studentin Marieke Schippert und brüllt in ein Megafon.

Von Tilmann Warnecke

und Constance Frey

Mittags in der Mensa der Humboldt-Universität zu Berlin. An der Essensausgabe steht Philosophie-Studentin Marieke Schippert und brüllt in ein Megafon. „Heute ist Streiktag. Hat irgendjemand Lust, Unter den Linden mit einer Stuhlblockade lahm zu legen?“ Keiner hat Lust auf die Aktion, alle stochern ungerührt weiter in ihrer Chinapfanne. Nicht ein einziger Kommilitone will sich Schippert anschließen, obwohl eine studentische Vollversammlung vor zehn Tagen beschlossen hat, die Uni an vier Wochentagen zu bestreiken.

Als Marieke Schippert sich dann gemeinsam mit zwanzig bereitstehenden Aktivisten entschließt, die Straße vor dem Hauptgebäude allein zu blockieren, zeigt sich: Wenn Wenige ihre Kraft strategisch einsetzen, bekommen sie auch Aufmerksamkeit. „Stuhlgang gegen Unikürzungen“ halten sie den Autofahrern auf einem Transparent entgegen. Die hupen wütend, versuchen, die Blockade über den Bürgersteig zu umfahren. Nach einer Viertelstunde brechen die Studenten die Aktion freiwillig ab. Eigentlich wollten sie sich von der Polizei wegtragen lassen, aber die wollten nicht so schnell zugreifen, sondern regelten freundlich den gestörten Verkehr. Die heiße Luft ist auch bei ihnen raus.

Bei den HU-Soziologen hocken die Studenten auf dem Boden und auf den Heizungen. Damit protestieren sie nicht etwa gegen unzumutbare Studienbedingungen, sondern sie lauschen in ihrem regulären Seminar dem Referat einer Kommilitonin – wie vor dem Streik. Am Kopierer im dritten Stock steht Spanisch-Studentin Julia Lazaro und vervielfältigt Uni-Unterlagen, um sich für ein Auslandssemester zu bewerben. Sie hat im Dezember noch gestreikt. „Jetzt wird der Druck, Scheine zu machen, zu groß“, sagt sie. Ohne Prüfungsergebnisse kann sie die Bewerbung für ein Austausch-Jahr abschreiben.

Selbst bei den Streikposten an der Technischen Uni ist das Interesse am „Streik“ abgeflaut. Am verwaisten Infotisch gucken sie ein Video auf dem Laptop – anstatt für den Ausstand zu werben. Aber am heutigen Mittwoch ist wieder Vollversammlung an der TU und auch an der Freien Uni. Noch einmal geht es um die Fortführung der Proteste – oder um ihr endgültiges und offizielles Ende. TU-Streikposten Benjamin Lippke rechnet mit einer „Zwei-Drittel-Mehrheit für Streik“. Wie man die Proteste aufrechterhält, macht die Unileitung vor. Der Akademische Senat tagt heute um 14.15 Uhr in einer öffentlichen Sitzung auf dem Potsdamer Platz.

Und endlich, kurz bevor die Proteste ganz einschlafen, will auch die Berliner SPD mit den Studenten reden. Gestern Abend trafen sich der Landesvorstand und die Fraktion im Abgeordnetenhaus mit Studentenvertretern. Sie erwarte nicht viel, nachdem ein SPD-Sprecher bereits am Montag klar gemacht habe, dass die Einsparungen an den Unis ohnehin festgeschrieben seien, sagte vorher eine Studentin der Afrikawissenschaften an der Humboldt-Uni. Studenten, die die Sitzung vorzeitig verließen, zeigten sich denn auch enttäuscht: Einem Runden Tisch, bei dem sie doch noch einmal über die Kürzungen verhandeln wollten, stimmte SPD-Chef Peter Strieder nicht zu. Der Senator habe ihnen vorgeworfen, nur quantitative Forderungen zu stellen, er wolle jetzt bitte mal qualitative hören. „Von dem kommen doch nichts als Luftblasen“, murrte ein Geschichtsstudent. Aber etwas haben Strieder und Annette Fugmann-Heesing den Studierenden dann doch versprochen: Ein weiteres Streitgespräch, Ende Januar – und diesmal öffentlich.

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