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HeilSTÄTTEN: Idyll mit Eseln und Eurythmie

Sie kommen aus der ganzen Stadt: Zweimal im Monat pilgern werdende Eltern in Scharen zum Informationsabend ins Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe. Dort füllen sie einen großen Saal mit hohen Fenstern, in dem man sich vorkommt wie in einer altmodischen Schulaula.

Sie kommen aus der ganzen Stadt: Zweimal im Monat pilgern werdende Eltern in Scharen zum Informationsabend ins Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe. Dort füllen sie einen großen Saal mit hohen Fenstern, in dem man sich vorkommt wie in einer altmodischen Schulaula. An den Türen drängen sich die Nachzügler. Schließlich dauert es lange, bis der BVG-Bus aus den zentralen Regionen Berlins endlich angekommen ist. Die Hebamme, die die Geburtshilfe des Krankenhauses vorstellt, zitiert eine Passage aus Michael Endes Kinderbuchklassiker „Momo“. Und ein Mann in der fünften Reihe möchte wissen, ob denn auch wirklich alles „ganz natürlich“ ohne Rückenmarksbetäubung und andere „künstliche Mittel“ ablaufen könne, wenn sein Kind auf die Welt komme. Der werdende Vater, der ein seidenes Halstuch trägt und seine langen Haare in einer sorgfältigen Welle nach hinten gestylt hat, ist wie alle hier auf der Suche nach einer Art heiligem Gral: der perfekten Rundum-Wohlfühl-Geburt.

Das anthroposophisch ausgerichtete Krankenhaus ist sozusagen der Bio-Feinkostladen unter den Berliner Krankenhäusern. Über den Kreißsälen und der Wöchnerinnenstation liegt eine ruhige Atmosphäre. Die Betten und die Tresen der Schwestern sind aus hellem Holz, die Wände sind in Pastellfarben lasiert. Auch andere Stationen des Krankenhauses sind ähnlich anheimelnd eingerichtet, die Technik soll möglichst wenig zu sehen sein, das ist nur auf der Intensivstation anders. Überall sonst merkt man den anthroposophischen Ansatz. Der strebt eine ganzheitliche Behandlung an – zusätzlich zur Schulmedizin werden Naturheilmittel, Maltherapie, Musiktherapie, rhythmische Massage und Heileurhythmie, eine Art anthroposophische Bewegungstherapie, eingesetzt. Vor allem bei den beiden anderen Schwerpunkten der Akut-Klinik mit 304 Betten: integrative Onkologie und Psychosomatik.

Seit 1995 hat die Klinik diese anthroposophische Ausrichtung. Damals war Havelhöhe als reguläres Krankenhaus für überflüssig befunden worden. Ein anthroposophischer Verein übernahm es als Träger und begann 2000 vor allem das Innere der sechs Bettenhäuser sowie der Nebengebäude behutsam umzugestalten. Schließlich stehen die Häuser auf dem 18 Hektar großen Gelände im Wald unter Denkmalschutz. In den dreißiger Jahren war das Ensemble als „Reichsluftfahrtakademie“ erbaut worden, gegenüber vom Flugplatz Gatow. Ab 1950 war es dann eine Tuberkulose-Heilstätte, in den Sechzigern wurde es ein allgemeines Krankenhaus. Auch eine Waldorfschule befindet sich auf dem Gelände. Dort werden Esel, Pferde, Schafe, Ziegenböcke gehalten, die auch für eine tiergestützte Therapie in der Psychosomatik eingesetzt werden. Wenn plötzlich so eine Kolonne aus Tieren und Patienten über das Gelände stapft, ist das Idyll perfekt. Daniela Martens

KRANKENHAUS HAVELHÖHE

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