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Gesundheit: Herzchirurgie: Der Mann, der das Kunstherz erfand

In den letzten Jahres war es still geworden um den Berliner Herzchirurgen Emil Bücherl. Am Donnerstag letzter Woche ist der schwerkranke Bücherl, wie bereits gemeldet, im Alter von 81 Jahren gestorben.

In den letzten Jahres war es still geworden um den Berliner Herzchirurgen Emil Bücherl. Am Donnerstag letzter Woche ist der schwerkranke Bücherl, wie bereits gemeldet, im Alter von 81 Jahren gestorben. Weltweit bekannt wurde Bücherl durch seine Forschungen zum "Kunstherz", einer Kreislauf-Unterstützungspumpe, an deren Entwicklung Bücherl wesentlichen Anteil hatte. Als "extrem erfolgreichen Herzchirurgen" würdigte am Montag Hans Beger, enger Mitarbeiter Bücherls bis 1982 und heute Leiter der Abdominalchirurgie an der Ulmer Universitätsklinik, die Arbeit des Verstorbenen. "Er war einer der bekanntesten Chirurgen seiner Zeit, er arbeitete überdurchschnittlich sauber, war ein eleganter Operateur, und dazu ein bemerkenswerter Wissenschaftler, Denker und Arzt."

Bücherl forschte seit 1962 an der Entwicklung eines künstlichen Herzens. Dabei galt es, viele technische Probleme aus dem Weg zu räumen, zum Beispiel mit dem Antriebssystem und der Energieversorgung. Bücherl schaffte es, mit einem Team aus Wissenschaftlern, Ingenieuren und Technikern an die Weltspize vorzustoßen. Er intensivierte die Arbeit am Kunstherz, als klar wurde, dass die Abstoßungsreaktionen nach den ersten Herzverpflanzungen nicht in den Griff zu kriegen waren. Das gelang erst später. 1974 und 1979 lud Bücherl zu Weltkongressen für künstlichen Herzersatz nach Berlin, und die Elite der Kunstherz-Pioniere kam in die Stadt.

Trotzdem fanden die ersten Kunstherz-Implantationen in den USA statt. Bücherl führte das auf Probleme mit der Forschungsförderung in Deutschland zurück, durch die seine Gruppe ins Hintertreffen geraten sei. Im März 1986, fast ein Vierteljahrhundert nach der Aufnahme des Projekts, setzte Bücherl das erste Mal sein Kunstherz einem menschlichen Patienten ein, und erregte damit bundesweit Aufsehen. Aber der Kranke überlebte den Einsatz nur wenige Tage, und auch bei zwei weiteren Patienten war Bücherl kein Erfolg beschieden.

Die Eingriffe entfachten eine heftige Diskussion über Ethik und Moral in der Medizin. War Bücherls Handeln gerechtfertigt? Oder war er ein Opfer seines Ehrgeizes geworden? Inzwischen ist der Einsatz von Kreislauf-Unterstützungspumpen, die als Überbrückung bis zur Herzverpflanzung dienen, schon Routine geworden. Die technische Entwicklung hat auch Bücherls Traum vom vollständigen künstlichen Organersatz, also vom echten Kunstherz, schon fast wahr werden lassen.

Bücherl war der erste, der in Deutschland Herzen und Lungen verpflanzte, und er transplantierte auch Nieren und Lebern. Sein Interesse für künstliche Organe führte auch zur Entwicklung einer künstlichen Luftröhre und einer Speiseröhre. Eine von ihm ins Leben gerufene "Europäische Gesellschaft für Künstliche Organe" besteht noch heute, ebenso wie eine entsprechende Zeitschrift.

Im bayrischen Rosenheim aufgewachsen, kam Bücherl nach dem Studium in München, Rom und Heidelberg und nach mehreren Stationen als Arzt und Forscher schließlich 1957 an die Freie Universität Berlin. Hier wurde er 1962 außerplanmäßiger Professor und 1968 Ordinarius und Klinikdirektor. Vorausgegangen war eine Interimszeit als Chirurgie-Chefarzt am Krankenhaus Neukölln von 1964 bis 1968.

Am Klinikum Westend, dem ersten Standort des Uniklinikums der Freien Universität, hatte Bücherl ein eigenes Forschungshaus. Nach seiner Emeritierung 1988 wurde seine Abteilung zum Diener zweier Herren, nämlich des Deutschen Herzzentrums Berlin unter Leitung von Roland Hetzer und von Bücherls Nachfolger im Amt des Klinikdirektors, des Bauchchirurgen Peter Neuhaus. Bücherl selbst hat noch jahrelang weiter an der Entwicklung des Kunstherzens gearbeitet.

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