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Gesundheit: Hochschulverträge: Die Uniklinika sollen das Opfer bringen

Noch vor der Sommerpause sollen die Hochschulverträge vom Abgeordnetenhaus gebilligt werden. Die Verhandlungen um die Millionenbeträge werden immer hektischer.

Noch vor der Sommerpause sollen die Hochschulverträge vom Abgeordnetenhaus gebilligt werden. Die Verhandlungen um die Millionenbeträge werden immer hektischer. Wie aus zuverlässiger Quelle zu erfahren ist, hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit drei Möglichkeiten zur Wahl gestellt: Wenn die Hochschulen die verlangten Sparsummen nicht akzeptieren wollten, werde es überhaupt nicht zu neuen Verträgen für die Jahre 2003 bis 2005 kommen. Oder jetzt würden nur Hochschulverträge ohne die Hochschulmedizin abgeschlossen. Als dritte Möglichkeit bot er an, die Hochschulverträge einschließlich der Medizin abzuschließen, aber dann müsse die Medizin Sparbeiträge in Höhe von 150 Millionen Mark erbringen. Damit zeichnet sich einen Tag vor den Beratungen des Wissenschaftsausschusses ab, dass die Hochschulmedizin in Berlin noch mehr Sparopfer erbringen muss, als bisher angenommen worden war.

Neue Summe: 145 Millionen

In dem Entwurf für die Hochschulverträge, der noch unter Verantwortung des alten Diepgen-Senats ausgehandelt worden war, sollte die Hochschulmedizin 90 Millionen Mark in den Jahren 2003 bis 2005 sparen. Mit diesen 90 Millionen Mark wollte der Senat einen Teil des Hochschulerneuerungsprogramms finanzieren, das der Austattung der künftig zu berufenden Professoren dient. Weitere 25 Millionen sollten im Staatszuschuss für die Medizin gesperrt werden, bis sich die Mediziner mit strukturellen Veränderungen einverstanden erklären. Diese Bedingungen hatten die Freie Universität und die Humboldt-Universität zähneknirschend akzeptiert.

Nach dem jüngsten Verhandlungsstand sollen jetzt der Hochschulmedizin in den Jahren 2003 bis 2005 Sparbeiträge in Höhe von 145 Millionen Mark abverlangt werden. Die Sperre von 25 Millionen Mark, die noch in den alten Verträgen vorgesehen war, gilt jetzt als endgültiger Sparbeitrag. Die Hochschulmediziner wehren sich heftig gegen diese Summen. Aber Klaus Wowereit hat in Verhandlungen mit der Wissenschaftssenatorin Adrienne Goehler erklärt, entweder akzeptierten die Hochschulpräsidenten die neue Lage oder es werde keine neuen Hochschulverträge geben. Für Nachbesserungen gibt es wohl keinen Spielraum mehr, äußerte Bernd Köppl, der Koordinator für Wissenschaft und Forschung, nach dem Gespräch mit Wowereit.

Der Dekan der Charité der Humboldt-Universität, Professor Joachim-Wolfram Dudenhausen, erklärte, er sehe sehr wohl, dass die Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung die Forderung des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit, jährlich 150 Millionen Mark in der Hochschulmedizin zu sparen, abgewehrt habe und diese Summe auf drei Jahre verteilen wolle. Dennoch könnten die Mediziner diesen erhöhten Spardruck nicht akzeptieren. Schon die Zustimmung zu den 90 Millionen an Sparleistungen in dem ursprünglichen Vertragsentwurf sei den Medizinern der Humboldt-Universität schwer gefallen. In der Fakultät sei erklärt worden, dass die Humboldt-Universität weiteren Sparauflagen nicht zustimmen solle. Er gehe jetzt in ein Gespräch mit dem HU-Präsidenten Jürgen Mlynek mit der klaren Empfehlung, unter diesen Bedingungen die neuen Hochschulverträge nicht zu unterzeichnen. Wenn 145 Millionen Mark an Staatszuschuss weniger gezahlt werden, könnten Forschung und Lehre nicht mit der Qualität wie bisher aufrechterhalten werden und der Reformstudiengang Medizin sei gefährdet.

Gaehtgens sagt: "katastrophal"

Der Präsident der Freien Universität, Peter Gaehtgens, erklärte, die Zumutung einer Sparleistung in dieser Höhe sei "katastrophal". Solche Steigerung der Belastung "werde ich nicht sofort durch unterwürfiges Unterschreiben beantworten." Er prüfe die neuen Zahlen unter dem Gesichtspunkt, welche dieser Sparauflagen nur einmal jährlich zu erbringen seien und bei welchen Sparauflagen es sich um dauerhafte Absenkungen handele. Zum Beispiel sei in den 145 Millionen Mark auch eine Summe in Höhe von zehn Millionen enthalten, die dadurch erbracht werden soll, dass die Medizinprofessoren aus den Einnahmen ihrer Nebentätigkeit zehn Millionen Mark mehr an die Hochschulen abführen.

Der Dekan des FU-Fachbereichs Humanmedizin, Professor Martin Paul, bezeichnete die Entwicklung wie Gaehtgens als "katastrophal". Jetzt gehe es ans Eingemachte. "Ich halte eine Sparsumme von 145 Millionen Mark für nicht erbringbar. Jetzt wird die Forschungsstruktur zerschlagen." Die medizinischen Fachbereiche gerieten in die Gefahr, sich in höhere Lehranstalten für die Medizinstudenten zu entwickeln, weil auch unter den neuen Sparbedingungen der Lehrbetrieb Vorrang habe.

Welche kritische Grenze in der Hochschulmedizin erreicht worden ist, hatte vor zwei Tagen der Koordinator für Wissenschaft und Forschung, Bernd Köppl, im Kuratorium der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft deutlich gemacht: Wenn die medizinischen Fakultäten an der Freien Universität und Humboldt-Universität 150 Millionen Mark sparen sollen, dann "bedeutet das faktisch die Schließung eines ganzen Klinikums". Köppl belegte das am Beispiel des FU-Klinikums Benjamin-Franklin, das jährlich einen Staatszuschuss von 190 Millionen Mark erhält. Das hatte Köppl noch vor den abschließenden Beratungen mit Wowereit gesagt.

Die Landeskonferenz der Präsidenten und Rektoren hat sich besorgt über die neue Entwicklung geäußert. Die bisher ausgehandelten Hochschulverträge hätten nur Planungssicherheit auf niedrigem Niveau garantiert. Die Konferenz warnt davor, die Universitätsklinika mit ihren zukunftsweisenden biomedizinischen Bereichen faktisch zur Disposition zu stellen. Die künftigen Hochschulverträge gelten für die drei Universitäten, die Hochschule der Künste und vier Fachhochschulen.

Uwe Schlicht

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