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Gesundheit: Im Laufschritt übern Teich

Forscher haben herausgefunden, wie sich der Wasserläufer fortbewegt – und ihm einen Roboter an die Seite gestellt

Unsereins markiert den „toten Mann“, und der leichtgewichtige Wasserläufer rennt breitbeinig über den See. Wer sich darüber wundert, dass das Wasser den Körper des kleinen Tieres trägt, befindet sich in guter Gesellschaft. Denn für die Wissenschaft war es bis heute rätselhaft, wie sich die nur etwa ein bis anderthalb Zentimeter großen Tiere auf dem Wasser fortbewegen.

Jetzt haben David L. Hu und seine Kollegen vom Massachusetts Institute of Technology im amerikanischen Cambridge die Bewegung des Wasserläufers mit einer Kamera aufgenommen und mit der eines eigens dafür gebauten Wasserläufer-Roboters verglichen. Dabei haben sie herausgefunden, dass die Tiere beim Laufen mit ihren langen Beinen rudern. Sie erzeugen kleine Wirbel unter der Wasseroberfläche, die sie nach vorne treiben, berichten die Forscher in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Nature“ (Band 424, Seite 663).

Liegt der Wasserläufer auf dem See oder Gartenteich, ruhen seine Füße und langen Unterschenkel auf der Wasseroberfläche, ohne diese zu verletzen. Denn es ist gerade diese Haut des Wassers, die die Tiere trägt. Die Wassermoleküle an der Oberfläche werden durch Kohäsionskräfte zusammengehalten. Diese Spannung macht die Oberfläche zu einer elastischen Membran. Wo sie zerstört wird, versinken auch flache und leichte Gegenstände schnell – auch Tiere.

Der Wasserläufer, den die Biologen zu den Wanzen zählen, ist gegen diese Gefahr gewappnet. An der Unterseite des Körpers und den Beinen hat er Tausende feine Härchen, die mit Luft gepolstert sind. Mit diesem wasserabweisenden Polster liegt er, Mittel- und Hinterbeine ausgestreckt, auf dem Teich und drückt die Wasseroberfläche nur sanft ein.

Kleiner Kannibale

Der Wasserläufer würde wohl lange so verweilen, hätte er nicht einen großen Appetit, der ihn mitunter auch zum Kannibalen werden lässt. Auch Feinde wie der Rückenschwimmer, der – Kopf nach unten – unter der Wasseroberfläche sitzt wie eine Fliege an der Decke, bringen ihn gelegentlich aus der Fassung.

Der Rückenschwimmer gehört ebenfalls zu den Wanzen. Seine Aussichten, einen Wasserläufer zu erwischen, sind allerdings nicht besonders hoch. Das liegt einerseits an der Schnelligkeit des Wasserläufers. Er wird zudem sogleich auf alles aufmerksam, was um ihn herum geschieht. Mit seinen Beinen registriert er alle Wellenbewegungen. Das leichte Auf und Ab des Wassers verrät ihm, wo sich in seiner Nähe gerade etwas regt.

Auch andere Tiere lauschen auf diese Weise nach Beute, zum Beispiel die Gerandete Jagdspinne. Sie steht mit acht Beinen auf dem Gewässer und kann mit ihren Vorderfüßen die Schwingungen unterscheiden, die herabfallende Blätter oder lebende Insekten hervorrufen.

Hat ein Wasserläufer die Beute einmal wahrgenommen, rennt er sofort los, um sie auszusaugen. Wie aber kommt er vorwärts?

Dennys Paradoxon

Bisher dachten Forscher, der Wasserläufer würde seinen Rückstoß an die Wasseroberfläche abgeben. Seine Fortbewegung ginge dann einher mit kleinen Wellen auf der Wasseroberfläche. Dass diese Erklärung nicht richtig sein kann, erkannte der Forscher Mark Denny 1993 anhand von Berechnungen. Sonst kämen junge Wasserläufer nämlich nicht von der Stelle. Sie können ihre Beine noch nicht schnell genug bewegen, um Oberflächenwellen zu erzeugen. Trotzdem laufen die Jungtiere. Und wie!

David L. Hu und seine Kollegen haben Wasserläufer im Aquarium gezüchtet und in gefärbtem Wasser die Gangart sämtlicher Altersgruppen mit einer Hochgeschwindigkeitskamera aufgenommen. Sie fanden heraus, dass Oberflächenwellen für die Bewegung keine Rolle spielen. Stattdessen sind die Wirbel von Bedeutung, die unter der Wasseroberfläche entstehen.

Der Wasserläufer ist ein verkannter Ruderer. Mit dem mittleren der drei Beinpaare erzeugt er hufeisenförmige Wirbel. Das Wasser strömt in Rückwärtsrichtung durch diese Wirbel, der Wasserläufer bewegt sich entsprechend vorwärts. Die nahezu unvermeidlichen Oberflächenwellen dagegen bringen – wie auch beim Ruderboot – nicht die nötige Antriebskraft.

An einem kleinen Wasserläufer-Roboter haben Hu und sein Team die Ergebnisse überprüft. Das Kunstwesen aus Aluminium ist neun Zentimeter groß. Der „Robostrider“, wie ihn die Forscher nennen, bewege sich zwar nicht ganz so elegant wie sein natürliches Vorbild. Er benutze aber dieselbe Lauftechnik, schreiben die Wissenschaftler in „Nature“.

Und warum können wir Menschen nicht übers Wasser laufen? Unsere Füße sind wohl zu klein und haben offenbar auch nicht genügend Haare. Vor allem aber sind wir nicht schnell genug. Physiker haben einmal ausgerechnet, dass wir eine Geschwindigkeit von mindestens 20 Metern pro Sekunde erreichen müssten, um wie ein Wasserläufer über den See zu flitzen. Jesus, sollte er es wirklich geschafft haben, muss ein Sprinter von Gottes Gnaden gewesen sein.

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