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Gesundheit: Im Zickzack zum Saturn

Nach fast sieben Jahren Flug funkt die Weltraumsonde „Cassini“ Bilder vom Saturnmond „Phoebe“

Von Rainer Kayser, dpa

So nah ist „Phoebe“ noch kein irdisches Gefährt gekommen. In 2000 Kilometern Entfernung – für astronomische Größenmaße eine winzige Distanz – hat die europäisch-amerikanische Raumsonde „Cassini-Huygens“ am Sonnabend den Saturnmond passiert. Auf eindrucksvollen Aufnahmen präsentierte sich die Oberfläche des Trabanten von Einschlägen und Kratern übersät.

Mit einer Geschwindigkeit von über 20000 Kilometern pro Stunde raste die busgroße Sonde ihrem Ziel entgegen. Am ersten Juli soll sie nach fast siebenjähriger Reise in eine Umlaufbahn um den Saturn einschwenken.

Phoebe umkreist den Saturn in großem Abstand und galt lange Zeit als sehr ungewöhnlich (siehe Kasten). Der Mond ist anscheinend ein Adoptivkind des Saturn und erst spät von dem Planeten eingefangen worden. Wissenschaftler wie der Planetenforscher Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin, der mit seinem Team die Kamera-Aufnahmen des Mondes leitet, hoffen nun, anhand der Bilder die Herkunft und Vergangenheit des Mondes klären zu können.

Phoebe ist allerdings nur eine erste Etappe der Cassini-Reise. Mit einer Länge von fast sieben Metern und einem Durchmesser von vier Metern handelt es sich um die größte und anspruchsvollste Planetensonde, die je ins All geschossen wurde. Und eine der teuersten: 3,4 Milliarden Dollar kostet die Mission, die neue Erkenntnisse über den sechsten Planeten des Sonnensystems, seine Atmosphäre, sein komplexes Ringsystem und seine 31 Monde liefern soll.

Mit insgesamt zwölf Messinstrumenten ist allein der Cassini-Orbiter ausgestattet: zwei Kameras, Spektrographen für sichtbare, infrarote und ultraviolette Strahlung, ein Radargerät, sowie Detektoren für elektrisch geladene Teilchen, Staubpartikel und Magnetfelder. Hinzu kommen sechs Instrumente an Bord des Huygens-Landers, die Aufschluss über die chemische Zusammensetzung von Atmosphäre und Oberfläche des größten Saturnmondes Titan, über Windgeschwindigkeiten und Wellengang liefern – und erstmals Bilder von Titans Oberfläche senden sollen.

Die bisherige Reise glich einem kosmischen Billardspiel: Niemals zuvor haben die für die Flugplanung verantwortlichen Wissenschaftler am „Jet Propulsion Laboratory“ im kalifornischen Pasadena so reichlich Gebrauch von der Gravitation als Treibstoff sparende Antriebshilfe gemacht. Gleich zweimal holte die Sonde im Schwerkrafttrichter der Venus Schwung, im August 1999 nutzte sie das Schwerefeld der Erde und im Dezember 2000 gab der Riesenplanet Jupiter den finalen Kick für den Flug zum Saturn.

Auch nach der bevorstehenden Ankunft bei dem Ringplaneten – am 1. Juli zündet die Sonde ihre Triebwerke, um in eine Umlaufbahn einzuschwenken – bleibt die Flugbahn der Raumsonde eine Herausforderung. Anstatt Saturn auf einer schlichten Ellipsenbahn zu umrunden, soll Cassini den Planeten auf einem chaotisch anmutenden Kurs umfliegen, der Gelegenheit zu engen Begegnungen mit möglichst vielen Trabanten bietet.

Getrieben wird die Sonde einmal mehr von der Schwerkraft. Etwa jeder zweite Umlauf führt Cassini in die Nähe des Saturnmondes Titan.. Durch genau berechnete Vorübergänge an diesem Trabanten, der mit einem Durchmesser von 5150 Kilometern halb so groß ist wie die Erde und größer als der Planet Merkur, lässt sich die Flugbahn von Cassini in gewünschter Weise „hinbiegen“.

Bei der dritten Titan-Passage im Dezember teilt sich die Sonde: Während der amerikanische Cassini-Orbiter weiter seine Schleifen um den Saturn zieht, stürzt die in Europa entwickelte und gebaute Landekapsel Huygens auf Titan zu. Am 14. Januar 2005 soll sie in seine dichte Atmosphäre eindringen. Zwei Stunden, nachdem sich die Fallschirme in 170 Kilometern Höhe entfaltet haben, erreicht Huygens mit einer Geschwindigkeit von fünf Metern pro Sekunde die Oberfläche. Die Chancen, dass die Sonde den Aufprall übersteht, sind gut. Wie lange Huygens unter den unwirtlichen Bedingungen Messdaten an Cassini funken kann, ist nur schwer einzuschätzen: Vielleicht nur Sekunden, vielleicht aber auch eine Stunde.

Seit seiner Entdeckung im Jahre 1655 durch den holländischen Astronomen Christiaan Huygens ist es Titan gelungen, seine Geheimnisse hinter einem dichten orangefarbenen Dunstschleier zu verbergen. Titan ist der einzige Mond im Sonnensystem, der eine Lufthülle besitzt – eine Lufthülle, die überwiegend aus Stickstoff und Methan besteht und jener der frühen Erde ähnelt.

Vielleicht gibt es auf Titan sogar Ozeane aus flüssigem Methan und Äthan. Jüngste Infrarot-Aufnahmen mit einem der 8,2-Meter-Teleskope der Europäischen Südsternwarte Eso zeigen vier riesige, dunkle Regionen auf Titan – nach Ansicht der Astronomen könnten dies tatsächlich Methan-Meere sein.

Das Zielgebiet von Huygens liegt genau in einer dieser Regionen, dem „Drachenkopf“. Nicht unwahrscheinlich also, dass Huygens zum ersten von Menschenhand geschaffenen Boot auf einer anderen Welt wird. Der Luftdruck an der Oberfläche Titans beträgt das Anderthalbfache des irdischen Wertes, die Temperatur liegt bei eisigen minus 180 Grad Celsius. Trotz reichlich vorhandener organischer Stoffe – derselben Stoffe, die in der irdischen Ursuppe vorhanden waren – alles andere als ideale Bedingungen für die Entstehung von Leben. Andererseits finden sich auch auf der Erde Mikroben in extremen Umgebungen. Nicht ausgeschlossen, dass die Wissenschaft dank Huygens ein wenig mehr über die Entstehung des Lebens erfahren kann.

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