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Gesundheit: Kaffeekochen und Botengänge

Praktika sind begehrt und für den Berufseinstieg wichtig, aber oft unbezahlt VON JOSEFINE JANERTFür Studenten geisteswissenschaftlicher Fachrichtungen sind Praktika geradezu lebensnotwendig.Ohne die entsprechenden Branchenkenntnisse und Berufserfahrungen, die eben durch Praktika vermittelt werden, ist die Arbeitssuche bei den Medien, im Kulturmanagement und in einigen Bereichen der freien Wirtschaft fast aussichtslos.

Praktika sind begehrt und für den Berufseinstieg wichtig, aber oft unbezahlt VON JOSEFINE JANERT

Für Studenten geisteswissenschaftlicher Fachrichtungen sind Praktika geradezu lebensnotwendig.Ohne die entsprechenden Branchenkenntnisse und Berufserfahrungen, die eben durch Praktika vermittelt werden, ist die Arbeitssuche bei den Medien, im Kulturmanagement und in einigen Bereichen der freien Wirtschaft fast aussichtslos.Praktika werden nachgefragt, wenn sich ein Absolvent um ein Volontariat bei einer Zeitung, eine Anstellung bei einem Buchverlag oder einer Werbeagentur bewirbt; sie erleichtern den Zugang zu Traineeprogrammen.In vielen Studienrichtungen - etwa der Skandinavistik und der Romanistik - wird in den Seminaren häufig doch nur graue Theorie vermittelt.Die Universitäten sehen sich außerstande, praxisnahe Lehrveranstaltungen anzubieten.Praktika, die in der Regel vier Wochen bis sechs Monate dauern, ergänzen deshalb die universitäre Bildung.So weit, so gut. Problematisch ist, daß in Deutschland immer mehr Institutionen für die Praktika immer weniger zahlen wollen.Häufig werden Praktikanten überhaupt nicht entlohnt und können froh sein, wenn sie nach wochenlanger Beschäftigung wenigstens das gute Arbeitszeugnis einer renommierten Firma in den Händen halten.Das bringt Pluspunkte bei späteren Bewerbungen. Welchen Wert haben die unbezahlten Praktika für die Firmen? Die Unternehmen bekommen immerhin kostenlos hochqualifizierte Hochschüler, oft mit großem Fachwissen auf ihrem Gebiet.Viele Geisteswissenschaftler drängeln sich regelrecht darum, irgendwo ohne Entlohnung schaffen zu dürfen.Auch in vielen anderen Bereichen ist unbezahltes Arbeiten üblich.Liegt es da nicht nahe, daß die Zahl der Festangestellten reduziert wird? Ein anderes Extrem: Der Volksmund weiß, daß nichts wert ist, was nichts kostet.Wenn die Praktikanten nicht bezahlt werden, bereitet auch ihr effektiver Einsatz wenig Kopfzerbrechen.Ihre Arbeitskraft kostet die Firma ja nichts.Und so berichten Kommilitonen über Praktika, die im wesentlichen aus Herumsitzen, Kaffeekochen und Botengängen bestanden.Lerneffekt gleich null? Von den Fähigkeiten der Praktikanten profitieren - wenn sie denn wirklich gefordert werden - Institutionen in unterschiedlichen Bereichen: Der Orlanda Frauenverlag in Berlin teilt auf Anfrage mit, daß ein Praktikum vom Verlag nicht vergütet wird.Die Bewerberin soll sich um andere Finanzierungsmöglichkeiten bemühen.Das Goethe-Institut, angesehene Einrichtung zur Vermittlung der deutschen Kultur im Ausland, kommt ebenfalls nicht für die Kosten der Praktikanten auf.Wenn ich beispielsweise ein Praktikum in Stockholm antreten würde, müßte ich die Hin- und Rückfahrt, die Miete und die Lebenshaltungskosten selbst tragen.Nach meinen Berechnungen wären das monatlich mindestens 1200 DM. Ein Teil der Praktika kann durch Bafög-Leistungen oder mit Stipendien finanziert werden.Doch in diesem Bereich ist in den letzten Jahren viel gespart worden.Institutionen wie die Carl Duisberg Gesellschaft oder verschiedene Stiftungen unterstützen zwar arbeitswillige Studenten.Doch die Schar der Bewerber ist groß, und die Ansprüche an die Stipendiaten sind hoch. Wie sollen nun diejenigen ihren Lebensunterhalt bestreiten, die während des Praktikums ohne Bafög-Leistungen, Stipendium oder elterlichen Beistand dastehen? Die Möglichkeit, nebenbei zu jobben, entfällt wegen der doppelten Belastung durch zwei Arbeitsverhältnisse.So besteht die Gefahr, daß Praktika nur für solche Studenten und Studentinnen erreichbar sind, die es sich finanziell leisten können, unbezahlt zu arbeiten. Praktika als teure Zusatzqualifikation zum brotlosen geisteswissenschaftlichen Studium? Eine Alternative bestünde darin, die Praktikanten wenigstens geringfügig zu entlohnen.Und: Es bleibt zu hoffen, daß die deutschen Universitäten endlich mehr praxisnahe Lehrveranstaltungen anbieten, welche die Praktika ergänzen und Geisteswissenschaftler auf dem Arbeitsmarkt konkurrenzfähiger machen. Die Autorin hat in Berlin und Stockholm Skandinavistik studiert.

JOSEFINE JANERT

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