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Gesundheit: Kanadische Ärzte heilen Diabetes - aber die Therapie bleibt wenigen vorbehalten

Wir Brauchen Zucker. Jede einzelne der Billionen Zellen unseres Körpers benötigt als Brennstoff Traubenzucker (Glukose).

Wir Brauchen Zucker. Jede einzelne der Billionen Zellen unseres Körpers benötigt als Brennstoff Traubenzucker (Glukose). Das Blutzuckerhormon Insulin schleust die Glukose in die Körperzellen. Bei Insulinmangel oder -unwirksamkeit "hungern" demnach die Zellen. Aber der Körper wird gleichzeitig mit Glukose überschwemmt - der Betroffene ist zuckerkrank.

Nun hat ein kanadisches Ärzteteam bei der Behandlung der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) große Fortschritte erzielt: Die Mediziner von der Universität von Alberta unter Leitung von Ray Rajotte in Edmonton spritzten insulinbildende "Inselzellen" in die Pfortader von acht Zuckerkranken, die daraufhin keine Insulinspritzen mehr benötigten. Vier der acht Patienten erhielten die Inselzellen bereits vor etwa einem Jahr. Vorausgegangen waren zwölf Jahre intensiver Forschung.

Das von den kanadischen Ärzten angewandte Verfahren der Inselzell-Transplantation ist an sich nicht neu und wird auch an anderen Zentren angewandt. Um die Inselzellen zu gewinnen, muss die Bauchspeicheldrüse des Organspenders zunächst mit Hilfe bestimmter Enzyme (Kollagenasen) angedaut werden. Denn nur etwa zwei Prozent der Zellen in der Bauchspeicheldrüse gehören zu den insulinbildenden "Inseln".

Nachdem die Zellen aus dem Gewebe herausgelöst sind, werden sie vom Rest des Organs getrennt, in eine Spritze aufgezogen und dem Zuckerkranken in die Pfortader injiziert. Von hier aus finden die Zellen - etwa 300 000 bis 500 000 pro Spenderorgan - ihren Weg in das Lebergewebe, wo sie sich ansiedeln und nun bei Bedarf das Blutzuckerhormon in die Blutbahn abgeben. In Deutschland erprobt die Universität Gießen das Verfahren. Dort sollen 62 Patienten mit Spenderzellen behandelt worden sein, von denen zehn als geheilt gelten.

Die bislang besonders hohe Erfolgsrate der Kanadier erklärt sich vermutlich aus mehreren Faktoren. So erhielten die Diabetiker Inselzellen von zwei Organen gespritzt, also genügend Zellen, um den Insulinmangel auszugleichen. Außerdem benutzten die Ärzte eine neuartige Dreifach-Kombination von Medikamenten, um die Abstoßungsreaktion des Körpers auf das fremde Gewebe zu unterdrücken, darunter auch ein spezielles Eiweißpräparat mit einem Antikörper. Diese Mittel müssen die Diabetiker nun anstelle des Insulins einnehmen.

Zum Erfolg dürfte auch beigetragen haben, dass die Nieren der Patienten noch keine Spätschäden hatten. Denn üblicherweise bekommen nur jene Diabetiker Inselzellen oder eine ganze Bauchspeicheldrüse verpflanzt, bei denen die Krankheit bereits deutliche Spuren, zum Beispiel ein Nierenversagen, hinterlassen hat. So ist es inzwischen ein auch in Deutschland gebräuchliches Verfahren, zusammen mit einer Spenderniere eine Bauchspeicheldrüse (Pankreas) einzupflanzen. Das Sekret aus dem Spenderpankreas fließt dann über eine Verbindung zur Blase ab. Seit 1987 wurden weltweit mehr als 10 000 Patienten mit einem Spender-Pankreas versorgt.

Die Inselzell-Verpflanzung wird allerdings immer eine seltene Ausnahme bleiben. Allein in Deutschland gibt es etwa sechs Millionen Diabetiker, von denen 900 000 auf Insulin angewiesen sind. Zu selten sind dagegen Spenderorgane und zu hoch die Kosten des Eingriffs. In Kanada betrugen sie rund 200 000 Mark. Deshalb gibt es nach wie vor keine Alternative zur Insulinspritze. Im Gegenteil: Nach Angaben der Deutschen Diabetes-Gesellschaft benötigten noch 600 000 weitere Patienten Insulin, würden aber zu lange mit anderen Mitteln und zu spät mit dem Hormon behandelt.

Die Medizin unterscheidet zwei Hauptgruppen von Zuckerkranken. Bei den Typ-I-Diabetikern sind die insulinbildenden Zellen aufgrund eines falschen Alarms im Immunsystem vom Körper selbst zerstört worden. Der Typ-1-Diabetes bricht häufig schon im Kindesalter aus, der Patient ist im Prinzip lebenslänglich auf Insulin angewiesen. Anders der Typ-II-Diabetes, bei dem zwar meist genügend Insulin vorhanden ist, doch der Körper nicht mehr auf das Hormon anspricht.

Typ-II-Diabetiker sind häufig älter und haben Übergewicht. Zumindest zu Beginn der Krankheit kann eine Diät den Blutzucker unter Umständen noch in Ordnung bringen.Gefürchtet sind die Spätschäden der Krankheit. Es kommt zu Gefäßschäden und Gefäßverkalkung etwa an den Nieren, am Herzen, der Netzhaut des Auges und im Gehirn, zu Nervenleiden und Hautinfektionen.

Um die Spätschäden so weit wie möglich hinauszuschieben, ist nicht nur die rechtzeitige Insulinbehandlung, sondern auch eine gute Schulung und Beratung der Patienten von großer Bedeutung. Diese können ihre Zuckerkrankheit und deren Behandlung mit Teststreifen selbst kontrollieren.

Auch volkswirtschaftlich ist eine gute Therapie von immenser Bedeutung. So kostet die Behandlung eines gut betreuten Zuckerkranken, dessen Krankheit durch richtige Ernährung, reichlich Bewegung und gut dosierte Insulingaben im Griff ist, etwa 1500 Mark im Jahr. Für einen schlecht betreuten Diabetiker, der an Folgeerkrankungen leidet, wendet die Krankenkasse dagegen leicht das Zehnfache auf. Allein für die Behandlung der Folgeschäden müssen die Kassen vorsichtig geschätzt an die zwölf Milliarden Mark pro Jahr ausgeben.

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