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Gesundheit: Kleine schwarze Konten

Ab morgen dürfen Ämter Bankdaten abfragen – sie könnten auch Bafög-Schummler leichter erwischen

Droht der gläserne Student? Das befürchten Studentenvertreter, wenn ab morgen Finanzämter auf die so genannten Kontostammdaten der Bürger zugreifen können. Die Ämter erfahren Namen und Adresse des Inhabers, die Nummern aller Bankkonten, wann ein Konto eröffnet wurde und wer eine Vollmacht für ein Konto hat. Auf Anfrage dürfen sie diese Angaben für Sozialbehörden ermitteln – und dazu gehören auch die Bafög-Ämter. Bafög-Empfänger „stehen mit einem halben Bein vor dem Richterpult“, warnt der Asta der Universität Bielefeld.

Nun stehen einige Bafög-Empfänger bereits mit zwei Beinen vor dem Staatsanwalt. Denn die Mitarbeiter der Bafög-Ämter gleichen bereits seit 2001 die Vermögensangaben der Studenten auf ihrem Bafög-Antrag mit ihren Daten beim Bundesamt für Finanzen ab – und deckten in den letzten Jahren Bafög-Schummeleien großen Ausmaßes auf. Experten sagen, dass die Behörden mit dem neuen Gesetz jetzt tatsächlich noch besser die Angaben der Bafög-Empfänger überprüfen könnten.

Bisher erfahren die Bafög-Ämter, für welche Konten oder Aktiendepots Studenten Freistellungsaufträge erteilt haben, um vom Zinsabschlag befreit zu werden. Von der Höhe der Freistellungsaufträge können die Bafög-Ämter auf die Höhe des Vermögens schließen. Vermuten sie ein Vermögen über dem Bafög-Freibetrag von 5200 Euro, fordern sie die Studierenden auf, ihre finanziellen Verhältnisse offen zu legen. Dieses Verfahren hat eine Lücke, sagen Experten: Konten, für die gar kein Freistellungsantrag gestellt wurde, können die Behörden nicht aufspüren.

Mit dem neuen Gesetz könnte diese Lücke geschlossen werden. Das gilt zumindest in der Theorie. In der Praxis dürfte das neue Gesetz aber zunächst kaum Auswirkungen haben.

Denn nur wenige Studierende besitzen so viel Vermögen, dass es sich für sie lohnt, auf einen Freistellungsantrag für den Zinsabschlag zu verzichten. „In den Standardfällen kommt so etwas eher nicht vor“, sagt der auf Bafög-Recht spezialisierte Rechtsanwalt Thomas Porubka.

Außerdem planen die Bafög-Ämter bisher nicht, auf die neuen Abfragemöglichkeiten zurückzugreifen. „Über die Zinserträge können wir sehr gut herausfinden, wie hoch das Vermögen von Studenten ist“, sagt Peter Wolff vom Berliner Amt für Ausbildungsförderung. Auch das Bundesbildungsministerium sieht keinen Grund, das neue Gesetz ähnlich automatisiert wie den bisherigen Datenabgleich einzusetzen. Die Regelung werde „verdachtsabhängig“ und nur „in Einzelfällen“ eingesetzt, heißt es aus dem Ministerium. Die Bafög-Ämter und das Ministerium verlassen sich darauf, dass die bisherigen Prüfungen ausreichen.

Die Zahlen geben ihnen dabei Recht: Allein in Berlin ermittelte das Bafög-Amt bisher eine Summe von 13,5 Millionen Euro, die Studenten zu Unrecht erhalten haben. Knapp zehn Millionen Euro zahlten sie bereits zurück. Bundesweit wurden seit 2001 mehr als 63000 Studenten ertappt, die insgesamt 252 Millionen Euro zu Unrecht kassierten.

Das Ende der Rückzahlungen ist noch nicht abzusehen. Denn mit dem alten Datenabgleich prüfen die Ämter weiterhin die Bafög-Anträge. Das Berliner Bafög-Amt nimmt sich im Moment die Anträge für die Jahre 2002/2003 vor. Auf die Sünder könnten empfindlichere Strafen als bisher warten. „Wir werden jetzt strengere Maßstäbe anlegen“, sagt Peter Wolff – im Jahr 2002 war schließlich schon bekannt, dass das Bafög-Amt die Vermögensangaben regelmäßig überprüft. Bisher wurde in Berlin gegen etwas weniger als hundert Studenten Strafanzeige wegen des Bafög-Betrugs erstattet, 300 bis 400 müssen nach Wolffs Angaben mit einem Bußgeld rechnen.

Wer das Amt vorsätzlich betrog oder aber zu spät herausfand, dass die Oma ein Sparkonto für das Enkelkind angelegt hat, ist für die Behörden nur schwer herauszufinden. In Bafög-Internet-Foren stehen oft Geschichten wie die von „Blauauge“: „Im Januar 2003 hab ich erfahren, dass meine Großeltern im Jahr 2000 Bundesschatzbriefe auf meinen Namen angelegt haben. Ich weiß sogar genau, dass mir meine Großmutter was zum Unterschreiben hingelegt hat. Ganz schön blöd, ich weiß. Meine Oma hat bereits 1992 Gelder auf meinen Namen angelegt. Wusste ich jedoch nichts davon. Jetzt warte ich ständig auf Post vom Bafög-Amt.“

Ob diese Schilderung dann auch der Wahrheit entspricht oder nicht, bleibt oft ein Rätsel. Der Rechtsanwalt Porubka sagt, dass absichtlicher Betrug „den geringeren Teil der Fälle ausmacht“. Er erklärt viele Fälle mit der „Unerfahrenheit“ seiner Mandanten, was ihre finanziellen Angelegenheiten angeht. Viele würden beispielsweise Freistellungsanträge unterschreiben, ohne deren Bedeutung genau zu kennen. „Alle Fälle einfach verallgemeinernd als Betrug abzutun, ist sicher nicht zulässig“, sagt auch Wolff.

Immerhin: Dass Studenten den Behörden gegenüber unehrlicher sind als der Rest der Bevölkerung, kann nicht behauptet werden. Das Deutsche Studentenwerk schätzt, dass sieben Prozent der Studenten zu Unrecht Bafög bezogen. Bei einer Untersuchung des Arbeitsamtes vor einigen Jahren kam nach Angaben des Studentenwerks heraus, dass die Missbrauchsquote dort bei über dreißig Prozent lag.

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