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Kolumne: Dr. Wewetzer: Botox gegen Blasenschwäche

Der unwillkürliche Abgang von Urin, die Blaseninkontinenz, ist ein Problem, das mit den Jahren für viele Frauen zum Problem wird. Jenseits der 60 ist jede zweite bis dritte Frau von der Blasenschwäche betroffen.

Dabei unterscheidet die Medizin hauptsächlich zwei Formen. Bei der Stress- oder Belastungsinkontinenz ist die Blase „undicht“, weil das System der Schließmuskel nicht mehr richtig arbeitet. Beim Husten, Niesen, Lachen oder Laufen kann es deshalb sein, dass wegen des erhöhten Drucks auf die Blase Urin herausläuft. Die Belastungsinkontinenz ist am häufigsten, insbesondere frühere Schwangerschaften und Geburten erhöhen das Risiko. Bei der Dranginkontinenz überkommt einen plötzlich das Bedürfnis, zu urinieren, und oft schafft man es nicht mehr zur Toilette. Frauen mit einer überaktiven Blase quält dieses Problem besonders häufig, nicht immer muss dabei Urin abgehen.

Eine Blasenschwäche lässt sich leider oft nicht endgültig heilen, aber zumindest lindern. Ein Wirkstoff, der sich dabei zunehmend bewährt, ist Botulinumtoxin, besser bekannt als Faltenmittel „Botox“. Das aus Bakterien gewonnene Nervengift lähmt Muskeln. Wenn es in die Blasenmuskulatur gespritzt wird, „entspannt“ es eine „hyperaktive“ Blase, es kann also bei der Dranginkontinenz oder der überaktiven Blase hilfreich sein. Die Wirkung hält Wochen bis Monate an. Meist wird Botox erst eingesetzt, wenn andere Behandlungsversuche nicht erfolgreich waren. In erster Instanz wird zunächst versucht, die Inkontinenz mit Anticholinergika-Tabletten anzugehen. Auch sie entspannen die Blase, allerdings wollen viele Frauen nicht auf Dauer Tabletten schlucken und setzen die Mittel häufig nach einigen Monaten wieder ab. Die Tabletten sind dabei ähnlich gut wirksam wie Botox, ergab eine vor kurzem veröffentlichte Vergleichsstudie der Duke-Universität in den USA.

„Bei mehr als 50 Prozent der Frauen, bei denen wir Botox einsetzen, kann es die Probleme deutlich bessern“, berichtet Kaven Baessler über ihre Erfahrungen. „Einigen können wir sogar langfristig helfen.“ Die Frauenärztin leitet an der Berliner Charité das Beckenbodenzentrum. Die vorübergehende Nervenblockade führt dazu, dass Harndrang und Urinverlust nachlassen. Kaven Baessler schätzt, dass Botulinumtoxin für fünf Prozent ihrer Patientinnen in Frage kommt.

Der hauptsächliche Nachteil der Behandlung ist, dass die Blasenmuskulatur nicht nur entspannt, sondern sogar zeitweise gelähmt werden kann. Dann klappt es mit dem Wasserlassen nicht mehr und es kann erforderlich sein, die Blase mit einem Katheter zu entleeren. Baessler schätzt, dass diese Probleme in ihrem Zentrum bei jeder zehnten Frau auftreten, die mit Botox behandelt wird. Und sie weist auf eine unterschätzte Behandlungsmöglichkeit hin, das Beckenbodentraining. Es ist nicht ganz einfach, weil es um Muskeln geht, die im Innern des Körpers verborgen liegen, und auch die Physiotherapeutin braucht Erfahrung. Aber man kann lernen, die Muskeln so anzuspannen, dass ein Urinverlust vermieden werden kann – ganz ohne „Chemie“.

Unser Kolumnist leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegel. Haben Sie eine Frage zu seiner guten Nachricht?

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