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Gesundheit: Kosmisches Billard

Astronomen entdecken immer neue Planeten jenseits des Neptun

Bis vor zehn Jahren war über die Außenregionen unseres Sonnensystems so gut wie nichts bekannt. Jenseits des Neptun zogen scheinbar nur Pluto und sein Mond Charon ihre Bahn. Dann jedoch stießen die beiden Astronomen David Jewitt und Jane Luu mit ihrem Teleskop auf Hawaii ein Fenster zu bis dato unerforschten Sphären unseres Planetensystems auf. Und seither haben sie und andere Astronomen rund 700 Himmelskörper jenseits des Neptun entdeckt. Der größte von ihnen, „Quaoar“, hat einen Durchmesser von 1250 Kilometern.

Rodney S. Gomes teilt die vielen neuen Kleinplaneten nun in einem Beitrag im Fachmagazin „Icarus“ in zwei Gruppen ein. Nach Ansicht des Astronomen vom Nationalen Observatorium in Rio de Janeiro sind ihre verschiedenen Umlaufbahnen und Helligkeiten ein deutlicher Hinweis auf ihre unterschiedliche Herkunft: Die einen sind dort entstanden, wo wir sie heute sehen; die anderen, die Immigranten, sind erst im Zuge eines kosmischen Billardspiels dort hinaus geschleudert worden und entstammen ursprünglich der Region zwischen Uranus und Neptun.

Die meisten Kleinplaneten kreisen wohl schon seit 4,5 Milliarden Jahren dort draußen. Sie bewegen sich in derselben Ebene um die Sonne, in der auch Erde und Mars, Jupiter und Saturn um das Sonnenfeuer tanzen, nur in viel größerem Abstand: Sie sind 40- bis 50-mal weiter von der Sonne entfernt als die Erde.

Dem entsprechend sind sie in einer deutlich kälteren Region des solaren Urnebels entstanden. Es sind Himmelskörper die zum größten Teil aus Eis und Staub bestehen – so wie die Kometen, von denen etliche aus dieser Gegend stammen könnten.

Schon 1964 hatte der amerikanische Kometenforscher Fred Whipple vorhergesagt, dass es in der Nachbarschaft von Pluto viele solche „schlafenden Kometen“ gibt. Die dunklen Himmelskörper plustern sich erst dann zu Schweifsternen auf, wenn sie auf Grund von Kollisionen oder Störungen ihre sichere Bahn verlassen und der Sonne entgegen fallen. Dabei können sie auf die Planeten stürzen, wie 1994 der Komet Shoemaker- Levy-9, der auf dem Jupiter niederging, oder wegen ihres recht losen Zusammenhalts auseinander brechen.

Das Reservoir dieser „schlafenden Kometen“ oder „schmutzigen Schneebälle“ ist groß. Astronomen schätzen, dass es jenseits des Neptun etwa 100000 Kleinplaneten mit Durchmessern von mehr als 100 Kilometern gibt. Die Zahl der kilometergroßen Objekte geht vermutlich sogar in die Milliarden. Sie sind allerdings von der Erde aus nur schwer zu erkennen.

So dauerte es bis 1992, ehe Jewitt und Luu den ersten dieser Himmelskörper erspähten. Er war pechschwarz, wie auch der erst im vergangenen Sommer entdeckte „Quaoar“, dessen Name den Legenden der nahe Los Angeles beheimateten Tongva-Indianer entlehnt ist. „Quaoar“ reflektiert nur etwa zehn Prozent des Lichtes, das auf seine Oberfläche fällt. Trotz seiner stattlichen Ausmaße fand man ihn deshalb erst 70 Jahre nach Pluto, der eine viel hellere Oberfläche hat.

Fast alle großen Himmelskörper gehören zur Gruppe der Immigranten, glaubt Rodney S. Gomes. Sie machen vor allem durch ihre außergewöhnliche Umlaufbahn auf sich aufmerksam. Bei ihrer Fahrt um die Sonne treten sie weit aus der Ebene heraus, in der die Planeten kreisen. Gomes hat versucht, die Geschichte dieser Himmelskörper mit Hilfe von Computerprogrammen zurückzuverfolgen. Dabei bestätigte sich, was auch andere Astrophysiker vermuten: Sie sind viel näher an der Sonne entstanden.

Die Gegend zwischen den beiden großen Gasplaneten Uranus und Neptun war ursprünglich von vielen eisigen Planetoiden bevölkert. Diese Himmelskörper bewegten sich in einem Netz von Anziehungskräften. Sie gerieten auf chaotische Bahnen, näherten sich einem der großen Planeten und bekamen plötzlich einen entscheidenden Schwerkraftkick (siehe Grafik unten).

Viele Kleinplaneten flogen aus dem Sonnensystem heraus oder gelangten in sehr ferne Bereiche. Andere sammelten sich nicht ganz so weit entfernt in Plutos Nachbarschaft. Dort haben sie einige von ihnen bis heute gehalten. Ihre Umlaufbahnen sind so an die des Neptun angepasst, dass sie dem Riesenplaneten niemals nahe kommen.

Auch Pluto weicht Neptun geschickt aus. Den 2300 Kilometer großen Pluto hätte wohl niemand als Planet eingestuft, wenn er nicht schon 1930 entdeckt worden wäre. Heute ist Pluto nurmehr einer von vielen „transneptunischen“ Himmelskörpern – wenn er auch der hellste und der größte unter ihnen ist. Bislang noch.

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