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Nordic Walking ist eine Möglichkeit, um sich fit zu halten.

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Krankheitsprävention: Das Gesundheits-Navi

Gesundheits-Atlas führt Berliner und Brandenburger fit durch die Stadt: Alles rund um Präventions-Kurse und Programme zu Bewegung, Ernährung, Stress- und Suchtbekämpfung.

Gute Ratschläge sind wohlfeil, so heißt es. Sie umzusetzen kann aber einiges kosten. Auch wenn die Ratschläge die Umstellung des eigenen Lebensstils betreffen: Man braucht dazu Entschlusskraft, Energie, Mut zur Veränderung – und nicht zuletzt oft auch Geld. Da ist es eine gute Nachricht, dass der gerade erschienene (und kostenlos erhältliche) Atlas „Prävention und Gesundheitsförderung in Berlin und Brandenburg“ fast ausschließlich Angebote enthält, die „umsonst“ oder für wenig Geld wahrgenommen werden können. Herausgegeben hat ihn das Netzwerk Gesundheitswirtschaft, fachlich unterstützt vom Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der Charité.

An der dortigen Charité Ambulanz für Präventive und Integrative Medizin (kurz: CHAMP) werden unter anderem Kurse für Nordic Walking, das ganzheitliche Übungsprogramm Pilates, Stressbewältigung durch Achtsamkeit, Qi Gong bei Beschwerden im Rücken oder bei Bluthochdruck und ein individuelles Gesundheits-Coaching angeboten. Dass ein Uniklinikum solche Angebote macht, mag zunächst verwundern. Doch die Sozialmediziner, Epidemiologen und Gesundheitsökonomen wollen herausfinden, wie die Programme angenommen werden und ob sie wirken. „Während die Akutmedizin in unserem Land hoch entwickelt ist, ist die Prävention immer noch ein Stiefkind“, kritisiert Institutsleiter Stefan Willich. Er ist aber der festen Überzeugung, dass sie mehr Beachtung verdient, auch in wissenschaftlicher Hinsicht. „Prävention ist scheinbar einfach, doch wenn Sie näher hingucken, wird es kompliziert.“

Zwar ist längst durch unzählige Studien belegt, dass die Art, in der wir uns ernähren, mit Stress und Suchtmitteln umgehen und körperliche Aktivität in unseren Alltag einbauen, großen Einfluss auf unser Risiko hat, an einem der großen Volksleiden zu erkranken, die den Hauptgrund für Arztbesuche bilden. Doch die Mehrheit der Bevölkerung würde nicht bei einer Ärztin oder einem Arzt Rat suchen, um dem vorzubeugen. Das zeigt der Gesundheitsmonitor der Bertelsmann-Stiftung, für den 1500 Bürger zwischen 18 und 79 Jahren befragt wurden. „Mein Arzt hat meist eine volle Praxis und zu wenig Zeit für solche Fragen“, gaben 55 Prozent der Befragten zu Protokoll. Möglicherweise hindert nicht allein Zeitmangel die Mediziner daran, sondern auch die Unsicherheit, wie man heikle Fragen thematisieren kann. Zumindest sagte jeder vierte schwer Übergewichtige, sein Arzt habe ihn nie auf das Thema angesprochen.

Die „Sekundärprävention“, also Lebensstiländerung und gezielte Medikamentengabe nach einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall, gilt dagegen schon länger als „klassische“ ärztliche Aufgabe. „Doch bei einem Viertel aller Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist das erste Symptom der Tod“, berichtet Willich ebenso nüchtern wie betroffen. Herz-Kreislauf-Erkrankungen bilden einen besonderen Schwerpunkt der Charité-Epidemiologen. Studien zeigen, dass der Nordosten der Republik deutlich stärker betroffen ist als der Südwesten. „In Berlin sieht es zwar insgesamt etwas günstiger aus. Doch uns macht Sorgen, dass das massive ökonomische Ungleichgewicht zwischen den Bezirken sich auch in der Lebenserwartung ausdrückt, die etwa in Zehlendorf wesentlich höher ist als in Kreuzberg oder Neukölln.“

Angebote zu machen, die Wirkung entfalten, ist eine Aufgabe, der sich Mediziner und Psychologen, aber auch Wirtschaftswissenschaftler zunehmend widmen. Wie kommt eine Entscheidung zur Änderung des Lebensstils zustande? Was erleichtert es Menschen, sie durchzuhalten? Welche Rolle spielen bei den Jugendlichen die Gleichaltrigen, bei den Menschen im mittleren Alter die beruflichen Belastungen, bei Senioren die gesundheitlichen Einschränkungen? „Das sind alles Aspekte, die außerhalb einer möglichen ärztlichen Einflussnahme liegen“, gibt der Wirtschaftswissenschaftler Stefan Kohler zu bedenken, der das Projekt Präventionsatlas vonseiten der Charité-Projektgruppe mit betreut.

Über hundert Beispiele für Gesundheitskurse von Krankenkassen und anderen Anbietern und für Kurse der 53 Volkshochschulen in der Region Berlin-Brandenburg, Gesundheitssportkurse von 200 Sportvereinen, aber auch 50 gute Beispiele für Projekte in Kindertagesstätten, Schulen, Kommunen und Betrieben werden dort vorgestellt. Dazu kommen Adressen von über 300 Anbietern, die meisten gemeinnützig oder öffentlich.

Bei den Sportangeboten haben die Macher sich auf das Qualitätssiegel von Sport pro Gesundheit gestützt, das der deutsche Olympische Sportbund in Zusammenarbeit mit der Bundesärztekammer vergibt. Meist wird der Löwenanteil der Kosten dieser qualitätsgeprüften Angebote von der Krankenkasse übernommen. Die in der Broschüre aufgeführten Angebote sollten vor allem fachlich gut betreut und erschwinglich sein. Die „mentale Umorientierung“ kann dem Einzelnen aber keine Kasse abnehmen. „Wir werden nur Erfolg haben, wenn jeder das Paket schnürt, das zu seinen individuellen Möglichkeiten passt“, sagt Willich.

Einige Berliner und Brandenburger haben die Chance, ihr individuelles Paket am Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu vervollständigen. So bietet die Innungskrankenkasse Brandenburg und Berlin interessierten Schulen Workshops zur Bewegung im Unterricht an. Unter dem Motto „Rauchst du noch oder lebst du schon?“ hat KARUNA e.V. einen Mitmachparcours für Kinder und Jugendliche gestaltet, der von der Uni Potsdam evaluiert wurde. Das Landratsamt Potsdam-Mittelmark bietet Rückenschule, Anti-Stress-Training und Ernährungskurse an, an der Alice-Salomon-Hochschule gibt es Nichtraucherkurse und Rückencoaching. Im Präventionsatlas werden diese guten Beispiele nach Kohlers Worten als Ansporn für andere aufgeführt. Ein sportlicher Gedanke.

Der Atlas ist erhältlich über Tel. 46 30 25 48 oder www.praeventionsatlas.de

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