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Gesundheit: Mit den Jahren kommt das Wohlbefinden

Trotz Jugendwahn: Frauen kommen mit dem Altern besser zurecht als erwartet

Jung, schön, rastlos aktiv – das scheinen die Qualitäten zu sein, die heutzutage gefragt sind. Wer älter wird, gar schon den sechzigsten Geburtstag am Horizont sieht, muss sich mit allmählichem Ausmustern abfinden, könnte man denken. Besonders Frauen müssten darunter leiden, denn für das schöne Geschlecht gelten diese gesellschaftlichen Normen besonders. Doch in Wirklichkeit ist es ganz anders. Das hat jetzt Beate Schultz-Zehden herausgefunden.

„Je älter die Frauen werden, desto besser fühlen sie sich“, sagt die Psychologin vom Zentrum für Gesundheitswissenschaften der Freien Universität Berlin. Dieses Ergebnis hat sie bei der Auswertung einer Studie zur Frauengesundheit am meisten überrascht. Die psychische Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden der Frauen nimmt demnach mit dem Alter zu. Die Untersuchung ist Teil einer großangelegten Kohortenstudie, deren Ergebnisse jetzt in Berlin vorgestellt wurden. Das aus dem Lateinischen kommende „Kohorte“ bedeutet auf deutsch „Haufen“. Im Zusammenhang mit Studien besagt es, dass eine zufällig ausgewählte Gruppe von Personen über einen gewissen Zeitraum beobachtet wurde.

In diesem Fall war die Kohorte aus rund 20000 Frauen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren zusammengesetzt, die fünf Jahre lang in Fragebögen detailliert Auskunft gaben. „Wir interessierten uns für Gesundheit und Krankheit, Befindlichkeit und Lebensqualität der Frauen“, sagte der Leiter der Studie, Lothar Heinemann vom Zentrum für Epidemiologie und Gesundheitsforschung in Berlin.

Eine repräsentative Stichprobe von 1716 Frauen war die Grundlage für die Spezialauswertung, mit der Schultz-Zehden das weibliche Selbstbild insbesondere im Zusammenhang mit Sexualität herausfiltern wollte. Woran liegt es nun, dass die Frauen, die bereits den fünfzigsten Geburtstag gefeiert haben, so mit sich im Reinen sind? Die Berliner Forscherin sieht dies als Folge der Frauenbewegung, als reife Frucht der Emanzipation. „Wir haben es mit einer neuen Generation zu tun, die ihr Leben ganz anders als früher bewältigt“, erklärt Schultz-Zehden. Frauen sind demnach selbstbewusster und aktiver geworden. Sie können sich selbst behaupten, anstatt – wie zum großen Teil noch ihre Mütter und Großmütter – vom Partner geleitet zu werden. Auch die Einstellung zum Körper und zur Gesundheit hat sich geändert. „Heute gehen viele über 50-jährige Frauen in Fitness-Studios oder fangen mit dem Joggen an“, sagt Schultz-Zehden.

Da passt es ins Bild, dass es den „Powerfrauen“, die sich durch offensives, leistungsorientiertes Wesen auszeichnen, körperlich und psychisch besser geht als anderen Typen, die sich eher anpassen. Der „Powerfrau“ schreibt Schultz-Zehden neben typisch weiblichen auch männliche Eigenschaften zu. Es muss sich nicht unbedingt um eine Karrierefrau handeln, sie kann auch als nicht berufstätige Familienmanagerin wirken.

Daneben sind in der Studie noch drei andere Frauentypen charakterisiert. Es handelt sich um die anpassungsfähige „Normen- Frau“ oder die suchende „ambivalente Frau“, die zwischen den Anforderungen in Familie und Beruf „hin- und hergerissen“ ist. Eine klare Orientierung hat dagegen die nachgiebige „traditionelle Frau“, die sich stärker auf die Familie ausrichtet.

Mit 17 Prozent waren die „ambivalenten Frauen“ am wenigsten in der Studie vertreten, die übrigen Typen umfassen zwischen 25 und 30 Prozent der Teilnehmerinnen. Dass sich ältere Frauen wohler fühlen, erklärt Schultz-Zehden auch mit den gestiegenen Erwartungen an die jüngere Generation. Da müssen Familie und Job gleichermaßen gut organisiert werden. Die Zahl der alleinerziehenden Mütter steigt. Kurz gesagt, der Stress ist für die junge Generation größer geworden.

Einen Ausgleich kann der Sex bieten, dessen Bedeutung laut Studie mit dem Alter der Frauen abnimmt. Die jüngeren Frauen haben demnach mehr Lust auf Sex, sie fühlen sich dabei wohler. Ihren älteren Geschlechtsgenossinnen geht es weniger um Häufigkeit als um die Qualität, um Zärtlichkeit beispielsweise. Dies ist laut Schultz-Zehden auch ein Resultat der sexuellen Freiheit, die die Generation der über 50-Jährigen nicht zuletzt dank der Pille praktizieren konnte.

Deren Auswirkungen auf die Gesundheit war ein Schwerpunkt der Langzeitstudie, die teilweise von dem Pharmahersteller Schering finanziert wurde. Nach den Ergebnissen der Studie bieten orale Verhütungsmittel sogar gewisse gesundheitliche Vorteile. „Das Risiko für einen Tumor der Gebärmutter oder der Eierstöcke ist um die Hälfte, das für einen Brustkrebs um 40 Prozent geringer“, sagte der Berliner Epidemiologe Michael Lewis. Andere Studien fanden eine gering erhöhtes oder kein Brustkrebsrisiko. Dagegen ist die Gefahr, einen Gefäßverschluss (Thrombose) zu erleiden, etwa drei- bis viermal größer als ohne Pille.

Paul Janositz

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