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Gesundheit: Morbide Mode und Modelle von morgen

Zwei Ausstellungen zeigen Arbeiten von Kunst- und Designstudenten aus Potsdam und WeißenseeVON BODO MROZEKDen Ausstellungsbesucher empfängt eine Erscheinung.Die Figur schwebt ihm förmlich entgegen: entrückt, schimmernd und zerbrechlich.

Zwei Ausstellungen zeigen Arbeiten von Kunst- und Designstudenten aus Potsdam und WeißenseeVON BODO MROZEKDen Ausstellungsbesucher empfängt eine Erscheinung.Die Figur schwebt ihm förmlich entgegen: entrückt, schimmernd und zerbrechlich.Fast heilig.Keine Epiphanie, sondern ein Entwurf der Modedesignerin Claudia Mücke.Die mythische Assoziation ist beabsichtigt, denn ihr Thema heißt "Eros und Thanatos".Die frischgebackene Diplomandin der Kunsthochschule Berlin Weißensee (KHB) hat ihre morbide Kollektion im Spannungsfeld von Liebe und Tod, Lust und Verfall angesiedelt.Über historisierende Reifröcke spannte sie dunkle Gaze: ein bißchen "Tanz der Vampire", ein bißchen Dekadenz.Transparente Mäntel aus latexähnlichen Materialien zeigen mehr als sie verhüllen, und hinter wulstigen Aufschlägen glänzen rot-seidige Futterstoffe.Doch der Sinnesrausch ist endlich: die gewachsten Stoffe werden mit der Zeit porös und bröckeln.Dieser Langzeiteffekt ist kalkuliert, denn er symbolisiert Verfall.Um ihr Thema "sozial anzubinden", plant die Meisterschülerin, die künftig gerne Theaterkostüme entwerfen möchte, eine Versteigerung zugunsten der Aidshilfe. Die 26jährige ist eine von sechs Absolventen der KHB, deren Arbeiten mit dem erstmals vergebenen Mart Stam-Preis ausgezeichnet wurden.Der nach dem Bauhaus-Architekten und zeitweiligen Direktor der früheren Hochschule für angewandte Kunst in Weißensee benannte Preis beinhaltet die Präsentation in Ausstellung und Katalog und wird von der vor drei Jahren als Förderverein der KHB gegründeten Stam-Gesellschaft vergeben. Die Bildhauerin Franziska Frey überzeugte die Juroren unter Vorsitz des Direktors der Berlinischen Galerie, Jörg Merkert, mit raumgreifenden Installationen.Ihre Holzskulpturen, die sie aus Balken und Sägeresten heraus schält, definieren den Raum, indem sie ihn begrenzen und Innen und Aussen neu ordnen.Die Bündel aus Stäben wirken wie plastische Linien."Von der Linie zur Fläche in den Raum" hat die 29 Jahre alte Meisterschülerin, die bereits in der Galerie Mitte ausstellte, ihre Installation überschrieben - ausgehend von Paul Klees Definition der Linie als einer "beweglichen Tat". Gegenständlicher geht es in den Bild-Geschichten des Malers Markus Winkler zu.Im Verlaufe seiner aus 47 minutiös ausgeführten Tuschezeichnungen bestehenden Erzählung "Nichts im Horn" verliert die tragische Heldin "Drogine" ihre Nase.Auch die ausgestellte Malerei Winklers widmet sich der Bilderzählung, chargiert aber mit räumlichen Anbauelementen zwischen den Genres.Sie ist von William Hogarths Kupferstichzyklen aus dem 19.Jahrhundert inspiriert. Eine gänzlich gegenwartsbezogene Problemlösung haben dagegen Jörg Adam und Dominik Harborth erdacht.Die rollbaren Tische der beiden Produktdesigner können zur Gruppenarbeit zusammengestellt werden, und über den abgesenkten Monitor halten Schüler und Lehrer Blickkontakt.Mit den Stahlrohrkurven des Sitzhockers ist möglich, ja erwünscht, was uns in der Schulzeit bei Strafe verboten war: "kippeln".Ergonomen wissen längst, daß "dynamisches Sitzen" wichtiger ist, als preußische Disziplin.Der Prototyp überzeugte nicht nur die Jury, sondern auch einen Schulmöbelhersteller, der mit der Diplomarbeit in Serie gehen will. Einblicke in das Studium von Designern gibt eine umfangreiche Ausstellung, die seit gestern in Potsdam zu sehen ist.Kommunikations- und Produktdesigner arbeiten immer mehr zusammen, vor allem in grenzüberschreitenden Bereichen wie dem sogenannten Interfacedesign.Die Gestaltung der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine gehört gleichermaßen zu den aktuellen Herausforderungen beider Professionen.Wie der "Watchman" der Zukunft aussehen könnte, demonstriert eine Computeranimation des Studenten Andreas Euler.Ein sprachgesteuerter Minibildschirm, der mit einem Kopfhörer verbunden und vor dem Auge fixiert wird, könnte als Fernseher und Bildtelefon genutzt werden.Denkbar seien solche "Mobilcomputing"-Anwendungen künftig auch mittels Netzhautscanning, beispielsweise für Sicherheitspersonal.Die CD-Rom-gestützte Vorführung zeigt einen Spaziergänger, der mit der Tagesschau im Augenwinkel durch Felder wandelt.Mit Ulrich Wickert im Kornfeld - was für Nachrichtenfans eine Lust ist, mag weniger Technikbegeisterten wohl eher als Horrorszenario erscheinen. Die äußerst professionelle, drittmittelfinanzierte Ausstellung dokumentiert auch die klassischen Bereiche des Kommunikationsdesigns, wie Schrift- oder Plakatgestaltung.Mit den praxisnahen Entwürfen aus Werbung und Gerätegestaltung kontrastieren die individuellen Fotoarbeiten der Studenten von Gisela Schneider.Die Fotografie-Professorin hat ihre Studenten zur Auseinandersetzung mit der eigenen Herkunft motiviert.In Selbstportraits näherten sich Studenten ihren Ost-West-Biografien - und das nicht nur schwarz-weiß.Und durch manche der intimen Fotografien schimmert - auch das gibt es bei angehenden Kommunikationsprofis - eine leise Kritik an der zunehmend mediatisierten Zwischenmenschlichkeit. Die Preisträgerausstellung ist bis zum 6.2.zwischen 8 und 20 Uhr in der KHB an der Bühringstrasse 20 zu sehen.Arbeiten von Markus Winkler und Franziska Frey werden im Brecht-Haus Weißensee, Berliner Allee 185 vom 7.2.bis zum 8.3.gezeigt."Vis a Vis - Designausbildung in Potsdam": noch bis zum 28.2.im Alten Rathaus Potsdam, täglich außer Montag 10 - 18 Uhr.

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