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Gesundheit: Öko – ein weites Feld

Ein britischer Biologe kritisiert die Methoden der alternativen Landwirtschaft

So kann es nicht weitergehen – darin sind sich Landwirte, Handel und Verbraucher seit der BSE-Krise einig. Aber wie dann? „Klasse statt Masse“, verkündete die Verbraucherministerin Renate Künast und initiierte das Bundesprogramm „Ökologischer Landbau“. Jährlich stehen rund 34 Millionen Euro zur Verfügung, um die ökologische Bewirtschaftung in Deutschland zu fördern. Zurück zur Natur – ländlicher Mythos oder Zukunft der Landwirtschaft?

„Befürworter des Ökolandbaus glauben, dass dieser anderen landwirtschaftlichen Praktiken überlegen ist“, sagt der Pflanzenphysiologe Anthony Trewavas von der Universität Edinburgh. „Wissenschaftlich ist dieser Anspruch aber nicht bewiesen. Aus Sicht der Umwelt ist ein gut geführter konventioneller Hof genauso gut wie jeder Ökohof.“ Nicht alle Methoden der ökologischen Bewirtschaftung seien gut, schreibt Trewavas im Wissenschaftsmagazin „Nature“.

Zum Beispiel die mechanische Unkrautbeseitigung. „Durch das mehrmalige Befahren mit schwerem Ackergerät zerstören die Ökobauern Vogelnester, töten Bodenlebewesen und verdichten den Boden. Sie verbrauchen viel Treibstoff und verschmutzen die Luft mit Stickoxiden“, kritisiert Trewavas. Eine einzige Behandlung mit einem harmlosen Unkrautvernichtungsmittel sei da umweltschonender.

„Der Vergleich stimmt so nicht“, sagt dagegen Hartmut Vogtmann, Präsident des Bundesamtes für Naturschutz. „Auch der konventionelle Landwirt fährt mehrfach: Ein Herbizid bevor das Getreide aufläuft, das zweite wenn die Pflanzen da sind. Es folgen Fungizide, Insektizide und das bei Bedarf auch mehrmals.“ Eine kürzlich durchgeführte Studie habe gezeigt, dass der Vogelbestand an Bodenbrütern auf ökologisch bewirtschafteten Flächen höher ist. „In der Regel war die Unkrautregulierung vor dem Brüten abgeschlossen.“

Was viele Menschen nicht wissen: Auch Ökobauern spritzen. „Und ihre Mittel sind nicht besser als die synthetischen Pestizide“, kritisiert Trewavas. Zur Bekämpfung von Pilzkrankheiten etwa wird Kupfersulfat eingesetzt. Das Mittel tötet Regenwürmer, reichert sich im Boden an und kann bei Menschen schwere Leberschäden verursachen. Natürliche Pyrethrine werden als insektentötende Pflanzenschutzmittel verwendet; sie müssen in viel höheren Mengen appliziert werden als ihre synthetischen Verwandten, die Pyrethroide. Und das ebenfalls gegen Insekten eingesetzte organische Mittel Rotenon löste in Experimenten mit Ratten schon in geringen Dosen die Parkinsonsche Krankheit aus.

„Kupferpräparate sind in der Tat ein Problem“, räumt auch Vogtmann ein. „Aber ich gehe davon aus, dass der Einsatz in etwa zehn Jahren nicht mehr notwendig ist.“ Dann habe man entweder resistente Sorten oder andere Mittel gefunden. Und was die natürlichen Pyrethrine betreffe, seien sie wesentlich weniger gefährlich als die synthetischen Spritzmittel. „Synthetische Pyrethroide führen schnell zu Resistenzen und wirken langfristig schädlich auf das gesamte Ökosystem“, sagt Vogtmann.

Nach Ansicht vieler Wissenschaftler ist das ein entscheidender Punkt: Man dürfe sich bei dem Vergleich der Landbauformen nicht eine Sache herauspicken, sondern müsse das ganze System betrachten. „Die Totalherbizide der Konventionellen vernichten alle Pflanzen außer den Nutzpflanzen. Das gelingt auf einem Ökoacker nicht, da bleiben immer ein paar Beikräuter übrig, auf denen dann auch Tiere leben“, sagt Knut Schmidtke vom Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der Universität Göttingen. Tatsächlich weisen viele Studien darauf hin, dass die Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren auf Ökoflächen am größten ist, während die Zahl der Schädlinge geringer ist.

Pflanzenphysiologe Trewavas sieht allerdings noch eine andere Schwachstelle des Öko-Landbaus: die geringen Erträge. Die Menschheit könne sich bei wachsender Bevölkerung eine ineffiziente Landnutzung nicht leisten. „Mit Blick auf drohende Klimaveränderungen müssen wir auf den vorhandenen Ackerflächen so viel produzieren wie möglich.“

„In der Tat ist der integrierte Landbau effizienter“, sagt Schmidtke. „Aber in weiten Teilen Afrikas haben die Leute kein Geld für teure Betriebsmittel wie Dünger und Pestizide.“ Studien hätten gezeigt, dass der ökologische Landbau dort eine gute Alternative ist.

John Reganold von der Washington State University ist davon überzeugt, dass der alternative Landbau auch in unseren Breiten ökonomisch und ökologisch leistungsfähiger ist als jede andere Landbauform. „Ich kenne keine Studie, die das Gegenteil belegt“, sagt der amerikanische Bodenwissenschaftler.

Allerdings sind sich die Fürsprecher des Ökolandbaus einig: Die Liste der Wissenslücken ist noch lang, da die Agrarforschung diesen Bereich jahrzehntelang vernachlässigte. „Der ökologische Landbau profitiert zudem viel weniger stark von der privaten Forschung, wie sie im konventionellen Landbau durch die Saatgut- und Pestizidindustrie erfolgt", schreibt Urs Niggli, Direktor des schweizer Forschungsinstituts für biologischen Landbau, in der Fachzeitschrift „Ökologie und Landbau“. Mit der Intensivierung der Forschung könnten die Erträge und damit die Effizienz des Ökolandbaus weiter erhöht werden. Unklar ist aber, welche Folgen eine großflächige ökologische Bewirtschaftung nach sich ziehen würde. Bisher liegen die Ökohöfe wie Inseln in einem Meer aus konventionell bearbeiteten Flächen. „Das hält den Druck von Krankheitserregern und Unkräutern niedrig“, sagt Trewavas. Bei einem weiträumigen Anbau könnten die Probleme auf den Ökoflächen steigen.

Also in Zukunft alles Öko? „Das größte Innovationspotenzial besitzt für mich der integrierte Landbau, da er ohne ideologische Schranken arbeitet“, sagt Kühne. Rolf Rauber, Leiter der Abteilung Pflanzenbau an der Universität Göttingen, plädiert für Pluralismus: „Der ökologische Landbau muss sich entwickeln, aber der integrierte auch.“

Manuela Röver

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