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© dpa

Organspende: Schenk mir Dein Herz

In Deutschland erklären sich zu wenige Menschen zur Organspende bereit. Und ihre Zahl nimmt sogar noch weiter ab Denn die Zustimmung sollte explizit formuliert werden. Auf einem Symposium in Berlin wurde klar: Das wird vorerst so bleiben.

„Willst Du Dein Herz mir schenken, so fang es heimlich an“, heißt es in einem Lied von Johann Sebastian Bach. Das ist schön und poetisch – und mag in der Liebe stimmen. Für den Fall, dass Sie bereit sein sollten, Ihr muskulöses Zentralorgan eines Tages ganz konkret und materiell einem anderen Menschen zu vermachen, sollten Sie jedoch Heimlichkeiten vermeiden: Die Bereitschaft zur Organspende bringt man am wirkungsvollsten mit einem Organspendeausweis zum Ausdruck. Denn in Deutschland gilt die erweiterte Zustimmungslösung: Nur wenn ein Mensch vor seinem Tod deutlich erklärt hat, dass er oder sie im Falle eines Falles bereit wäre, Herz, Leber oder Niere für einen Kranken zur Verfügung zu stellen, ist die Lage eindeutig. Findet sich keine solche Erklärung – zum Beispiel in Form eines Organspendeausweises –, dann können die Ärzte auf der betreffenden Intensivstation allenfalls versuchen, mit den Angehörigen über die Frage zu sprechen, wie dieser Mensch zu Lebzeiten über die Frage dachte. Der Zeitpunkt, zu dem das Gehirn eines lieben Angehörigen unwiderruflich aufgehört hat zu arbeiten, seine übrigen Organe aber dank apparativer Unterstützung noch für kurze Zeit „funktionieren“, ist für ein derart heikles Gespräch jedoch denkbar ungünstig.

Seit Jahren klagen Mediziner der verschiedenen betroffenen Fachdisziplinen, dass es an der erklärten Bereitschaft zur Organspende in Deutschland hapert. Nur 347 Herzen seien im Jahr 2009 in Deutschland transplantiert worden, meldete etwa gerade die Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG). Der niedrigste Stand seit der Wiedervereinigung. Und das keineswegs, weil andere, bessere Behandlungsformen das Verpflanzen von Herzen inzwischen überflüssig gemacht hätten. „Rund 950 Menschen warten zurzeit in Deutschland auf eine Herztransplantation“, sagt Friedhelm Bayersdorf, Präsident der Fachgesellschaft. Und er ergänzt: „Bei vielen ist das Herz so geschwächt, dass sie ans Krankenbett gefesselt sind oder sogar täglich mit dem Tod ringen.“

Bei anderen Organen sieht das Bild ähnlich aus: Ende 2007 standen fast 8000 Patienten auf der Warteliste für eine Niere, es wurden aber nur 2152 Transplantationen vorgenommen, bei der Leber ist die Warteliste doppelt so lang wie die der Transplantationen. Die Zahlen der Deutschen Stiftung Organtransplantation für das Jahr 2008 sind alarmierend: Es gab neun Prozent weniger Spenden als im Vorjahr, die Zahl der gespendeten Organe sank unter 4000, insgesamt warten 12 000 Patienten auf ein Organ. Jeden Tag sterben in Deutschland drei Menschen, die auf einer Transplantations-Warteliste stehen. Je aussichtsreicher die Chancen auf Lebensrettung durch ein neues Organ auch für alte und schwerkranke Menschen werden, desto mehr Spenderorgane werden gebraucht.

Dabei finden vier von fünf Bundesbürgern es grundsätzlich gut, die Zustimmung für eine solche Entnahme eines Organs für den Fall der Fälle zu geben. Trotzdem haben nur zwölf Prozent einen Organspendeausweis. Ulrich Boltz vom Bundesverband der Organtransplantierten, der selbst seit Jahren mit dem Herzen eines anderen Menschen lebt, findet, man könne nicht verlangen, dass jeder sich als Spender zur Verfügung stellt, doch müsse man von jedem erwarten, dass er oder sie wenigstens darüber nachdenkt.

Hilft es, wenn man seine Zustimmung auf dem Führerschein oder dem Personalausweis dokumentieren kann? Dürfen „moderate finanzielle Anreize“ sein, etwa das Angebot einer kostenlosen Bestattung für Organspender? Oder sollte die Widerspruchslösung eingeführt werden, wie sie in Österreich und anderen Ländern gilt? Dort kommt prinzipiell jeder als Spender infrage, der sich nicht ausdrücklich ablehnend äußert. Roland Hetzer, Ärztlicher Direktor des Deutschen Herzzentrums Berlin, kämpft für die Änderung des derzeit geltenden Transplantationsgesetzes und befürwortet die in anderen Ländern erfolgreiche Widerspruchsregelung. Für eine solche Lösung hat sich auch der Nationale Ethikrat, die Vorläuferinstitution des jetzigen Deutschen Ethikrats, im Jahr 2007 ausgesprochen. „Wenn der Gesetzgeber die Widerspruchslösung einführen würde, dann wäre das ein Signal an die Gesellschaft, was der Normalfall ist“, sagte der Jurist Jochen Taupitz von der Uni Mannheim, der damals an der Empfehlung mitwirkte, kürzlich bei einem Symposium, das die Bundesärztekammer in Berlin zu dem Thema veranstaltet hatte.

Auf diesem Symposium zeigte sich jedoch auch, dass die Standesorganisation der Ärzte es nicht für sinnvoll hält, an der derzeit geltenden Regelung zu rütteln. „Kann man es der Bevölkerung überhaupt vermitteln, wenn wir nach über zehn Jahren zum Widerspruchsmodell wechseln?“, gibt der Jurist Hans Lilie, Vorsitzender der Ständigen Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer, zu bedenken. Er hält es für vordringlich, dass Ärzte in den Krankenhäusern die Patienten, die als Spender infrage kommen, zuverlässiger melden. Hier könne man sich an Spanien ein Beispiel nehmen. „Dort wurden per Königlichem Dekret in jedem Krankenhaus Transplantationsbeauftragte eingeführt, die zudem aufgrund ihres Amts eine bessere Bezahlung bekommen.“ In Deutschland dagegen wird diese Aufgabe meist nicht zusätzlich honoriert. Dabei ist es für die Ärzte auf Intensivstationen eine ungeheure Belastung, mit den Angehörigen über den Hirntod ihres Verwandten und das Thema Organspende zu sprechen.

„Es muss schon vorher, in den Familien, viel mehr darüber geredet werden“, meint Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen. Ohne Anhaltspunkte aus solchen Gesprächen wird der Gedanke, das Herz eines anderen zu verschenken, wohl fast jedem unheimlich vorkommen.

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