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Gesundheit: Panik, die von selbst vergeht

Es gibt Hoffnung: Angst-Attacken werden oftmals auch ohne Behandlung seltener – oder sie verschwinden sogar völlig

Manche Zeitgenossen werden quasi aus heiterem Himmel von undefinierbaren Anfällen blanken Entsetzens heimgesucht. Das vegetative Nervensystem schlägt Purzelbäume, das laut pochende Herz beginnt zu jagen, die Kehle ist zum Ersticken zugeschnürt. Zumindest den unbehandelten Opfern der Panikstörung wurde in der Vergangenheit häufig eine düstere Zukunft vorhergesagt. Doch nun zeigen Studien, dass diese Angstkrankheit langfristig meist einen günstigen Verlauf aufweist.

Viele Experten befürchteten jedoch bisher, dass die (unbehandelte) Panikstörung eine ungünstige Prognose besitzt und häufig zu einem massiven Handikap ausartet. Allerdings hat man bisher noch nie den langfristigen Verlauf der Panikstörung in einer repräsentativen Stichprobe der Bevölkerung verfolgt, gibt eine Forschergruppe um Hemma Swoboda von der Universitätsklinik für Psychiatrie in Wien zu bedenken. Es gibt zwar einige Verlaufsstudien an kleinen Patientengruppen, aber selbst jene mit dem längsten Zeithorizont umfasste eine durchschnittliche Frist von nur vier Jahren.

Und selbst diese Untersuchungen leisten nicht unbedingt dem prognostischen Pessimismus Vorschub, folgern die Psychiater. Eine Übersicht über 16 Nachfolgeuntersuchungen kam zu dem Schluss, dass immerhin 54 Prozent der Patienten ihre Anfälle „abgeschüttelt“ hatten. Es gebe ein „verzweifeltes Bedürfnis“ nach Langzeitdaten, hob ein prominenter Angstforscher vor einiger Zeit hervor.

Um dieses verzweifelte Bedürfnis zu befriedigen, haben die Wiener Psychiater nun in einer einzigartigen Studie den noch nie da gewesenen Untersuchungszeitraum von elf Jahren umspannt. Sie rollten das weitere Schicksal von 30 Patienten auf, die vor über einer Dekade für eine achtwöchige Prüfung zweier Angst lindernder Psychopharmaka rekrutiert worden waren. 24 dieser Teilnehmer konnten für eine eingehende Nachuntersuchung wieder gewonnen werden.

Überraschend positives Ergebnis der Rekord-Langzeitstudie: Bei 87,5 Prozent der Betroffenen waren die Panikattacken – das Kardinalsymptom der Störung – abgeklungen. 90 Prozent der ehemaligen Versuchspersonen wurden im familiären Alltag und im Arbeitsleben gar nicht mehr oder nur noch geringfügig durch Angstzustände beeinträchtigt. Auch die die Anfälle begleitende phobische Vermeidungshaltung – etwa die Angst vor großen, freien Plätzen – entwickelte sich günstig. Sie war bei 54 Prozent ganz oder zumindest fast ganz verschwunden.

Ein Teil der Betroffenen hatte während der verflossenen elf Jahre psychotherapeutische Hilfe oder Psychopharmaka in Anspruch genommen. Doch diese therapeutische Unterstützung machte für die Prognose keinen Unterschied: Den unbehandelten Probanden ging es am Ende des Untersuchungszeitraum genauso gut wie ihren therapierten Leidensgenossen.

Wahrscheinlich bestätigt sich die Aussage des Harvard-Psychologen Daniel Gilbert, der behauptet, dass unser seelischer Apparat über ein hochwirksames „psychologisches Immunsystem“ verfügt. Diese Heilungskräfte sind für den Geist das gleiche, was die Wundheilung und das Immunsystem für den Körper bedeuten.

Rolf Degen

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