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Gesundheit: Physik-Nobelpreis: Atomgelee royal

Es ist eng geworden für die Atome. Die beiden US-Amerikaner Eric A.

Es ist eng geworden für die Atome. Die beiden US-Amerikaner Eric A. Cornell und Carl E. Wieman sowie der deutsche Physiker Wolfgang Ketterle, der ebenfalls in den USA forscht, haben die Partikel zu einem kalten Atomgelee zusammengepfercht. Im ganzen Universum war es wohl zuvor noch nie so kalt, dass Atome derart zusammenrücken mussten. Nicht einmal im frostigen interstellaren Raum, der dem sprichwörtlichen "Nichts" wohl noch am nächsten kommt. Im Physik-Labor jedoch verwandelten die Wissenschaftler die Atome bei Eiseskälte in ein neues exotisches Gemisch: ein Bose-Einstein-Kondensat. Dafür werden sie mit dem diesjährgen Physik-Nobelpreis ausgezeichnet, wie die Königliche Akademie der Wissenschaften am Dienstag in Stockholm mitteilte.

Die mit etwa zwei Millionen Mark dotierte Auszeichnung haben die drei Forscher unter anderem Albert Einsteins Weitsicht zu verdanken. Schon 1924 sagten Einstein und Satyendra Nath Bose voraus, dass Atome bei extrem tiefen Temperaturen einen eigenartigen Charakter offenbaren würden.

In unmittelbarer Nähe des absoluten Kältepunktes von minus 273 Grad Celsius würden die Partikel nicht mehr in alle Richtungen auseinanderfliegen wie in einem normalen Gas. Stattdessen sollten sie allesamt in den Zustand tiefstmöglicher Energie fallen und von da ab miteinander im Gleichtakt schwingen. In diesem "Bose-Einstein-Kondensat" würden sie sich durch nichts mehr von ihren Nachbarn unterscheiden.

Zu Einsteins Lebzeiten war an eine experimentelle Bestätigung der Hypothese nicht zu denken. Niemand war in der Lage, derart tiefe Temperaturen zu erzeugen. Erst die Entwicklung neuer Kühltechniken in den 80er Jahren bot die Voraussetzung hierfür.

Mit der Laserkühlung zum Beispiel lassen sich Temperaturen von weniger als einem millionstel Grad über dem absoluten Kältepunkt erreichen. Dabei beschießen Forscher die hin und her fliegenden Atome mit Licht aus zwei sich jeweils gegenüberstehenden Lasern. Die Frequenz des Lichtes wählen sie so, dass die dem Lichtstrahl entgegeneilenden Atome dafür besonders empfänglich sind. Die Atome erhalten einen Rückstoß. Die schnellsten Flitzer werden auf diese Weise abgebremst. Das Gas kühlt ab.

In einer Magnetfalle lassen sich die Atome anschließend noch weiter bremsen. Darin verdampfen die wärmsten der bereits unvorstellbar kalten Atome. Sie entweichen daraufhin wie der Dunst über einer morgendlichen Tasse. Zurück bleibt kalter Kaffee.

"Es war allerdings zunächst völlig offen, ob die Atome bei so tiefen Temparaturen gasförmig bleiben würden oder ob sie nicht doch Moleküle bilden würden", sagt Gerhard Rempe, Direktor vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching bei München. War das Bose-Einstein-Kondensat vielleicht nur ein Hirngespinst? Sich an eine mögliche Bestätigung der Einsteinschen Hypothese zu wagen, sei jedenfalls für die Forscher mit einem hohen Risiko verbunden gewesen, sagt Rempe.

Zwei Teams stellten sich der Aufgabe. Eric A. Cornell und Carl E. Weiman von der Universität Colorado in Boulder wurden 1995 als Erste fündig. Sie erzeugten in ihrem Labor das weltweit erste Bose-Einstein-Kondensat aus Rubidium-Atomen. An ihrem bereits für das bloße Auge sichtbaren Atomball konnten sie fortan die Gesetze der Quantenphysik auf ihre Richtigkeit hin überprüfen.

Ketterle gelang das Experiment mit Natrium-Atomen drei Monate später am Massachusetts Institute of Technology in Boston. Weltweites Aufsehen erregte er, als er bei nachfolgenden Versuchen die schwingenden Atome wieder von ihren magnetischen Fesseln befreite. Das Kondensat plumpste aus der Apparatur. Es waren zwar zunächst kaum mehr als ein paar Atomklümpchen, die da infolge der Schwerkraft nach unten tröpfelten. Aber mit der Zeit ließe sich auf diese Weise vielleicht ein Atomlaser herstellen.

Ein Atomlaser wäre ein Pendant zum Lichtlaser. So wie das Licht im Laserstrahl gut gebündelt ist und eine exakte Frequenz besitzt, so sollten sich auch Atome ein und derselben Energie gut fokussieren lassen. Mit einem derartigen Atomlaser könnte man etwa Chips sehr exakt beschriften.

Rund 20 Forschergruppen in aller Welt versuchen sich inzwischen an der Erzeugung von "Bose-Einstein-Kondensaten". Wissenschaftler aus München haben dabei vor zwei Jahren mit einem winzigen Atomlaser einen Sprung an die Spitze geschafft. Ihr Strahl aus Rubidium-Atomen zerfloss erst nach einigen Zentimetern wieder.

Das seltsame Quantengas dürfte die Forscher noch viele Jahre lang beschäftigen. Selbst Astrophysiker betrachten das kleine Atomkondensat unterdessen mit wachsendem Interesse. Denn an der Rice Universität in Houston in den USA verfolgten Wissenschaftler vor kurzem, wie ein "Bose-Einstein-Kondensat" bald nach seiner Entstehung wieder in sich zusammenstürzte. Kurz darauf stoben die Atome dann strahlenförmig auseinander. Solche Phänomene erinnern unter dem Vergrößerungsglas an die Explosion verglühender Sterne. Ob es sich dabei allerdings um mehr als nur um kosmische Assoziationen handelt, bleibt derweil offen.

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