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Gesundheit: Pickel-Alarm

Die Akne hat viele Spielarten – sie ist nicht nur eine Erkrankung der Haut

Akne – ist das nicht diese lästige Pubertätssache? Dass Mitesser und Pickel eine vorübergehende Erscheinung sind, ausgelöst durch die Hormonveränderungen der Jugendjahre, die zu vermehrter Talgbildung und von Bakterien verursachten Mini-Entzündungen führen, stimmt zwar – ist aber nicht die ganze Wahrheit.

„Akne“ ist wahrscheinlich eine nicht ganz korrekte Wiedergabe des griechischen Wortes „Akmé“ und heißt so viel wie Spitze oder Gipfel. Es beschreibt also plastisch, wie sich der Pickel auf der Haut ausnimmt. In manchen Fällen ist die Hauterscheinung aber tatsächlich nur die Spitze des Eisbergs: So bei der Chlorakne, die eine schwere Vergiftung ist und tödlich verlaufen kann.

Das Gift zerstört nicht nur die Poren der Haut, es greift auch innere Organe an und kann zu Bronchitis und Leberentzündungen führen. Chlorakne wurde vor über 100 Jahren in der Chemiefabrik Hoechst in Frankfurt am Main erstmals beschrieben und wird der Öffentlichkeit immer wieder in Erinnerung gerufen, in den 70er Jahren etwa durch die Umweltkatastrophe von Seveso, zuletzt durch die von der Dioxin-Vergiftung gezeichnete Haut des ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko.

Wie gefährlich die halogenierten Kohlenwasserstoffe, die im Fettgewebe gespeichert werden, für die Opfer der Industrieunfälle oder Mordanschläge sind, ist von der Dosis abhängig. In der Frühphase kann man mit Medikamenten versuchen, das Gift zusammen mit dem noch mobilisierbaren Fett zur Ausscheidung zu bringen. Wenn man überhaupt so schnell auf den Verdacht gekommen ist.

„Die Gifte sind unheimlich, denn sie riechen und schmecken nicht", erklärte Gerd Plewig, Leiter der Hautklinik der Universität München, in der letzten Woche beim 30. Interdisziplinären Forum der Bundesärztekammer. Die Veranstaltung, die Plewig dort leitete, trug bewusst den Titel „Akne-Krankheit und Leiden nicht nur in der Pubertät“.

Denn Akne gibt es häufig schon bei Neugeborenen. „Hebammen können bestätigen, dass fast jeder Säugling zu Beginn eine ganz flüchtige Akne hat“, sagte der Osnabrücker Akne-Spezialist Bodo Melnik. Der Grund: In der ersten Lebensphase sind die Spiegel männlicher Geschlechtshormone hoch, die Androgene kommen aus der Nebennierenrinde des Feten und von der Mutter.

Sie sorgen für eine erhöhte Talgproduktion – bei vielen Neugeborenen in Form der „Käseschmiere“ gut erkennbar. „Diese Schmiere ist im Mutterleib für den Feten als Schutzschicht gegen den eigenen Urin wichtig“, erklärte Melnik. Die Hormonspiegel der Säuglinge fallen denn auch im ersten Lebensjahr deutlich ab. „Ihren Tiefpunkt erreichen sie um das sechste Lebensjahr, und etwa im Alter ab neun Jahren steigen sie wieder an“, erläuterte Melnik.

Es zeigen sich die bekannten Folgen: Die Talgdrüsen werden größer, die Talgproduktion nimmt zu. Am Ausgang des Kanals, der von den Talgdrüsen zur Hautoberfläche führt, bilden sich Mitesser, lateinisch-fachlich Komedonen genannt.

„Jede Akne entwickelt sich aus solchen Komedonen“ erklärte der Dermatologe Thomas Jansen von der Uniklinik in Essen. In dem Pfropfen kann sich das „Propionibacterium acnes“ gut vermehren, das im Gewebe dann die Entzündung auslöst. Drei Viertel aller Jugendlichen zwischen 13 und 20 sollen mehr oder weniger unter Mitessern, Pickeln und Pusteln leiden.

Was man gegen die Pubertäts-Akne (Acne vulgaris) tun sollte, hängt vom Schweregrad der Hautveränderungen ab. Einen Gradmesser für Krankheitswert und Schwere der Akne bildet die Anzahl entzündlicher Veränderungen im Gesicht. Klaus Degitz von der Hautklinik der Universität München forderte seine Kollegen auf, gegen die Akne entschlossen vorzugehen, um die Bildung von bleibenden Entstellungen durch Narben zu verhindern.

„Dabei ist es wichtig, Mittel mit verschiedenen Angriffspunkten zu kombinieren.“ Nicht geeignet seien alte Hausmittel wie Schieferöl, Hefeextrakte oder Schwefel. Auch von der Behandlung mit UV-Strahlen rät der Dermatologe ab: „Zwar gibt es durch die Bräunung einen kosmetischen Effekt und UV-Licht wirkt auch entzündungshemmend. Andererseits fördert es aber die Entstehung von Mitessern, ganz abgesehen von der vorzeitigen Alterung der Haut und der Hautkrebsgefahr.“

Zum Anti-Akne-Arsenal der Dermatologen gehören heute Abkömmlinge des Vitamin A, die Retinoide. Sie können äußerlich angewendet oder in schweren Fällen auch eingenommen werden und nehmen Einfluss auf die Verhornung und damit auf die Bildung von Mitessern.

„Warum diese Mittel die Hornzellen der Haut umprogrammieren, wissen wir noch nicht“, sagte Jansen. Weil sie das Ungeborene schädigen können, dürfen junge Frauen, die Retinoide einnehmen, auf keinen Fall während der Behandlung schwanger werden.

Gegen die Entzündung wirken das chemische Schälmittel Benzoylperoxid und verschiedene Antibiotika. Auch Hormone, die den Androgenen entgegenwirken, helfen gegen die Pickel. Und die Pille wirkt wohltätig – wenn es die richtige ist. „Die ,falsche Pille’, die androgen wirkende Gestagene enthält, kann die Akne dagegen verstärken", warnte Jansen.

Auch die unerlaubte Stimulation des Muskelwachstums durch Androgene kann zu einer Akne führen. „Die Akne ist bei Bodybuildern ein Anzeichen für den Missbrauch männlicher Hormone“, erklärte Melnik.

Hinter Aggressivität und Depressionen steht Akne an dritter Stelle der Nebenwirkungen, die sich nach Doping mit männlichen Geschlechtshormonen in hoher Dosierung bemerkbar machen. Im Internet werden die Androgene heute offen angeboten. „Doch auch wir Ärzte spielen bei der Beschaffung eine unrühmliche Rolle“, betonte Melnik.

Adelheid Müller-Lissner

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