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PROF. TSOKOS ermittelt: Sicher ist sicher

Der Leiter der Berliner Rechtsmedizin erklärt, warum eine zweite Leichenschau vor der Einäscherung notwendig ist.

Der Fall, der seit vergangenem Dienstag vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth verhandelt wird, ist spektakulär: Zwei Bestatter werden beschuldigt, sie hätten einen Kollegen ermordet und unter falschem Namen einäschern lassen. Dafür sollen sie die Identität eines verstorbenen 68-jährigen Rentners benutzt haben. Einer der Täter schuldete dem 43-jährigen Opfer Geld und tötete es mit einem Komplizen. Die Tat kam per Zufall heraus: Die Polizei ermittelte gegen einen der beiden wegen Betrugs, bei einer Hausdurchsuchung fand sie zwei Krematoriumsquittungen, die auf dieselbe Person ausgestellt waren.

Wäre ein Fall wie dieser auch in Berlin denkbar? Nein. Bayern ist das einzige Bundesland, das keine zweite Leichenschau vor einer Einäscherung vorschreibt. Nur so war es den Tätern möglich, ihr Opfer unauffällig zu beseitigen. Einem Rechtsmediziner wäre bei der Leichenschau im Krematorium sofort aufgefallen, dass der Ermordete 25 Jahre jünger ist als der Rentner, dessen Identität die Bestatter auf den gefälschten Dokumenten angegeben hatten.

Pro Jahr untersuchen wir in den zwei Berliner Krematorien etwa 9000 Verstorbene. Das dürfen laut Berliner Bestattungsgesetz nur Rechtsmediziner des Landesinstituts für gerichtliche und soziale Medizin. Etwa jeder 200. Leichnam muss „angehalten“ werden, weil wir Unstimmigkeiten zwischen den Angaben auf dem Totenschein und dem Zustand der Leiche feststellen. Diese Fälle übergeben wir der Polizei, die dann Ermittlungen einleitet. Besonders häufig halten wir alte Menschen an. Oft geht es bei diesen Leichen um den Verdacht der Vernachlässigung. So wie bei einer 87-jährigen Frau, die an einem Schlaganfall gestorben war. Bei der Leichenschau stellten wir auffallend große, eitrige Wundliegegeschwüre an Rücken und Gesäß fest, die im Totenschein nicht vermerkt waren – ein möglicher Hinweis auf Pflegefehler des Heimpersonals. Gegen die Mitarbeiter wurde daraufhin ermittelt. Doch nur selten lassen sich Pflegemängel und Vernachlässigung mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen, selbst wenn sie gravierend sind.

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