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Gesundheit: Professor urteilshalber

Erstmals hat ein Gericht gegen den Willen einer Uni eine Habilitation für gelungen erklärt

Pünktlich zum 65. Geburtstag, mit der Pensionierung, hat der Reha-Arzt Walter Laabs es geschafft: Er ist endlich habilitiert – nach einem Vierteljahrhundert Streit und einem ganzen Dutzend Gerichtsprozessen mit der Medizinischen Fakultät der Universität Münster.

Der Fall hat weit reichende Bedeutung für das deutsche Habilitationswesen. Erstmals in mehr als 150 Jahren wurde die schriftliche Prüfungsleistung, die Habilitationsschrift, gegen den Willen der prüfenden Fakultät allein vom Gericht für gelungen erklärt. Das Verwaltungsgericht hat auch ein Nein nach der mündlichen Prüfung aufgehoben. So musste Dekan Heribert Jürgens trotz bis heute gegenteiliger Prüfungsergebnisse vor der Fakultät urkundlich bescheinigen, dass der Prüfling „die durch die Habilitationsordnung geforderten Bedingungen erfüllt hat“.

Die Uni verzichtete laut Jürgens vor allem angesichts der drohenden Schadenersatzforderungen auf einen weiteren Prozess. Solche finanziellen Ansprüche blieben in allen Habilitationsfällen vor Gericht bisher stets ausgeklammert. Schadenersatz aber ist grundsätzlich berechtigt, wenn die Uni einen Habilitationsprozess nach Jahren endgültig verliert, erklärt Ulrich Lau, Richter am Oberverwaltungsgericht Münster: „Einkommensverluste kann der Habilitierte im Prinzip ebenso geltend machen wie beispielsweise ein Beamter, der rechtswidrig nicht befördert wurde.“

Formell haben der Kandidat und die Prüfer jetzt einen Vergleich geschlossen. Laabs ist zwar habilitiert. Er muss aber auf die an sich mögliche Lehrtätigkeit verzichten. Laabs verzichtet auch ausdrücklich auf Schadensersatzforderungen gegen die Uni.

Die Uni war offenbar gut beraten, den Rechtsstreit um die mündliche Prüfung beizulegen. Herkömmlich steht und fällt die Habilitation mit der abschließenden mündlichen Prüfung vor allen Professoren des Fachbereichs. Das gesamte Fakultätskollegium sichert sich so das letzte Wort. Die Richter zweifelten allerdings den Wert der mündlichen Prüfung an. „Das Votum durch Experten behält immer den Vorrang vor dem Votum eines darüber hinaus erweiterten Prüferkreises“, sagt Richter Lau. Das bedeute im Fall Laabs: Wenn die Habilitationsschrift für das Fach Chirurgie nach Prüfung von Chirurgen angenommen wurde, kann der Bewerber vor einem fachlich erweiterten Kreis – zu dem Medizinhistoriker wie Experten der Geburtshilfe gehören – nicht mehr durchfallen. Das sei allenfalls möglich, „wenn die mündliche Prüfung ebenfalls von einer fachlich ausgewiesenen Habilitationskommission abgenommen würde“.

Hermann Horstkotte

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