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Gesundheit: Sanfte Verwandlung

Wie kann die Medizin Stammzellen nutzen? Ein Weg könnte darin bestehen, aus ihnen Eizellen herzustellen

Bei Frauen haben Chemotherapien gegen Krebs oft eine tragische Nebenwirkung: Die in den Eierstöcken bereitgestellten Eizellen sterben ab. Betroffene werden für immer unfruchtbar. Grund ist ein Dogma der Gynäkologie, das besagt, Frauen könnten keine neuen Eizellen bilden. Ihre Eierstöcke seien bei der Geburt ausgereift, und sie müssten mit dem einmal angelegten Vorrat auskommen.

Jetzt beginnen Stammzellforscher an diesem Dogma zu rütteln. Und sie entwickeln neue Methoden, die den Frauen eines Tages helfen könnten. Ihre Ergebnisse präsentierten sie im japanischen Kobe auf einem Workshop über Trends der Stammzellforschung, organisiert im Rahmen des Deutschlandjahres von der Schering-Forschungsgesellschaft, der Max-Planck-Gesellschaft und dem Riken-Institut für Entwicklungsbiologie.

„Wir denken, es ist uns gelungen, so etwas wie Eizellen zu bilden“, sagte Hans Schöler vom Max-Planck-Institut für Molekulare Biomedizin in Münster. Er und sein Team vollzogen mit vielen kniffligen Tricks den langen Weg der Natur nach, die aus einigen der ersten Zellen des Embryos fertige Eizellen macht. In einer Zellkultur verführten sie embryonale Stammzellen der Maus gezielt dazu, sich in Eizellen zu verwandeln.

„Diese Versuche sind jederzeit reproduzierbar. Der Trick liegt in der richtigen Kultivierung der Zellen“, sagte Schöler. In der Technik stecke „das Potenzial, weibliche Unfruchtbarkeit besser zu verstehen und eines Tages sogar zu behandeln“. Dazu müsste es aber gelingen, Zellkerne der Patientin zu finden, die garantiert keine Mutationen tragen – aber das ist noch Zukunftsmusik.

Im Gebiet der Reproduktionsbiologie ergeht es den Stammzellforschern also auch nicht besser als in den vielen anderen, etwa dem Kampf gegen Diabetes oder Parkinson. Noch fehlt ihnen die Technik, geeignete Ausgangszellen herzustellen. Theoretisch gäbe es zwei Wege: Das umstrittene therapeutische Klonen oder die Reprogrammierung der Körperzelle mit Hilfe körpereigener Moleküle, die sie in eine Art embryonalen Zustand zurückversetzen. Zu beiden Methoden wurden in Kobe zwar Ansätze präsentiert. Alle Experten warnten jedoch vor einer verfrühten Euphorie.

Das therapeutische Klonen liege noch „in weiter Ferne“, sagte zum Beispiel Shin Yong Moon von der Seoul National University in Südkorea – ein Mann, der es wissen muss. Moon gehörte zu jener Gruppe, die unlängst die ersten embryonalen Stammzelllinien aus geklonten menschlichen Körperzellen präsentierten (siehe Kasten).

Auch der zweite, ethisch unproblematische Weg zum idealen Ersatzgewebe ist noch lang. Die Reprogrammierung von Zellen gelingt den Forschern bislang nur teilweise. Welche Molekül-Cocktails sie wann und in welchen Mengen zugeben müssen, damit sich eine „erwachsene“ Zelle zurückentwickelt, das wissen sie noch nicht. Genauso wenig können sie bislang die genetischen Schäden, die in der Erbsubstanz von Körperzellen zwangsläufig auftreten, reparieren.

Allerdings gibt es vielleicht noch einen dritten Weg, Frauen die Fruchtbarkeit zurückzugeben. Die Arbeitsgruppe von Jonathan Tilly von der Harvard Medical School in Boston, USA, fand erste Hinweise, dass auch erwachsene Frauen Zellen mit dem Potenzial zum Ei besitzen.

Am Anfang ihrer Forschung stand der Zweifel, erinnerte sich in Kobe Yuichi Niikura, Mitarbeiter in Tillys Team: „Wir fragten uns, was wäre, wenn das Dogma gar nicht stimmt und im Eierstock noch Stammzellen existieren, die sich zu Eizellen entwickeln können?“

Die Forscher entdeckten am Rand der Eierstöcke stammzellähnliche Zellen. Und sie ermittelten, dass sich bei Mäusen binnen zwölf Stunden 1000 neue Follikel bilden können. Woraus, wenn nicht aus sich teilenden Stammzellen, sollen die neuen Eier entstanden sein, fragte Niikura. „Allerdings können wir das hohe Regenerationstempo mit den wenigen Stammzellen im Ovar nicht erklären.“

Dank neuer Experimente glauben die Forscher nun, die gesuchten Keimbahn-Vorläuferzellen im Knochenmark ausfindig gemacht zu haben. Ihre These: Unter normalen Umständen ruhen diese Stammzellen. Sie können aber durch Botenstoff-Signale vom Eierstock geweckt werden, sich vermehren und in großer Menge über die Blutbahn zu den Ovarien gelangen. Dort teilen sie sich und reifen zu Eizellen heran.

Bestätigen sich diese bislang umstrittenen Resultate, ist es wahrscheinlich, dass unter bestimmten Bedingungen auch Menschen neue Follikel bilden. Die medizinische Bedeutung wäre immens, sagte der Zellbiologe Schöler: „Sollte sich dies bewahrheiten, könnten möglicherweise Frauen mit Hilfe einer Knochenmarktransplantation wieder fruchtbar werden. Oder Frauen könnten nach der Menopause noch Kinder bekommen.“

Peter Spork

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