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Gesundheit: Sarrazins Geheimnis

Berlins Volkswirtschaftler wollen fusionieren, sagt der Senator. Sie wissen aber nichts davon

Sparen könnte so einfach sein, wenn alle mitmachen würden. Die Berliner Wirtschaftswissenschaftler sind da vorbildlich, denn sie wollen ihre Fakultäten freiwillig zusammenlegen – jedenfalls wenn man dem Finanzsenator glaubt. Sarrazin gestern im Tagesspiegel-Interview wörtlich: „Ordinarien der volkswirtschaftlichen Fakultäten an den drei Berliner Universitäten haben mir gesagt, dass sie es besser fänden, die Kapazitäten der Volkswirtschaftler an einer Hochschule zusammenzufassen. Das würde den Wettbewerb zwischen den Wissenschaftlern erhöhen, die Arbeitsteilung verbessern und das wissenschaftliche Profil verbreitern.“ Aha. Es ist zumindest ungewöhnlich, dass Ordinarien mehrerer Hochschulen so etwas vorschlagen. Darum die Frage: Welcher Berliner Professor hat das gesagt? Wo stecken sie, Sarrazins Ordinarien?

Erste Station der Nachfrage: die Humboldt-Universität zu Berlin. „Mit Professoren der Humboldt-Universität hat Sarrazin meines Wissens nicht gesprochen, jedenfalls nicht mit dem Dekan oder seinen Stellvertretern“, sagt Prodekan Joachim Schwalbach. Er findet den „ganzen Ansatz seltsam“: Die Wirtschaftswissenschaften seien preiswert und erfreuten sich einer großen Nachfrage, zudem hätten die Absolventen exzellente Berufschancen. „Wenn man die Fachbereiche zusammenlegen und dabei sparen will, kann das ja nur bedeuten, das Angebot zu reduzieren, und das wäre unsinnig.“

„Mit mir nicht“

Die Volkswirtschaft lasse sich von der Betriebswirtschaft sowieso nicht trennen, da das Grundstudium zur Hälfte aus BWL und zur Hälfte aus VWL bestehe. Und da Studenten anderer Fächer, etwa Juristen, auch wirtschaftswissenschaftliche Seminare besuchen, wolle jede Universität ihre Wirtschaftswissenschaften behalten. „Wir stimmen uns mit der Freien Universität im Lehrangebot ab, zum Beispiel bieten wir bewusst Personalwirtschaftslehre nicht an, weil die FU das bietet.“ Aber fusionieren – „das wäre für den Wissenschaftsstandort Berlin nicht klug“.

Hat Sarrazin also mit einem Ordinarius der Freien Universität geredet? „Mit mir nicht“, sagt Dekan Helmut Bester, „und ich wüsste auch nicht, wer an der FU dieser Meinung ist“. Zwar sei er für Effizienzsteigerungen, aber eine Fusion der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten könne er sich schon „rein technisch“ nicht vorstellen. „Wir platzen ja mit 4300 Studierenden aus allen Nähten, wo sollen wir da noch mehr Studierende unterbringen?“ In VWL könne nur jeder fünfte, in BWL nur jeder achte Bewerber genommen werden, die Wirtschaftswissenschaften seien die Fakultät der FU, die, gemessen an ihren Mitteln, die meisten Studierenden ausbilde. Er sieht bei einer Zusammenlegung „keine Einsparmöglichkeit“. Allenfalls die TU könne ihre Wirtschaftswissenschaften „langfristig abbauen“.

Das wiederum sieht die TU anders. Christof Helberger, geschäftsführender Direktor des Instituts für Volkswirtschaftslehre, hat zwar ebenfalls nicht mit Sarrazin gesprochen, kann sich aber vorstellen, dass HU und FU ihre Fakultäten zusammenlegen. Die TU dagegen brauche eigene, technologisch ausgerichtete Wirtschaftswissenschaften für die Ausbildung der Wirtschaftsingenieure, die eine ihrer Kernaufgaben sei. Wirtschaftswissenschaftliche Angebote von anderen Unis „einzukaufen“, sei unrealistisch: „Das haben wir mal mit den Rechtswissenschaften versucht – die FU wollte dafür doppelt so viel Geld haben, als sie uns selbst kosten.“ An seiner Universität gebe es nur einen einzigen, „völlig isolierten“ Kollegen, der für eine Zusammenlegung aller drei Fakultäten sei.

Sarrazin selbst möchte nicht enthüllen, mit wem er gesprochen hat. War es am Ende ein Selbstgespräch? Sein Sprecher Matthias Kolbeck sagt: „Der Senator ist selbst Volkswirt und ist der Meinung, dass die Zusammenlegung der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten sinnvoll wäre.“

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