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Gesundheit: Schulärger in Niedersachsen

Ein Thema beherrscht in diesen Wochen die Landespolitik in Niedersachsen: die geplante Schulreform. Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) will eine bundesweite Besonderheit abschaffen, die sogenannte "Orientierungsstufe", eine eigene Schulform für die Klassen fünf und sechs, die es nur in Niedersachsen gibt.

Ein Thema beherrscht in diesen Wochen die Landespolitik in Niedersachsen: die geplante Schulreform. Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) will eine bundesweite Besonderheit abschaffen, die sogenannte "Orientierungsstufe", eine eigene Schulform für die Klassen fünf und sechs, die es nur in Niedersachsen gibt. Doch es regt sich Widerstand, und zwar vor allem in der SPD, in der Lehrer eine starke Stellung haben. Vielen von ihnen geht Gabriel zu brachial vor.

Der DGB verlangte jüngst, wegen der Pisa- Studie die Bildungspolitik "noch einmal gründlich zu analysieren" und von der geplanten Reform zunächst Abstand zu nehmen. Das jedoch will Gabriel auf keinen Fall. Nächstes Jahr sind in Niedersachsen Landtagswahlen, und zu diesem Zeitpunkt möchte sich der Regierungschef gern als großer Reformator darstellen.

Unterdessen zeichnet sich in den SPD- Gremien eine Mehrheit für Gabriels Pläne ab. Die Parteibezirke Hannover und Weser-Ems beschlossen unlängst, die Orientierungsstufe abzuschaffen. Die Kinder sollen spätestens von 2008, an nach der vierjährigen Grundschule, auf eine weiterführende Schule wechseln - Gymnasium, Real- oder Hauptschule. Dort sollen die Klassen fünf und sechs dann "Förderstufe" heißen. Die Aussichten, dass der SPD-Landesparteitag Anfang März dieser Linie folgt, sind nicht schlecht. Aber gleichzeitig muss Gabriel spüren, wie wenig sich seine Genossen für diese Reform begeistern lassen.

Kultusministerin Renate Jürgens-Pieper reist zwar über das Land und streitet gegen die derzeitige Orientierungsstufe, die leistungsschwache Kinder zu früh aussondere, bei der Leistungseinteilung in ländlichen Gegenden ungerecht wirke und Kinder schlecht gebildeter Eltern benachteilige. Aber die Befürworter des geltenden Schulmodells halten dagegen. Man könne sanfte Reformen vornehmen und müsse nicht gleich Strukturen zerschlagen, meint etwa der ehemalige Kultusminister Peter von Oertzen, seit den siebziger Jahren eine führende Figur der Linken in der Sozialdemokratie. Auch die SPD-Bundesschatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier äußert Vorbehalte gegenüber der geplanten Reform und gegenüber Gabriels Art, diese durchzusetzen.

Gabriel und seine Ministerriege betonen auf der anderen Seite, die SPD müsse sich die Schulreform unbedingt auf die Fahnen schreiben, da sonst die CDU im bevorstehenden Landtagswahlkampf das Thema besetze. Und die Christdemokraten treten mit einem Vorschlag auf, der klarer und eindeutiger ist als die verschiedenen SPD-Modelle: Nach Klasse vier ein Übergang zur weiterführenden Schule, außerdem ein Abitur nach Klasse zwölf, nicht wie bisher in Niedersachsen nach Klasse 13. Vor derlei kompromisslosen Positionen schreckt selbst der Ministerpräsident zurück, und die übrigen Sozialdemokraten tun sich ohnehin schwer mit Veränderungen der Schullandschaft. Im Konflikt zwischen Gabriels Anstößen und dem Beharrungsvermögen der Partei droht die SPD-Bildungsdebatte zu ersticken in Sonderregelungen, Einzelvorschriften und Wenn-Dann-Konstruktionen.

Mittlerweile ist sogar die Glaubwürdigkeit des Regierungschefs gefährdet.

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