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Gesundheit: Sensoren schlagen Alarm

Neues Informationssystem für Gefahrgut entwickelt

„ Mehrere Menschenleben hat der Zusammenstoß eines Kleinwagens und eines mit Chlor beladenen Tanklasters in der südfranzösischen Grenzstadt Le Perthus gefordert. Nach dem Unfall verbreitete sich eine giftige Gaswolke. Zahlreiche Einwohner und Feuerwehrmänner wurden mit Verätzungen und Lungenproblemen in Krankenhäuser eingeliefert.“

So hätte die Meldung lauten können, eine von vielen, über schwere Unfälle mit Gefahrgut-Transporten. Doch dieser Unfall hat nie stattgefunden; das Dorf Le Perthus ist unversehrt. Denn hier haben Wissenschaftler und Ingenieure sowie Feuerwehren aus Frankreich und Spanien jetzt ein System erprobt, das Gefahrgut-Transporte sicherer machen und mögliche Unfallfolgen mildern könnte: Mitra.

Hinter diesem Kürzel verbirgt sich das von der EU mit rund zwei Millionen Euro geförderte Programm „Monitoring and Intervention for the Transportation of Dangerous Goods“. Zwei Jahre lang haben 14 mittelständische Unternehmen aus Frankreich, Deutschland und Spanien ein Konzept entwickelt, das Gefahrgut-Transporte mit Satellitenhilfe verfolgen und kritische Daten über die Ladungen in Echtzeit übermitteln kann. „Mitra könnte mit wenig Aufwand Europas Straßen deutlich sicherer machen“, sagt Programm-Koordinator Franck Presutto aus Toulouse.

Wenig Aufwand, weil die Komponenten des Systems längst existieren. Es handelt sich unter anderem um GPS-Empfänger. Sensoren in Tanklastzügen oder Kesselwagen der Eisenbahnen überwachen Druck und Temperatur der Ladung sowie die Lage des Transportfahrzeuges. Stürzt es um, wird automatisch Alarm ausgelöst. Und auch der Fahrer verfügt über einen roten Gefahrenknopf, den er im Bedarfsfall drücken kann.

Bei Alarm werden die Daten wie beim Handy über das GPRS-oder GSM-Netz an eine Leitstelle übermittelt. Diese verständigt per Internet die Hilfszentrale, die dem Unfallort am nächsten liegt. Die Einsatzkräfte sind jetzt nicht mehr auf Zeugen des Unfalls angewiesen, deren Aussagen oft widersprüchlich und wenig hilfreich sind. Sie sehen auf dem Bildschirm genau, worum es sich handelt. Etwa um zehn Tonnen Chlor, ätzend und die Atemwege schädigend, wie bei der Übung in Le Perthus. Sofort war klar, mit welcher Gefahrenlage ihre Chemietrupps zu rechnen hatten, welche Ausrüstung sie brauchten und welcher Bereich zu evakuieren sein würde.

„Zum ersten Mal konnten wir mit präzisen Informationen ausrücken“, sagt Feuerwehr-Einsatzleiter Francis Mateu aus Perpignan. Zwar könne die Lage endgültig erst vor Ort beurteilt werden. Aber mit einem System wie Mitra sei das Risiko für die Einsatzkräfte viel geringer.

Das Szenario beschreibt Mitras Ziele: In Echtzeit Informationen zu liefern, die sonst mühsam beschafft werden müssen. Denn heute kennen Spediteure keineswegs immer den Ort, an dem sich ihre Gefahrgut-Transporte gerade befinden. Und die Rettungskräfte wissen oft nicht, mit welchen gefährlichen Substanzen sie es zu tun haben. „Die an den Fahrzeugen obligatorisch angebrachten orangefarbenen Warntafeln sind oft verbrannt und nicht mehr lesbar“, erklärt Mateu. „Manchmal müssen Feuerwehrmänner fast raten, wie sie Substanzen richtig bekämpfen können. Das kostet wertvolle Zeit und ist lebensgefährlich.“

Das System soll nicht teuer werden. „Ein Gerät sollte um die tausend Euro kosten plus Einbau“, sagt Presutto. Technisch sei Mitra innerhalb kürzester Zeit machbar. Fragt sich nur, ob die Europäische Kommission die entsprechenden Standards schafft und die Spediteure verpflichtet, solche Geräte in ihre Gefahrgut-Transporter einzubauen. Immerhin wäre Mitra auch eine sinnvolle Anwendung des europäischen Navigationssystems Galileo, das ab 2011 funktionieren soll.

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