zum Hauptinhalt

Gesundheit: Sparzwang-Opfer: Für gute Lehre kein Geld

Noch im Mai trug die Technische Universität die rote Laterne in einem Ranking des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE). Die ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge schnitten im Bereich Lehre schlecht ab.

Noch im Mai trug die Technische Universität die rote Laterne in einem Ranking des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE). Die ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge schnitten im Bereich Lehre schlecht ab. Das soll eigentlich der Vergangenheit angehören. Denn der Akademische Senat der Universität beschloss Anfang des Jahres Leitlinien, wie Studiengänge an der TU künftig auszusehen haben: praxisorientiert, überfachlich, gut studierbar. Einige Veranstaltungen dieser Art gibt es bereits: die Projektgruppe Praktische Mathematik (PPM) zum Beispiel. Doch die PPM fürchtet jetzt, dem Sparzwang zum Opfer zu fallen - trotz der neuen Leitlinien und obwohl Studenten, Vertreter des Fachbereiches, die Unileitung und Ingenieure aus der Wirtschaft das Projekt für sinnvoll halten. Uni paradox?

Lehrveranstaltungen gestrichen

Von vormals vier wissenschaftlichen Mitarbeitern bei der Projektgruppe Praktische Mathematik ist inzwischen nur noch eine übrig, die drei restlichen Stellen sind unbesetzt. Die Folge: Die Lehrveranstaltungen des Sommersemesters mussten abgesagt werden, eine abgespeckte Variante findet als Intensivkurs in den Ferien statt. Die Einführungskurse in die Informationstechnik, die die PPM bisher für angehende Ingenieure anbot, mussten ganz gestrichen werden. "Wenn was geschehen muss, dann jetzt", sagt Andrea Dziubek, die einzige verbliebene wissenschaftliche Mitarbeiterin der PPM. Ihre Befürchtung: Die Stellen, die bisher der PPM zur Verfügung standen, sollen dem Fachbereich Mathematik zugeschlagen werden. Die Zukunft der PPM, die bisher selbstständig von den wissenschaftlichen Mitarbeitern und den studentischen Tutoren geleitet wird, wäre damit ungewiss.

Studenten, die an der TU einen ingenieurwissenschaftlichen Studiengang belegen, müssen während ihres Studiums mathematische Kurse absolvieren, darunter auch das Fach Numerik. Das wird für alle Studenten vom Fachbereich Mathematik angeboten. Hier haben Studenten laut Studienordnung die Wahl: Entweder besuchen sie die Hauptvorlesung, oder sie wählen einen der zwei Kurse der PPM. Der Unterschied liegt in der Vermittlung des Stoffes. Bei der PPM beschäftigen sich in Gruppenarbeit jeweils vier Studenten mit einem Projekt wie zum Beispiel den Schwingungen von Brücken. "Das Problem gehen wir dann ganzheitlich an", sagt Andrea Dziubek. Die Vorlesung dagegen konzentriert sich allein auf den Kern der Numerik: Das theoretische Einüben verschiedener mathematischen Annäherungsverfahren.

Den Wert von praxisorientierten Veranstaltungen wie der PPM bestreitet niemand an der TU. Es sei eine "Blamage", dass sich die TU nicht für Projekte wie die praktische Mathematik einsetze, kritisiert Wolfgang Neef, der das Netzwerk innovativer Ingenieursausbildung leitet. Die PPM entspreche den "Anforderungen des modernen Ingenieurberufes" und sei "aktueller denn je". Jürgen Sahm, als TU-Vizepräsident für Studium und Lehre zuständig, bestätigt: "Die Studenten haben was davon. Der projektartige Ansatz ist vernünftig." Von den Verfahrens- und Umwelttechnikern, die den Hauptanteil an den PPM-Studenten stellen, sagt Ute Detlefsen, Leiterin des Studienbüros: "Die Aufgabe der PPM wäre ein einschneidener Verlust." Auch Lars Oeverdieck, Leiter der Fachbereichsverwaltung Mathematik, bestreitet das nicht. "Das Interesse von uns ist da."

Das Interesse schon, das Geld aber nicht. Bis vor zwei Jahren wurden die vier wissenschaftlichen Mitarbeiter direkt von der Unileitung bezahlt. Seitdem steht der Fachbereich Mathematik in der finanziellen Verantwortung. Das sind mehr als 400 000 Mark im Jahr - und den Betrag will der Fachbereich nicht mehr für die PPM in der derzeitigen Form zahlen: "Numerik-Vorlesung und PPM ist ein Doppelangebot, das wir uns nicht mehr leisten können", so Oeverdieck. Er wirft der PPM vor, zur Forschung des Fachbereiches nichts beizutragen: "Wir haben von denen einfach gar nichts. Sie lehren nicht für uns, sondern die Ingenieure. Und die Promotionen der wissenschaftlichen Mitarbeiter sind meistens auch für andere Fächer."

Sparzwang fördert Egoismen

Kommt es zu der Frage der Finanzierung, werden auch die Stimmen der anderen Befürworter leiser. Sahm spricht von einer "Gratwanderung" bei den kostenintensiveren Praxisangeboten und verweist im übrigen auf die "letzte Zuständigkeit der Mathematik". Die Ingenieure, die die PPM gerne weiter anbieten wollen, konnten sich nicht darauf einigen, eine der Stellen zu finanzieren. Auch hier gilt: "Es ist schwer, dafür neue Kapazitäten freizusetzen", so Detlefsen. Sie gibt zu: "Es gibt ein grundlegendes strukturelles Problem an der TU: Projektorientiertes Arbeiten wird als wichtig anerkannt, es ist aber kein Geld dafür da." Auch Neef hat beobachtet, dass unter dem Sparzwang interdisziplinäre Projekte das Nachsehen haben: "Die Priorität hat erstmal die disziplinäre Forschung."

Die Zukunft der PPM hängt jetzt vor allem von dem neu zu berufenden Numerik-Professor ab. Der soll Vorlesung und Projekt kombinieren. Ob ihn eine Fortführung der PPM interessiert, ist allerdings noch unklar.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false