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Gesundheit: „Spitzenuniversitäten ja – aber ohne Privilegien“

Wer Studenten auswählt und Studiengebühren verlangt, behindert den Wettbewerb, sagt Jürgen Zöllner, Wissenschaftsminister in Rheinland-Pfalz

JÜRGEN ZÖLLNER (58)

ist seit 1991 Wissenschaftsminister in RheinlandPfalz – und Sprecher seiner sozialdemokratischen Ressortkollegen in der Kultusminister-

konferenz.

Foto: Imago

Bundeskanzler Gerhard Schröder wünscht sich Eliteuniversitäten in Deutschland, die es in der weltweiten Konkurrenz mit amerikanischen Eliteuniversitäten wie Harvard, Princeton oder Stanford aufnehmen können. Jürgen Zöllner (SPD), Wissenschaftsminister in Rheinland-Pfalz, hat der Berliner SPD-Fraktion am Wochenende in Leipzig als Gastredner erklärt, wie SPD-Wissenschaftsminister über Elite, Studentenauswahl und Studiengebühren denken. Zöllner, der auch Sprecher seiner sozialdemokratischen Ressortkollegen in der Kultusministerkonferenz ist, hat das alternative Modell von Studienkonten entwickelt. Für dieses Modell stimmten am Sonntag in Leipzig zwei Drittel der Berliner Delegierten. Mit Jürgen Zöllner sprach Uwe Schlicht.

Herr Zöllner, echte Eliteuniversitäten sind gleich stark in Forschung und Lehre – und das in der Mehrzahl der Fächer. Da der Bund keine Zuständigkeit für die Lehre hat, kann er Eliteuniversitäten nur fördern, wenn er sich allein auf die Forschung beschränkt oder wenn er einen Kreis der Eliteuniversitäten aus den anderen Hochschulen herauslöst und als Stiftungsuniversitäten privat organisiert. Was halten Sie von diesen Lösungen?

Schon die Frage macht klar, dass dies nicht diskutabel ist. Es gibt überhaupt keinen Zweifel, dass die Hochschulen primär in die Zuständigkeit der Länder gehören. Das bedeutet, Eliten- oder Spitzenbereiche können nur identifiziert werden, wenn sie alle Aufgabenbereiche umfassen und in der Verantwortung derjenigen realisiert werden, die für den Gesamtbereich Verantwortung tragen.

Sie können sich Spitzenuniversitäten nur in der ungeteilten Verantwortung der Länder vorstellen?

Ich sehe überhaupt kein Problem Spitzenuniversitäten kooperativ mit dem Bund zu fördern, weil wir in der Spitzenförderung der Forschung über die Deutsche Forschungsgemeinschaft – wie es die Förderung der Sonderforschungsbereiche zeigt – sehr wohl schon jetzt eine Mitwirkung des Bundes haben. Einzelnen Universitäten als Spitzenhochschulen aus dem Gesamtsystem herauszubrechen, wäre aber nicht diskutabel.

Dann müsste der Bund seinen Anteil für die Finanzierung der Forschung so erhöhen, dass die Länder, sich im Wesentlichen auf die Finanzierung der Lehre konzentrieren können. So könnte in der Finanzausstattung für Spitzenuniversitäten ein Fortschritt erreicht werden.

Dies ist keine zwingende Schlussfolgerung. Wir sagen, Bund und Länder müssen ihre finanziellen Anteile erhöhen, wenn Spitzenleistungen gestärkt werden sollen. Wir brauchen auf jeden Fall auch eine Verstärkung in der Basis, in der Breite. Nur darauf kann zusätzlich die Förderung für Spitzenbereiche in Forschung und Lehre gesetzt werden.

Wie hoch ist der jährliche Finanzbedarf für eine Spitzen- oder Eliteuniversität?

Eine Differenzierung ist nur möglich, wenn ich drei Aufgabenbereiche berücksichtige: die Grundausbildung der jungen Menschen über das Studium, die gezielte Nachwuchsförderung im Graduierten- oder Postgraduiertenstudium und die Spitzenforschung. Ein solches System muss nicht zwangsläufig astronomische Kosten verursachen. Wenn wir den Vorschlag der Deutschen Forschungsgemeinschaft aufnehmen, die Etablierung von Graduiertenschulen voranzutreiben, kommt man mit Beträgen in der Größenordnung von wenigen hundert Millionen Euro aus. Um die Elite in Forschung und Lehre zu fördern, braucht man unter einer Milliarde Euro zusätzlich. Aber Deutschland muss mehr in die Wissenschaft investieren.

Wie viele Elite- oder Spitzenuniversitäten kann es für eine zusätzliche Milliarde geben?

Die Fixierung auf eine dekretierte Zahl von Eliteuniversitäten ist widersinnig und leistungsfeindlich. Wir brauchen ein System, in dem erkennbar ist, welche Hochschulen über dem Durchschnitt liegen und dann brauchen wir erkennbar eine Gruppe, die zu dem Spitzenbereich gehört. Es wird wenige geben, die auch in der Spitzengruppe ganz oben liegen. Zu den Spitzenuniversitäten in Deutschland gehört eine Gruppe von 15 bis 20 Universitäten, unter denen einige in allen in Frage kommenden Bereichen besonders gut sind.

Wenn Sie von einer so großen Zahl von Spitzenunis ausgehen, dann könnte jeder der 16 Kultusminister für sein Land eine Elitehochschule verlangen.

Es wäre für jedes Bundesland gut, mehrere Spitzenuniversitäten zu haben. Aber wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, dass Spitzenleistungen nach den regionalen Prinzipien des Föderalismus verteilt sind. Sie sind vielmehr ungleichmäßig verteilt.

Wie stellen Sie sich das organisatorisch vor: ein ständiger Aufstieg von Spitzenuniversitäten in den Kreis der Elite – und auf der anderen Seite ein Abstieg in die Regionalliga der Zweitbesten?

Das ist der Kernpunkt. Es ist wichtig, die Universitäten, die schon heute in der Nachwuchsförderung hervorragend sind, besonders zu fördern. Mit Hilfe des Modells der Deutschen Forschungsgemeinschaft, zusätzlich Graduiertenschulen einzurichten, wären gewisse Spitzenuniversitäten identifiziert. 20 oder 25 Hochschulen könnten so ausgezeichnet werden und gesonderte Unterstützung bekommen. Dann muss man ein ähnliches System für die Spitzenforschung entwickeln, um über die Sonderforschungsbereiche hinaus besondere Exzellenzzentren in einzelnen Wissenschaftsbereichen zusammen mit außeruniversitären Forschungsinstituten zu bilden. Als Kooperationspartner bieten sich zum Beispiel Institute der Max-Planck-Gesellschaft an. Solche Exzellenzzentren sollte man durch zusätzliche Lehrstühle oder durch Stipendien für Nachwuchswissenschaftler fördern. Das werden nur wenige Zentren sein. Außerdem brauchen wir ein System, um das Basisstudium für diejenigen zu fördern, die ihre Erstausbildung nachweisbar erfolgreich und kompetent betreiben.

Brauchen die Eliteuniversitäten eine freie Studentenauswahl, ohne an die erschöpfende Nutzung der vorhandenen Kapazitäten gebunden zu sein? Und brauchen sie die Freiheit zur Erhebung von Studiengebühren?

Ich bin dagegen, den Spitzenuniversitäten Privilegien zu geben und ihnen gesonderte Auswahlrechte im Vergleich zu anderen Hochschulen einzuräumen oder von den Studenten Studiengebühren zu erheben. Beides würde bedeuten, ein an Konkurrenz und Leistung orientiertes Wettbewerbsystem auszuschalten. Eine Diskussion über Studiengebühren und das freie Auswahlrecht der Hochschulen ist in diesem Zusammenhang kontraproduktiv. Weder Studiengebühren noch ein freies Auswahlrecht der Hochschulen können dazu beitragen, Qualität zu erzeugen. Eine Besten-Auswahl macht nur bei der Nachwuchsförderung Sinn.

Von der Idee, Eliteuniversitäten aus dem Kreis der normalen Hochschulen herauszulösen und sie privat als Stiftungsuniversitäten zu organisieren, halten Sie nichts?

Unsere staatlichen Universitäten sind äußerst leistungsfähig. Ich kann eine Vielzahl von Universitäten nennen, die in Teilbereichen mit Princeton, Harvard, Stanford oder ähnlichen Hochschulen in den USA konkurrieren können. Wenn Organisationsformen die Hochschulen leistungsfähiger machen, wäre ich der erste, der für andere Organisationsformen eintritt – aber dann für alle. Es macht keinen Sinn, wenn es sich in der Organisationsform einer Stiftungsuniversität besser arbeiten lässt, diese Rechtsform nur denjenigen zu verleihen, die ohnehin schon gut sind. Ich bin völlig offen gegenüber Stiftungsuniversitäten. Aber im Zusammenhang mit den Spitzenuniversitäten in Deutschland ist das die Diskussion am falschen Ort.

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