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Gesundheit: Spot an für die Nanowelt

In Hamburg bauen Forscher einen einzigartigen Laser, mit dem sie Schnappschüsse von Molekülen machen wollen

Am Hamburger Forschungszentrum Desy geht eine Ära zu Ende. Noch bis zum Jahr 2006 werden Wissenschaftler aus aller Herren Länder hierher kommen, um zu erforschen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Dann wird der internationale Tross der Teilchenphysiker in die Schweiz abwandern und dort Experimente für eine noch modernere unterirdische Beschleunigeranlage aufbauen. Deutschlands größtes Forschungsgerät hingegen, der gerade noch einmal aufgerüstete, 6,3 Kilometer lange Teilchenbeschleuniger „Hera“, wird dann aller Voraussicht nach stillgelegt werden. Und das Desy (Deutsches Elektronen-Synchrotron) wird damit nicht mehr sein, was es jahrzehntelang gewesen ist: ein Mekka der Elementarteilchenphysik.

Desy-Direktor Jochen Schneider hat trotzdem gut lachen. Denn soeben hat die Bundesregierung sich bereit erklärt, ein neues wissenschaftliches Großvorhaben an Schneiders Forschungszentrum zu finanzieren: eine weltweit bislang einzigartige Röntgenlaser-Anlage.

Die Wintersonne scheint auf das ehemalige Flughafengelände im Stadtteil Bahrenfeld, und Schneider schließt die Tür zu einem kleinen Forschungsparadies auf. „Das ist ein echter Glücksfall!", sagt er und betritt eine leere, lichtdurchflutete Halle mit großzügiger Galerie und Empore.

Das künftige Labor ist ein Geschenk aus Expo-Tagen. Zur Weltausstellung kamen mehr als 100000 Besucher hierher. Das Land Hamburg ließ sich nicht lumpen, die Visionen der Wissenschaft angemessen zu präsentieren. „Ich habe noch nie zuvor mehr Raum gekriegt, als ich beantragt habe.“

Die schrägen Wände der schmucken Halle laufen auf eine Betonmauer zu, in die eine dicke Metallplatte eingelassen ist. Sie wird bald abgeschraubt, um noch mehr Licht in den Raum zu lassen: für unsere Augen unsichtbares Licht, Röntgenstrahlen.

Hinter der Platte liegt ein 250 Meter langer Tunnel, in dem Schneider und sein Team den ersten Röntgenlaser aufbauen. Er soll hier vom kommenden Jahr an mehrere Experimentierplätze mit Röntgenlicht ausleuchten. Physiker, Chemiker und Biologen können mit diesem Licht Moleküle beobachten und die Funktionsweise von Viren oder Katalysatoren studieren.

Die neue Halle und der 250 Meter lange Testlaser sind die Vorboten jenes großen Umbaus, den das Bundesforschungsministerium soeben mit drei richtungsweisenden Entscheidungen eingeläutet hat. Demnach soll das Desy zur führenden Röntgenlichtfabrik werden. Es wird dazu mit einem 684 Millionen Euro teuren Röntgenlaser ausgestattet, der in den kommenden Jahren vermutlich außerhalb des Forschungsgeländes aufgestellt wird. 120 Millionen Euro kommen noch einmal dazu, um aus dem bereits existierenden Speicherring „Petra“ ebenfalls eine starke Röntgenlampe zu machen.

Dagegen gucken die Teilchenphysiker in die Röhre. Ihr gigantisches Projekt, eine 33 Kilometer lange Partikelrennbahn von Hamburg über Ellerhoop nach Westerhorn, hat kaum noch Chancen auf eine Realisierung. Die Bundesregierung schreckt vor den enormen Kosten von etwa 3,5 Milliarden Euro zurück. Denn auch wenn sie bei starker internationaler Beteiligung nur die Hälfte davon aufbringen müsste, würde dies den Ausbau anderer Forschungsbereiche über Jahre hinweg blockieren.

Dabei haben sich die Teilchenphysiker am Desy bemüht, den Gutachtern das Milliardenprojekt so schmackhaft wie möglich zu machen. Sie haben unter anderem mit einem in die Rennstrecke integrierten Röntgenlaser dafür geworben. Das Gutachtergremium, der Wissenschaftsrat, fand den Röntgenlaser aber schließlich so attraktiv, dass er das Desy dazu aufforderte, für den Röntgenlaser eine separate Projektstudie auszuarbeiten. Und nur die bekam nun den Zuschlag.

Mit der Genehmigung für den Laser tritt die interdisziplinäre Forschung mit Röntgenstrahlung endgültig aus dem Schatten der Teilchenphysik heraus. „So etwas geschieht in den besten Familien“, sagt Schneider. „Da kann man nur hoffen, dass der Vater einen laufen lässt." Er wird. Denn dem Desy eröffnen sich damit neue Perspektiven.

Schon jetzt profitieren jährlich 2200 Forscher von jener Strahlung, die die Teilchenbeschleuniger während des Betriebs abgeben. In den Speicherringen „Doris“ und „Petra“ werden Elektronen auf rasante Geschwindigkeiten beschleunigt. Immer wenn sich die Elektronen in die Kurve legen, gibt es jedoch Bremsverluste: In jeder Biegung strahlen die Elektronen hochenergetisches Licht ab.

Mit dem Licht analysieren Wissenschaftler heute Werkstoffe und Biomoleküle. So deckten Forscher der Max-Planck-Gesellschaft an Desys kleinem Speicherring „Doris“ unter anderem die komplexe Gestalt der Motorproteine auf, jener Eiweißmoleküle, die die Nähr- und Botenstoffe innerhalb der Zelle transportieren. Sie entschlüsselten zudem den Aufbau des Proteasoms (siehe Bild), eines Molekülkomplexes, der in lebenden Zellen als Müllschlucker fungiert.

Der größere Speicherring „Petra“, der bislang vor allem die Teilchenphysik-Anlage „Hera“ füttert, wird nun zu einer effizienteren Lichtquelle ausgebaut. Eine noch bessere Lampe verspricht der Röntgenlaser zu werden. Denn mit ihm lässt sich das Licht nicht nur besser bündeln. Die Wellenlänge der von ihm ausgesandten Lichtblitze ist so klein, dass man mit dem Röntgenlaser – ähnlich wie mit einer Stroboskop-Kamera – Veränderungen auf molekularer und atomarer Ebene zeitlich verfolgen kann.

„Wir möchten Biomoleküle mit einem einzigen Laserschuss abbilden“, sagt Schneider. Ein ehrgeiziges Ziel. Bisher müssen solche Moleküle kristallisiert, also verfestigt werden, damit sie der intensiven Strahlung widerstehen und sich ablichten lassen. Dank der extrem kurzen Lichtblitze wird sich der Blick in die Nanowelt weiten. Moleküle können dann fotografiert werden, ehe sie die Gelegenheit haben, auseinander zu brechen.

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