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Gesundheit: Sprengstoff für die Unis

In Berlin betreiben linke Kräfte die Schwächung der Universitätspräsidenten – mit Erfolgsaussichten

In der kommenden Woche kann in der Technischen Universität Berlin eine Mine hochgehen. Eine Mine, die als Sprengstoff eine viertelparitätische Besetzung des satzunggebenden Gremiums enthält. Warum ist die Viertelparität eine Mine? Führende Vertreter der Wissenschaft und der Wirtschaft sind der Überzeugung, dass die Viertelparität einem Rückfall in die Zeit der politisierten Universität gleichkommt. Unter diesen Bedingungen könne der Erfolgskurs der Berliner Universitäten nach der Wiedervereinigung nicht fortgesetzt werden. Mit diesen Argumenten haben die Universitätspräsidenten den Regierenden Bürgermeister zu überzeugen versucht.

Bisher galt es als sicher, dass Klaus Wowereit die Viertelparität verhindern wird. Die Universitätspräsidenten hatten erklärt, dass sie die Sparauflagen in den neuen Hochschulverträgen für die Jahre 2006 bis 2009 nur akzeptieren könnten, wenn die Universitäten entscheidungsstarke Gremien behielten. Die Politiker sollten daher auf Experimente mit der Viertelparität verzichten.

Bleibt es dabei wirklich? An der TU fährt der Zug gerade in die entgegengesetzte Richtung. Denn die Uni will als Nachzüglerin gegenüber der Humboldt-Universität und der Freien Universität eine Reformsatzung beschließen. Diese Gelegenheit wollen die Studenten und mit ihnen die linke Reformfraktion dazu nutzen, die Viertelparität für das satzunggebende Gremium zu verankern. Das haben die Konservativen und die Liberalen in der ersten Runde der Beratungen mit 17 gegen sieben Stimmen im Akademischen Senat verhindert. Am Mittwoch wird diese Frage im Kuratorium entschieden. In diesem 22-köpfigen Gremium herrschen jedoch ganz andere Mehrheitsverhältnisse. Denn das Kuratorium ist nach Art des Rundfunkrats als politisches Gremium konzipiert.

TU-Präsident Kurt Kutzler teilt mit: Ihm gegenüber habe Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS) angekündigt, zusammen mit dem PDS-Abgeordneten Benjamin Hoff für die Viertelparität zu stimmen. Die Viertelparität entspreche seiner Vorstellung von einer demokratischen Hochschule. Diese Überzeugung teilt auch Lisa Paus von den Grünen. Wie sich der SPD-Abgeordnete Christian Gaebler verhalten wird, ist ungewiss. Während des Studentenstreiks engagierte er sich für die Viertelparität.

Bisher gilt es als Regel, dass die vier Vertreter des Berliner Senats im Kuratorium nicht entgegengesetzt abstimmen. Wenn also Wissenschaftssenator Flierl für die Viertelparität stimmt, könnte im besten Falle dabei herauskommen, dass sich die Senatoren für Finanzen, Inneres und Stadt/Umwelt der Stimme enthalten. Kutzler rechnet jedoch damit, dass die beiden Gewerkschaftsvertreter ebenfalls für die Viertelparität votieren werden und fünf Vertreter der linken Reformfraktion aus der TU ohnehin. Der TU-Präsident glaubt nicht, dass er mit den zwei Stimmen der Arbeitgeber, des CDU- und des FDP-Abgeordneten sowie zweier Konservativer aus der TU eine Mehrheit im Kuratorium gewinnen kann, um die Viertelparität zu verhindern.

Die Viertelparität beendet die absolute Mehrheit in den Gremien und schafft eine prinzipielle Gleichberechtigung zwischen den vier Gruppen: dem Personal, den Studenten, den wissenschaftlichen Mitarbeitern und den Professoren. Diese Gleichberechtigung gilt zunächst nur für das Gremium, das die Satzung für eine Universität beschließt. Dieses Gremium ist entweder das Konzil oder der erweiterte Akademische Senat. Unter den besonderen Berliner Bedingungen kann jedoch eine viertelparitätische Besetzung des satzunggebenden Gremiums wie in einem Schneeballsystem die Viertelparität auch auf den Akademischen Senat und die Fachbereichsräte übertragen. Denn das Hochschulgesetz lässt Reformsatzungen zu und überantwortet so die Zusammensetzung der Gremien den Unis. Das Konzil kann also über die Satzung entscheiden, wie der Akademische Senat, der Fachbereichsrat oder das Kuratorium zusammengesetzt sein sollen.

Um Reformsatzungen in Kraft zu setzen, ist ein komplizierter Weg einzuschlagen: Der Akademische Senat erarbeitet einen Entwurf für eine Reformsatzung und leitet diesen an das Kuratorium weiter. Im Kuratorium entscheiden Vertreter des Berliner Senats, des Abgeordnetenhauses, der Gewerkschaften und Arbeitgeber sowie eine Frauenbeauftragte und ein Umweltbeauftragter zusammen mit acht Vertretern der Universität in der zweiten Runde über die Reformsatzung.

Das Kuratorium kann den Vorschlag des Akademischen Senats ändern. An der TU ist es schon fast Tradition geworden, dass die linke Fraktion Mehrheitsentscheidungen des Akademischen Senats im Kuratorium mit Hilfe linker Abgeordneter und Gewerkschaftsvertreter ablehnt. So ist es bei der Neugliederung der TU in Fakultäten geschehen.

Auch bei Satzungsentscheidungen hat das Kuratorium eine Teilzuständigkeit. Es könnte die Viertelparität zu einer Auflage machen: Dann verweist das Kuratorium den Satzungsentwurf zur Beratung an den Akademischen Senat zurück oder es leitet den Entwurf gleich an das Konzil mit der Empfehlung weiter, die Viertelparität zu ermöglichen.

In beiden Fällen ist der Konflikt mit der TU programmiert. Sowohl im Akademischen Senat als auch im Konzil haben die Konservativen und Liberalen eine große Mehrheit gegenüber der linken Reformfraktion. Unter den 61 Mitgliedern des Konzils stellen die Konservativen und Liberalen 38 Mandatsträger. TU-Präsident Kutzler ist entschlossen, den Vorschlag der Viertelparität – sollte er vom Kuratorium beschlossen werden – im Konzil scheitern zu lassen. Damit wäre die Viertelparität aber noch nicht vom Tisch. Denn eine Reformsatzung bedarf nach dem Gang durch die Gremien der Genehmigung durch den Wissenschaftssenator. Und dieser ist entschlossen, die Viertelparität im neuen Hochschulgesetz zu verankern. Hindern könnte ihn daran nur der Koalitionspartner, die SPD. Die SPD ist jedoch in dieser Frage ein unsicherer Kantonist. Nur ein Machtwort des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit könnte die Viertelparität stoppen.

Die Universitätspräsidenten plagt noch eine weitere Sorge. Im Jahr 2006 wird das Abgeordnetenhaus neu gewählt. Nach den derzeitigen Meinungsumfragen könnte die SPD nur dann wieder eine Regierung bilden, wenn sie mit der PDS und den Grünen zusammen eine Dreierkoalition bildet. Die PDS und die Grünen aber wollen die Viertelparität.

Sollte die TU die Viertelparität in den Gremien ablehnen und die Humboldt-Universität am 21. Juni im Konzil einen vergleichbaren Antrag linker Studenten verwerfen, könnten sich die Politiker zum Handeln aufgerufen fühlen. Ihr Argument: Die Mehrheiten in den Gremien müssten geändert werden, weil sie der Demokratie keine Chance böten. Das wäre eine Steilvorlage für linke Abgeordnete, in einem neuen Hochschulgesetz die Viertelparität zu ermöglichen – sei es im Winter 2005 oder nach den Neuwahlen im Jahr 2006.

Uwe Schlicht

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