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Gesundheit: Studieren in Berlin: Hauptstadt der Langzeitstudenten

Berlins Universitäten haben besonders viele Langzeitstudenten. Rund jeder achte Student (12,1 Prozent) studiert hier 15 Semester oder mehr.

Berlins Universitäten haben besonders viele Langzeitstudenten. Rund jeder achte Student (12,1 Prozent) studiert hier 15 Semester oder mehr. Das sind erheblich mehr als in anderen Bundesländern. Bundesweit liegt der Durchschnitt an Universitäten bei 8,6 Prozent.

Langzeitstudenten haben heutzutage einen schlechten Ruf. Während in der Vergangenheit eine lange und gründliche Ausbildung eher als Gütezeichen galt, werden sie heute oft als Bummelanten und Systemschädlinge angefeindet. Auch in Berlin können die Langzeitstudenten künftig mit einer Gebühr von 1000 Mark pro Semester zur Kasse gebeten oder damit für ihr Verweilen bestraft werden, sofern sich Senator Christoph Stölzl mit diesen Plänen im Hochschulgesetz durchsetzt.

Doch welche Gründe führen zum längeren Studium? Ein Auszug aus der bundesweit repräsentativen Sozialerhebung des Hochschulinformationssystems (HIS) und des Deutschen Studentenwerks gibt Aufschluss. Viele Ursachen liegen nach wie vor bei den Universitäten selbst. Auch das Geld spielt eine Rolle: Ärmere Studenten trifft es deutlich häufiger. Wer länger studiert, hat zudem öfter als andere einen studienbedingten Auslandsaufenthalt oder einen Hochschulwechsel aufzuweisen.

Berlin scheint besonders für mobile Studenten attraktiv zu sein. Mehr als jeder dritte Berliner Langzeitstudent hat schon im Ausland studiert - deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt mit 26,7 Prozent der länger Studierenden. 42,8 Prozent der Berliner Langzeitstudenten haben zumindest einmal die Hochschule gewechselt. Auch dies sind klar mehr als der Bundesdurchschnitt von 32,4 Prozent.

Mobilität fordern Wirtschaft und Politik in den letzten Jahren eindringlich von den jungen Leuten, denn was bei Auslandsaufenthalten an Fremdsprachen und über fremde Kulturen gelernt wird, ist ein gefragtes Wissen und für hochqualifizierte Arbeiten inzwischen häufig Voraussetzung. Natürlich braucht man für einen Aulandsaufenthalt auch Zeit. Doch will man das bestrafen? Es liegt überdies an Politik und Hochschulen, die administrativen und finanziellen Hürden dafür abzubauen, um so die Fehlzeiten als Folge zu verkürzen. Das ist in der Vergangenheit kaum gelungen.

Häufigste Ursache für längere Studienzeiten ist der Wechsel des Studiengangs - in Berlin für mehr als jeden zweiten Langzeitstudent. "Das zeigt den Bedarf der Studenten an rechtzeitiger Studienberatung", sagt der Präsident des Deutschen Studentenwerks, Hans-Dieter Rinkens. Damit könnte mancher Fachwechsel unnötig werden und andere wären viel früher möglich. Doch warum dauert das Studium in Berlin länger? Die hochschulinternen Ursachen werden deutlicher, wenn man die Verteilung nach Fachbereichen betrachtet: Mit 43,6 Prozent entfällt in Berlin der größte Teil der Langzeitstudenten auf die Sprach- und Kulturwissenschaften, die an allen drei Berliner Universitäten vertreten sind. Dieser hohe Anteil ist eine Berliner Besonderheit, denn bundesweit sind das nur 33 Prozent. Auch die Natur- und Ingenieurwissenschaften sind mit einem Anteil von 30 Prozent in Berlin überproportional vertreten.

In der Medizin sowie den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften wird deutlich zügiger studiert. Nur 6,4 Prozent der Langzeitstudenten studieren Medizin, 7,1 Prozent Rechts- oder Wirtschaftswissenschaften. Und auf die Sozialwissenschaften, die Psychologie und Pädagogik - früher berüchtigt für einen Mangel an beruflichen Perspektiven und daher schleppendem Studienverlauf - entfallen insgesamt nur knapp 13 Prozent. Bei den Fächern mit längerer Studiendauer wird ein Blick auf die Studienangebote und -anforderungen weitere Ursachen enthüllen. Sofern diese Anforderungen sich nicht begründen lassen, müssen sie entfallen. Organisatorische Verbesserungen können weitere Verzögerungen beheben.

Wichtige Ursache für Verzögerungen sind auch Studienunterbrechungen. Fast jeder zweite der Langzeitstudenten (45,5 Prozent) hat dies mindestens ein Mal getan. Bedenklich ist, dass dafür der häufigste Grund finanzielle Probleme sind - in Berlin wie andernorts. Zweitwichtigster Grund sind Zweifel am Sinn des Studiums bei fast jedem Dritten. Auch dagegen wäre durch rechtzeitige Beratung etwas zu machen. Diesen Sinnzweifel haben ehemalige Bafög-Empfänger allerdings mit 21 Prozent deutlich seltener als die Allgemeinheit. Bei mehr als jedem vierten länger Studierenden sind gesundheitliche Probleme ausschlaggebender Grund für die Unterbrechung. Bei Krankheit in Prüfungszeiten gehen schnell einige Semester verloren.

Und auch das Geld spielt eine Rolle. Ärmere Studenten brauchen relativ häufiger eine Verlängerung als Kinder wohlhabender Eltern. Das gilt in Berlin wie auch bundesweit. So kommen nur 8,3 Prozent der Berliner Universitäts-Studenten aus der untersten sozialen Schicht (vier Kategoerien), bei den Langzeitstudenten sind es 13,4 Prozent. Auch aus der mittleren Schicht kommen 22,1 Prozent aller Berliner Universitätstudenten, im Langzeitstudium 23,9 Prozent. Insgesamt bekam danach fast jeder fünfte der Universitätsstudenten zuvor Bafög. Doch ihr Anteil an den Langzeitstudenten liegt mit 36,1 Prozent deutlich höher. Bei den höchsten Einkommenskategorien liegt der Anteil der Langzeitstudenten dagegen niedriger als ihr Anteil an allen Studenten. So kommen 43,6 Prozent aller Studenten aus der höchsten Einkommensgruppe und stellen 37,3 Prozent der Langzeitstudenten.

DSW-Präsident Rinkens empfiehlt als Strategie zur Studienzeitverkürzung "helfen statt strafen". Beratung ist nötig. Eine solide Studienfinanzierung würde gegen den größten Anteil der Studienverlängerungen helfen. Besonders wichtig ist daher die Absicht der Bundesregierung, mit der Bafög Reform vom Wintersemester an wieder eine Studienabschlussförderung einzuführen. Denn wenn für diese Phase das Geld fehlt, zieht sich das Studium unkalkulierbar in die Länge. Und in der Prüfungsphase kann man eben nicht jobben. Eine Studienabschlussförderung in Form eines zinsgünstigen Darlehens, wie vom Studentenwerk vorgeschlagen, könnte dies abkürzen. Rinkens: "Solche Hilfe würde nicht nur die amtliche Studentenstatistik gefälliger gestalten, sie würde auch zum Studienerfolg führen".

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