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Gesundheit: Umweltschutz: Gefahr liegt in der Luft

Was die aktuelle Debatte um den Benzinpreis nicht vermuten lässt: Autofahren müsste eigentlich deutlich teurer sein. Zumindest wenn die Kosten, die durch gesundheitliche Folgen der Luftverschmutzung entstehen, den Verursachern in Rechnung gestellt würden.

Was die aktuelle Debatte um den Benzinpreis nicht vermuten lässt: Autofahren müsste eigentlich deutlich teurer sein. Zumindest wenn die Kosten, die durch gesundheitliche Folgen der Luftverschmutzung entstehen, den Verursachern in Rechnung gestellt würden. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls eine Dreiländer-Forschergruppe unter der Federführung von Nino Künzli vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Basel. Bei der Analyse von Daten aus der Schweiz, Frankreich und Österreich, die jetzt im Medizinerblatt "Lancet" (Band 356, Seite 795) veröffentlicht wurde, kamen sie zu dem erschreckenden Fazit, dass sechs Prozent aller Todesfälle auf die Verschmutzung der Luft zurückzuführen sind. Das sind in den drei Ländern 40 000 Menschenleben.

Etwa die Hälfte der Todesfälle rechnen sie der Verschmutzung durch den motorisierten Verkehr zu. Der Schadstoffausstoß der Kraftfahrzeuge ist außerdem nach den Hochrechnungen der Gesundheitsforscher auch für 25 000 neue Fälle von chronischer Bronchitis bei Erwachsenen, mehr als 290 000 bronchitische Erkrankungen bei Kindern und mehr als eine halbe Million Asthmaanfälle pro Jahr die Ursache. Außerdem gehen 16 Millionen Fehltage auf das Konto der motorbedingten Verschlechterung der Luft. Etwa 1,7 Prozent des Bruttosozialprodukts müsse für schadstoffbedingte Gesundheitskosten aufgewandt werden.

Da die Wissenschaftler nicht alle Schadstoffe berücksichtigen konnten und Überschätzungen vermeiden wollten, die durch die Addition von Einzelfaktoren zustande kommen könnten, beschränkten sie sich bewusst auf Partikel mit einem Durchmesser bis zu einem Hundertstel Millimeter Durchmesser, die als feiner Staub eingeatmet werden. Um die gesundheitlichen Auswirkungen der Luftverschmutzung im Untersuchungsgebiet zu ermitteln, setzten sie drei Arten von Daten in Beziehung: Da sind zunächst schon vorhandene Ergebnisse von Studien aus aller Welt, die die Verschmutzung der Luft mit Partikeln der genannten Größe und die Häufigkeit von Atemwegs- und Lungenerkrankungen aufeinander beziehen. Auf dieser Basis dienten die tatsächlichen Erkrankungszahlen in Europa, wie sie verschiedenen Registern entnommen werden können, und Messungen der genannten Feinstpartikel in bestimmten Regionen als Berechnungsgrundlage.

EU-Richtlinie zu Feinstaub

Im nächsten März wird eine EU-Richtlinie zu feinem Staub in Kraft treten. Wie Axel Friedrich, Leiter der Abteilung Umwelt und Verkehr beim Umweltbundesamt in Berlin, sagte, wird heute in praktisch allen großen Städten Europas der darin vorgesehene Richtwert jedoch überschritten. Wie politisch darauf reagiert werden soll, sei noch völlig offen. In der EU kommt inzwischen auf zwei Einwohner ein PKW. Der technische Chemiker betont, dass seine Behörde die Grundaussage der "Lancet"-Studie mit trage: Feinpartikel haben große Bedeutung für die Gesundheit und verursachen immens hohe Kosten.

Bedauerlich ist aus seiner Sicht allerdings, dass das Problem der noch feineren Rußpartikel, die zum Beispiel bei der Verbrennung von Diesel entstehen, bei der vorliegenden Studie außer Acht gelassen wird. Diese ultrafeinen Partikel können die Zellwand durchstoßen und aus der Lunge auch in den Blutkreislauf gelangen. Sie stehen im Verdacht, nicht nur die Lungen zu schädigen, sondern auch Krebs zu erregen. Friedrich fordert spezielle Rußfilter, mit denen in Berlin die BVG-Busse auf Initiative des Umweltbundesamtes schon ausgestattet sind, für alle Lastwagen und Busse.

In einem Kommentar in der selben Ausgabe des "Lancet" wird denn auch die Hoffnung ausgesprochen, dass der neuen Studie nicht das gleiche Schicksal beschieden sei wie früheren Einschätzungen und Kosten-Nutzen-Rechnungen zur Umweltverschmutzung: Als "langweilige technische Reports" würden die nämlich üblicherweise nur von wenigen Fachleuten zur Kenntnis genommen. Die aktuelle Debatte um die Ökosteuer bietet eigentlich die Chance, dass das sich ändert. Falls nicht nur Benzinpreise in der Lage sind, die Gemüter zu bewegen, sondern auch die Notwendigkeit der Schadstoffreduzierung.

Adelheid Müller-Lissner

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