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Gesundheit: Unis auf dem Markt

Bislang herrschte im Hochschulwesen das Ideal der Gleichheit. Das soll sich jetzt ändern

Deutschlands Wissenschaft steckt inmitten eines gewaltigen Umbruchs. Lange war es das politische Ziel, dass sich die Hochschullandschaft durch Gleichheit auszeichnen sollte. So wie es keinen Unterschied macht, ob man McDonalds in Sidney oder in Saarbrücken aufsucht, sollte es auch keinen Unterschied machen, ob jemand an der Uni Passau oder an der Uni Kiel studiert. Doch das Prinzip der Ladenketten, überall gleiche Qualität zum gleichen Preis zu liefern, erodiert, wenn es um die Hochschulen geht. Wer oben in der Welt mitspielen will, kann das Geld nicht gleichmäßig verteilen, lautet das Argument. Das deutsche Hochschulwesen müsse Prioritäten setzen.

„Going Global. Die Universitäten vor neuen nationalen und internationalen Herausforderungen“ lautete der Titel des großen Symposiums, zu dem sich am Mittwoch und Donnerstag über 500 Experten in Berlin versammelten, um über die neuen Entwicklungen zu diskutieren. Eingeladen hatten die Hanns Martin Schleyer-Stiftung, die Heinz Nixdorf Stiftung und die Freie Universität.

Hatten unlängst Wissenschaftler ihre Sorge ausgedrückt, die Masse der Hochschulen werde in dieser Dynamik „proletarisch auf den Hund kommen“ (so die Hochschulforscherin Barbara Kehm) und Deutschland werde bald eine „Unterschichtendebatte“ um seine Hochschulen führen (so der Politologe Herfried Münkler), gab sich Margret Wintermantel, die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, zuversichtlich. Deutschland habe viel zu lange an der „Fiktion“ festgehalten, dass alle Hochschulen gleich gut seien, sagte sie in Berlin. In Zeiten knapper Kassen sei es für die Hochschulen überlebensnotwendig, sich zu konzentrieren.

Auch Reinhart Thümer, Präsident der Technischen Fachhochschule Berlin (TFH), ist optimistisch. Es würden sich bald zwei Typen von Hochschulen herausbilden: einige Spitzenuniversitäten würden allen übrigen Universitäten und den Fachhochschulen gegenüberstehen. „Der Wettbewerb wird richten, wer sich in dieser zweiten Gruppe durchsetzt“, sagte Thümer – offensichtlich zuversichtlich, dass die Fachhochschulen gute Chancen haben, so manche Universität auszustechen. Dass Differenzierung auch zu Hierarchisierung führt, betonte Christoph Badelt, Präsident der Österreichischen Rektorenkonferenz: „Es werden nicht alle glänzen können.“

Die Geisteswissenschaften müssen diesen Prozess nicht fürchten, sagte Friedrich Wilhelm Graf, Theologe an der LMU München. In der globalisierten Welt seien vielmehr die Geisteswissenschaften mehr denn je gefragt – nur sie hätten die nötige „kulturelle Deutungskompetenz“, ohne die auch Unternehmen wenig auf den Weltmärkten ausrichten könnten.

Debra W. Stewart, die Präsidentin des Rats der US-Graduate Schools, warnte davor, in einer immer ausdifferenzierteren Hochschullandschaft Unis als Ganzes bewerten zu wollen. Die USA seien schon vor einiger Zeit dazu übergegangen, nur noch einzelne Fächer miteinander zu vergleichen. Anders könne man der geradezu explosionsartig steigenden Zahl von Hochschulen – über 4000 – nicht gerecht werden. Mit seinen neuen Studienabschlüssen sei Deutschland auf dem richtigen Weg zu mehr Internationalisierung. Einer neuen Untersuchung zufolge sei die Akzeptanz des europäischen Bachelor-Abschlusses an US-Unis so hoch wie nie zuvor. Nur noch 18 Prozent der Graduate Schools würden sich weigern, europäische Studierende nach dem nur dreijährigen BA-Studium für ein Masterstudium zuzulassen. Vor drei Jahren waren es noch 30 Prozent.

Für die deutschen Hochschulen bleiben aber noch genug Hürden zur ersehnten Internationalisierung. Hans N. Weiler, ehemaliger Präsident der Stanford-Universität und der Viadrina in Frankfurt/Oder, sagte, zu einer internationalen Universität werde man nicht, „indem man einige englischsprachige Lehrveranstaltungen anbietet, ein Büro in Singapur hat und möglichst viele Ausländer zulässt, ohne darauf zu achten, dass sie auch erfolgreich zum Ziel kommen“. Die Betreuung von Ausländern an den deutschen Hochschulen sei eine „politische und menschliche Katastrophe“. Auch könnten Unis in einem Umfeld, „in dem Fremdartigkeit auf Feindseligkeit stößt“, nicht hoffen, international zu werden.

Wolfgang Herrmann, Präsident der TU München, sieht die größten Probleme beim Geld. Pro Jahr bekomme seine Uni pro Student 14 000 Euro vom Staat, die ETH Zürich 42 000 Euro. „Ich fordere allein von Bayern in den nächsten fünf Jahren eine zusätzliche Milliarde allein für Personal. Sonst haben wir die Schlacht verloren.“ Bestimmte Professoren völlig von der Lehre zu befreien, um ihnen mehr Raum für die Forschung zu geben, lehnte Herrmann vehement ab. „Ich kann diesen Unsinn nicht mehr hören“, sagte er unter dem Applaus der Zuhörer. Professoren ohne Lehre seien „Verrat“ an der Idee der Universität: „Wer nicht lehren will oder kann, soll doch an der Max-Planck-Gesellschaft forschen.“

Herrmann plädierte dafür, gerade von ausländischen Studierenden hohe Gebühren zu verlangen. Dem widersprach FU-Präsident Dieter Lenzen. Deutschland sei auf ausländische Studierende angewiesen. Ein Chinese, der in Deutschland 100 000 Euro für ein Medizinstudium zahlen müsse, bleibe lieber gleich in Schanghai. Deutschland müsse Spitzentalente mit Stipendien und Bleibeperspektiven locken, sagte Weiler. Von der Mehrheit der Ausländer, die aber ebenfalls ausgesucht werden müssten, könne man durchaus Gebühren verlangen.

International ungewöhnlich und auch abschreckend für Forscherinnen aus dem Ausland ist der kleine Anteil von Frauen in Spitzenpositionen der deutschen Wissenschaft, stellte das Podium übereinstimmend fest. In Stanford hätten Fachbereiche, die ihre Professuren mit Frauen besetzen, nur die Hälfte der Kosten tragen müssen, berichtete Weiler. „Sie glauben gar nicht, was das bewirkt hat.“

Werden die deutschen Hochschulen die vielen Herausforderungen stemmen? Weiler ist angesichts der Größe der Aufgabe und der knappen Finanzen skeptisch: „Die Konkurrenz schläft ja nicht.“

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