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Gesundheit: Unter Protest der Präsidenten

Berlins Universitäten verlieren 75 Millionen Euro. 12000 Studienplätze sind gefährdet. Die Rektoren stellen sich quer

Nicht um 300 Millionen Euro pro Jahr, wie zuletzt von Finanzsenator Thilo Sarrazin gefordert, sondern um 131 Millionen Euro soll der Etat der Berliner Universitäten bis 2009 sinken. Politiker der Regierungskoalition bewerten dieses Ergebnis der Sparklausur des Berliner Senats positiv. Die Priorität für Hochschulen und Wissenschaft in Berlin scheint ihnen auch für die Zukunft gewahrt zu sein. Es geht um die Hochschulverträge für die Jahre 2006 bis 2009 und gleichzeitig um die Frage, ob in der mittelfristigen Finanzplanung die Hochschulverträge für die Jahre 2003 bis 2005 trotz des Haushaltsnotstandes unbeschädigt bleiben.

Nach der Sparklausur sind jedenfalls Überlegungen vom Tisch, durch die Haushaltsnotlage sei die Geschäftsgrundlage für die Hochschulverträge entfallen. Die geltenden Hochschulverträge bis zum Jahr 2005 bleiben nach Auskunft der Wissenschaftsverwaltung unangetastet. Bei den neuen Verträgen für die Jahre 2006 bis 2009 wird jedoch gespart. Sind die Einsparungen so massiv, dass die Schmerzgrenze überschritten wird?

Im Vergleich zum Ausgangsjahr 2003 wird der Staatszuschuss für die drei Universitäten um 75 Millionen Euro gesenkt. Diese Summe entspricht jedoch nur scheinbar dem letzten Angebot der drei Universitätspräsidenten an den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit. Denn die Präsidenten gingen davon aus, dass sie über die 75 Millionen Euro hinaus keine weiteren Belastungen durch Tarifsteigerungen und durch immer höher werdende Zahlungen für Pensionen und Beihilfen zu tragen hätten.

Humboldt fürchtet um 500 Stellen

Was genau ist bei der Sparklausur herausgekommen? Zu der Basisabsenkung von 75 Millionen Euro rechnen die Universitäten mit einer weiteren Belastung für die Altersversorgung, Tarifsteigerungen und für den Aufbau von Studienplätzen an den Fachhochschulen in Höhe von 56 Millionen Euro. 2009 haben die Universitäten damit 131 Millionen Euro weniger im Haushalt. Alle drei Universitätspräsidenten sagen, dass sie unter diesen Bedingungen neue Hochschulverträge nicht unterzeichnen wollen.

Wie soll man nun das Ergebnis der Sparklausur bewerten? Auf den ersten Blick scheinen die drei Berliner Universitäten mit einem „blauen Auge“ davon gekommen zu sein. Eine entscheidende Frage ist aber, wie sich die Sparsumme von 131 Millionen Euro auf die Zahl der Studienplätze auswirken wird. Mit dem Wissenschaftsrat waren 85 000 Studienplätze in Berlin vereinbart worden. Klaus Wowereit hatte sich bis zuletzt dazu bekannt. Diese Zahl lässt sich nach Hochrechnungen von Experten nun nicht mehr halten. Im besten Fall werden es in den Jahren 2006 bis 2009 nur 82000 Studienplätze sein. Aber auch diese Summe steht auf tönernen Füßen. Denn eigentlich werden durch die Sparsumme 12000 Studienplätze gefährdet. 131 Millionen Etatkürzung entsprechen nämlich einer Streichung von 1600 Stellen an den Universitäten.

Damit es nicht zu einem Einbruch bis auf 73000 Studienplätze kommt, müssten folgende Voraussetzungen erfüllt werden: Die 1600 Stellen wären allein in der Verwaltung zu streichen, und nicht beim wissenschaftlichen Personal. Ein erheblicher Teil der Studienplätze müsste von den Universitäten auf die Fachhochschulen verlagert werden. Und es müssten neue, bisher nicht berücksichtigte Studienplätze in die Rechnung einbezogen werden. Der Senat geht von diesen Voraussetzungen aus, in der Wissenschaftsverwaltung jedoch ist man skeptisch.

Die Universitätspräsidenten glauben schon heute nicht, dass die 1600 Stellen allein in der Verwaltung aufgebracht werden können. Für die Humboldt-Universität sieht Präsident Jürgen Mlynek die Gefahr, dass bei dem Verlust von 500 Stellen in Mitte jede vernünftige Strukturplanung unmöglich wird. Denn dann könnten die meisten frei werdenden Stellen nicht wieder besetzt werden, und die wissenschaftliche Entwicklung werde vom Zufall abhängig.

Der Präsident der Technischen Universität, Kurt Kutzler, spricht von einem Irrtum der Politiker, denn an der TU sei das Personal nicht nur in der Verwaltung beschäftigt, sondern auch in der Wartung von Forschungsgeräten. „Von den 2000 Stellen für das Personal sind an der TU allein 900 im technischen Bereich tätig. Das Personal in den Ingenieurwerkstätten und den naturwissenschaftlichen Labors ist für eine Technische Universität unverzichtbar.“

Unis wollen nachverhandeln

Zurück zu den Studienplätzen: Die Politiker erwarten, dass genügend Studienplätze von den Unis an die Fachhochschulen verlagert werden, wo die Ausbildung kostengünstiger sein soll. Die Fachhochschulen bekommen auch über einen anderen Weg mehr Studienplätze. In den bisherigen Hochschulverträgen waren Zuschüsse an die Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege nicht enthalten. Deswegen wurden auch die dortigen Studienplätze nicht in die Summe von 85000 einbezogen. In die neuen Verträge vom Jahr 2006 an kommen 3000 Studienplätze nun hinein, die für die Fachhochschule für die Berufsakademie veranschlagt werden. Auf all diesen Hoffnungen und Veränderungen basiert die künftige Gesamtzahl von 82000 Studienplätzen in Berlin.

Resümee: Da die künftigen Hochschulverträge für die Jahre 2006 bis 2009 einen massiven Personalabbau und einen Verzicht von Studienplätzen bringen werden, wollen die Universitätspräsidenten auf derartige Festlegungen nicht eingehen. Sie fordern Nachverhandlungen mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit.

„Wie will der Staat bei einer Sparsumme von 131 Millionen Euro den Wissenschaftsstandort Berlin aufrecht erhalten?“, fragt HU-Vizepräsident Heinz-Elmar Tenorth. Der neue Präsident der Freien Universität, Dieter Lenzen, erklärte gegenüber dem Tagesspiegel: „Ohne Hochschulverträge würden sich die Universitäten in Berlin nicht mehr selbst steuern. Künftig müsste dann jede Einzelentscheidung von der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung getroffen werden. Und die ist dazu nicht mehr in der Lage.“

Uwe Schlicht

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