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Gesundheit: Unternehmer für Umweltstandards mit Preis bedacht

Der diesjährige Deutsche Umweltpreis der Bundesstiftung Umwelt geht zu gleichen Teilen an den Bionik-Professor Wilhelm Barthlott und den Textilunternehmer Klaus Steilmann. "Beide haben sich um umweltverträgliche Produkte und Verfahren verdient gemacht", begründete Fritz Brickwedde, Generalsekretär der Stiftung, die Wahl.

Der diesjährige Deutsche Umweltpreis der Bundesstiftung Umwelt geht zu gleichen Teilen an den Bionik-Professor Wilhelm Barthlott und den Textilunternehmer Klaus Steilmann. "Beide haben sich um umweltverträgliche Produkte und Verfahren verdient gemacht", begründete Fritz Brickwedde, Generalsekretär der Stiftung, die Wahl. Barthlott erhielt den Preis für seine Forschungen zu Lotos-Blättern, Klaus Steilmann für die Umweltstandards, die er in die Textilbranche einführte. Der insgesamt mit einer Million Mark dotierte Preis wird Ende Oktober in Weimar von Bundespräsident Johannes Rau an die Gewinner übergeben.

Der Biologe Wilhelm Barthlott ist Direktor des Botanischen Instituts und des Botanischen Gartens der Universität in Bonn. Mitte der siebziger Jahre hatte er damit begonnen, die Oberfläche von Blättern der Lotos-Blume näher zu erforschen. Lotos-Blätter bleiben auch dann trocken, wenn die Pflanze zuvor unter Wasser getaucht worden ist. Doch nicht nur Wasser, selbst Alleskleber, Honig oder Farbe tropfen von den handgroßen Blättern restlos ab. "Erst dachten wir, die Oberfläche der Blätter wäre superglatt", erklärte Wilhelm Barthlott. "Dann fanden wir heraus, dass die Pflanze im Laufe von Jahrmillionen eine mikroskopisch feine Oberflächenstruktur für ihre Blätter entwickelt hat."

Durch seine Forschungen räumte Barthlott endgültig mit dem Vorurteil auf, dass ideal glatte Oberflächen besser geeignet wären, den Schmutz abzuweisen. Im Gegenteil: sie bieten viel Angriffsfläche für die Adhäsion. Darunter versteht man die Kraft, die zwei Stoffe aneinander haften lässt. An glatten Glasplatten kann man dies leicht überprüfen: Liegen sie aufeinander, wird es sehr schwer, sie wieder voneinander zu trennen. Die Lotos-Blätter hingegen tragen Noppen von 20 Tausendstel Millimetern Höhe, die wiederum von ungleich kleineren Spitzen übersät sind. "Selbst die hartnäckigen Rußpartikel liegen darauf wie Fakire auf einem Nagelbrett", erläuterte der Forscher. "Schmutzpartikel oder fremde Stoffe finden zu wenig Fläche, um sich zu halten, sie rutschen ab."

Barthlotts Forschungen haben handfeste Folgen: Nach nunmehr 30jährigen Experimenten kam im März dieses Jahres erstmals eine Farbe auf den Markt, die den selbstreinigenden Lotos-Effekt auf Fassaden überträgt. Demnächst geht ein Tondachziegel mit einer vergleichbaren Oberfläche in die Produktion. "Die Oberfläche der Lotos-Blätter besteht aus Kristallen, die ihre Form selbst organisieren", erläuterte Barthlott. "Wir sind jetzt in der Lage, mit Metallverbindungen ähnliche Effekte zu erzielen." Schmutzabweisende Dächer oder Fassaden verursachen weniger Betriebskosten, denn sie müssen nicht mehr aufwendig gereinigt werden. Barthlott stellte auch ein neues Gewebe vor, von dem Wasser und Schmutz vollständig abgleiten. "Denkbar wäre der Smoking, den weder Asche noch Cola schrecken können", meinte der Biologe. Medizinische Geräte oder sanitäre Anlagen bleiben durch eine Lotos-Oberfläche klinisch sauber, da sich Bakterien und Keime nicht ablagern können.

Der Textilunternehmer Klaus Steilmann erhielt den Deutschen Umweltpreis für sein Lebenswerk. Im Jahre 1958 hatte er die Klaus Steilmann GmbH & Co. KG mit einem Startkapital von 40 000 Mark und 40 Mitarbeitern gegründet. Von Beginn der achtziger Jahre an führte er bis dahin unbekannte Umweltstandards in die gesamte Herstellungskette von der Faser bis zum Kleid ein. Als eines der ersten Unternehmen in Deutschland setzte er ökologische Einkaufsbedingungen für den europäischen und asiatischen Markt durch. So verwendet das Unternehmen zum Beispiel ausschließlich ungiftige Farben.

1991 gründete Steilmann ein eigenes Forschungsinstitut, das heute einen weltweit guten Ruf besitzt. Sein Ziel ist es, die verschiedenen Wissensgebiete der Textilbranche stärker miteinander zu vernetzen. "Wohlstand und Umweltverträglichkeit gehören untrennbar zusammen. Um dies zu erreichen, müssen wir die einzelnen Gettos in der Textilbranche aufbrechen. Nur so können wir nachhaltig wirtschaften", sagte der Unternehmer bei der Preisverleihung. "Die Baumwollproduzenten sind ein Getto für sich, die Hersteller von Chemiefasern und die Konfektionsindustrie auch."

Im Groß- und Fachhandel von Textilien setzte Steilmann Ökostandards für die Kennzeichnung von Geweben und Kleidungsstücken durch. Selbst die landwirtschaftlichen Betriebe, die als Zulieferer für sein Unternehmen Naturfasern anbauen, verzichten heute weitgehend auf giftige Pestizide. In jüngster Zeit beteiligte der Firmenchef Mediziner an der Entwicklung von neuen Textilien. Weltweit steigt die Zahl der Menschen, die auf giftige Stoffe in ihrer Bekleidung allergisch reagieren.

Um Forschungsprojekte der Textilindustrie zu unterstützen, stiftete Steilmann der Universität in Witten-Herdecke einen Lehrstuhl. In seiner Heimatstadt Wattenscheid setzte er durch, dass ein ehemaliges Zechengelände zu einem modernen Ökotextil-Technologiezentrum umgebaut wurde. Bis heute wuchs die Steilmann-Gruppe auf 3500 Beschäftigte in Deutschland und 18 200 weltweit. Der Jahresumsatz lag 1998 bei 1,45 Milliarden Mark. Der 70jährige Firmengründer, der die Geschäftsführung seines Imperiums in der letzten Woche an einen jüngeren Nachfolger übergab, ging jedoch weit über Deutschland hinaus. So unterstützte er die Moskauer Lomonossow-Universität, ein Ausbildungsprogramm für die sozialpsychologischen, organisatorischen und ökologischen Probleme des Unternehmertums in Russland aufzulegen.

Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt war 1990 gegründet worden, als der Bund die Salzgitter AG für 2,5 Milliarden Mark privatisierte. Seitdem hat die Stiftung über 3000 Projekte gefördert. Der Deutsche Umweltpreis wird seit 1993 vergeben.

Heiko Schwarzburger

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