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Gesundheit: Variationen über den Schwund

Manche Forscher sagen, die Ozonschicht habe sich erholt. Doch Satellitenmessungen zeigen ein besonders großes Loch über dem Südpol

Was ist bloß mit dem Ozonloch los? Die einen behaupten, es sei gerade besonders groß. Die andern sagen, der Schwund sei jetzt zum Stillstand gekommen. So schreibt es ein Team um die Forscherin Betsy Weatherhead von der amerikanischen Universität von Colorado in Boulder online in der Fachzeitschrift „Journal of Geophysical Research“. Das bedeutet, das Schild, das uns vor den gefährlichen ultravioletten Sonnenstrahlen schützt, wird nicht mehr dünner und löchriger, wie es seit etwa einem Vierteljahrhundert der Fall war. Die Freude über die genesende Umwelt wird getrübt durch die Meldung, über der Antarktis habe sich eine riesige Lücke in der Ozonschicht aufgetan – so groß wie Europa. Das hat die Europäische Weltraumagentur (Esa) festgestellt, deren Satelliten ERS-2 und Envisat Umweltdaten sammeln.

Ein Gespräch mit Mark Weber mindert die Sorgen. „Das Ausmaß des Ozonlochs ist für die Jahreszeit nicht ungewöhnlich groß“, sagt der Physiker vom Institut für Umweltphysik der Universität Bremen. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter von John Burrows, der die Auswertung der Umweltdaten koordiniert. Unter Federführung des Bremer Hochschullehrers wurden vor gut zehn Jahren das Messprogramm GOME (Global Ozone Monitoring Experiment) auf ERS-2 und im Jahre 2002 der Atmosphärensensor SCIAMACHY (Scanning Imaging Spectrometer for Atmospheric Chartography) auf Envisat installiert. An der Auswertung der Daten sind das Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg sowie der französische Forschungsrat (CNRS) beteiligt.

Die Satellitenmessungen werden mit meteorologischen Daten und Luftströmungsmodellen verknüpft. Daraus lassen sich Ozongehalt und Ausmaß der ultravioletten Strahlung vorausberechnen. So kam jetzt die alarmierende Meldung über das große Ozonloch zustande.

Davon lässt sich Christoph Brühl nicht beunruhigen. „Das sind eher kurzfristige Effekte“, sagt der Atmosphärenchemiker am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. So seien die derzeitigen Windverhältnisse in den Tropen für das Superloch mit verantwortlich. Aber auch die Sonne trage ihren Teil bei. Unser wärmender Stern variiert seine Aktivität im elfjährigen Zyklus. Das hängt mit dem Magnetfeld zusammen, das sich in dieser Zeitspanne umpolt. Auch die Zahl der Sonnenflecken wird davon beeinflusst. „2001 war ein besonders aktives Jahr“, sagt Brühl. Seitdem nimmt die Zahl der Sonnenflecken wieder ab und damit auch die UV-Strahlung, die von dort eruptiv freigesetzt wird. Die UV-Strahlung ist wiederum ein Motor der Ozonentstehung. „Derzeit gibt es wenig Sonnenflecken und damit wird auch wenig Nachschub für die Instandhaltung des Schutzschild produziert“, erklärt Brühl.

So dürfte das Ozonloch über der Antarktis in den nächsten Wochen noch größer werden. Denn dort ist Winter und bei tiefen Temperaturen laufen in der Stratosphäre die zerstörerischen Reaktionen am Ozon besonders schnell ab. In den Polarwirbeln sammeln sich Salpetersäure und Substanzen, die Halogene wie Chlor und Brom enthalten. Lieferanten sind vor allem die langlebigen FCKW (Fluorchlorkohlenwasserstoffe).

„Es gibt dann einen katalytisch beschleunigten Kreislauf, an dem reaktionsfreudige Chlorradikale und Stickstoffoxide beteiligt sind“, sagt Burrows. So könnte das Ozonloch bald eine Fläche so groß wie die USA erreichen, wie es in vergangenen Jahren öfter der Fall war. Ob dies wirklich eintreten wird, vermag Burrows allerdings nicht zu sagen. „Das hängt davon ab, wie lange es überm Südpol sehr kalt bleibt“, sagt der aus England stammende Experte.

Aber die Gesamtlage ist doch positiv, Herr Burrows? „Tatsächlich gelangen jetzt weniger Chlor und Brom in die Atmosphäre“, sagt Burrows. Wegen der langen Lebenszeit der problematischen Substanzen in der Stratosphäre komme der positive Effekt aber nur langfristig zum Tragen. Der aus England stammende Wissenschaftler sieht zudem ein Risiko in der sich abzeichnenden Klimaerwärmung. Die Zunahme der Treibhausgase wirke sich negativ aus, jedenfalls verändere sich die Dynamik des Prozesses.

Ob der Höhepunkt des Ozonabbaus tatsächlich erreicht sei, könne man derzeit nicht sagen. Betsy Weatherhead und Mitarbeiter haben dagegen festgestellt, dass das Ozonloch im Zeitraum von 1996 bis 2002 nicht mehr größer geworden ist.

Das habe die Auswertung von Satellitendaten für Nordamerika, Europa und Australien ergeben. An einigen Stellen sei die Ozonschicht sogar wieder etwas dicker geworden, schreiben die Wissenschaftler. Sie sehen dies als Erfolg des Montrealer Protokolls von 1987, mit dem sich mehr als 180 Staaten verpflichtet haben, Produktion und Verwendung von halogenhaltigen Kohlenwasserstoffgasen einzuschränken oder zu stoppen.

Paul Janositz

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