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Gesundheit: Vom Hörsaal aufs Surfbrett

Sport, ungezwungene Menschen und gute Betreuung: Kein Land verzeichnet solche Zuwächse bei deutschen Studenten wie Australien

Ein Haus am Strand, der Veranstalter bietet günstig Tauchkurse, Wasserski und Trekkingtouren an, und ein Naturparadies ist die Gegend sowieso: Bei solchen Beschreibungen erblassen viele Pauschaltouristen vor Neid. Vor allem, wenn sie hören, dass das Urlaubsparadies für Regina Trüb den ganz normalen Uni-Alltag darstellte. Die Anglistin verbrachte das letzte Jahr an der University of Adelaide. Die Sportaktivitäten ihrer Hochschule nutzte die Regensburgerin natürlich auch, vor allem aber wollte sie eine zusätzliche Qualifikation für Englisch als zweite Sprache erwerben. „Das ging in Adelaide am besten, und nach Australien wollte ich schon immer“, sagt Trüb.

Vom Hörsaal direkt auf die Wasserski oder das Surfbrett: Keine Wunder, dass Australien derzeit die wahrscheinlich höchsten Wachstumsraten unter den Austauschzielen deutscher Studenten aufweist. Setzten sich im Jahr 2000 gut 500 Hochschüler in einen Flieger nach Sydney oder Melbourne, buchten nach Angaben des australischen Bildungsministeriums zwei Jahre später bereits fast dreimal so viele ein entsprechendes Ticket. Tendenz: Weiter stark steigend. „Die Zahlen der Interessenten für Australien explodieren dieses Jahr regelrecht“, sagt Thomas Pankau, der beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) das Stipendiatenprogramm für das Land betreut.

Die Asiaten sind schon da

Die legendären Tauch- und Surfmöglichkeiten an den Stränden des fünften Kontinent tragen allerdings weniger zu der Hausse der australischen Universitäten bei als deren gezielten Marketingmaßnahmen. Seit Jahrzehnten schon gilt Australien unter asiatischen Hochschüler als ein Land mit hervorragenden Studienbedingungen. Seit einigen Jahren werben die 39 Hochschulen des Landes mit großem Einsatz auch um europäische und amerikanische Studenten.

In deutschen Unistädten präsentieren australische Bildungseinrichtungen in immer kürzeren Abständen ihre Angebote. Die Hochschulen bauten Agenturen auf, die Studenten für ein Studium Down Under begeistern sollen. Die australische Regierung erließ vor einigen Jahren ein Gesetz, das allen internationalen Studenten einen einheitlichen Standard an Lehre und Betreuung gewährt. „Unsere Hochschulen haben erkannt, dass der Kontakt zu europäischen Studenten unheimlich wichtig ist“, sagt Gauri Nandedkar, die am australischen Konsulat in Frankfurt das Bildungsangebot ihres Landes vertritt. Mit Erfolg: In den vergangenen drei Jahren verdoppelte sich die Zahl aller ausländischen Studenten an australischen Unis auf 150 000. Das sind 20 Prozent aller dort eingeschriebenen Hochschüler.

Wie die „Aussis“ ihre ausländischen Schützlinge beputteln, merkte Regina Trüb von der ersten Minute an: Am Flughafen wartete ein Uni-Vertreter und holte sie ab. Die Unterkunft für die erste Woche stellte die Hochschule zur Verfügung. In der Einführungswoche lernte Trüb nicht nur ihre Kommilitonen kennen, sondern auch Tipps und Tricks des australischen Alltags. In einem Workshop erklärten Tutoren Feinheiten des australischen Mietrechts. Um den Ankunftsschock in einer anderen Kultur zu dämpfen, bekamen asiatische Neuankömmlinge andere Einführungskurse als Europäer und Amerikaner, beobachtete die 28-Jährige: „Denen wurde auch schon mal gesagt: Stört Euch nicht daran, dass Frauen und Männer hier Hand in Hand gehen.“

Während der Vorlesungszeit setzte sich die für deutsche Verhältnisse luxuriöse Betreuung fort. Die Professoren „hatten praktisch immer Zeit“, sagt Trüb, und sie kümmerten sich auch um außeruniversitäre Belange: Hinweise auf Nebenjobs erhielt die Anglistin nicht vom schwarzen Brett, sondern von Dozenten. „Von der Sekretärin bis zum Professor sind alle nett“, sagt Trüb und fügt hinzu: „Man zahlt ja kräftig. Der Student ist deswegen ein Kunde und nett sein eine Dienstleistung. Das wirkt.“In der Tat fallen schon für einheimische Uni-Besucher vierstellige Eurobeträge pro Jahr an, obwohl der Staat die Hälfte der Kosten übernimmt. Der Satz variiert je nach Fach und Uni: Je renommierter die Hochschule und je kostenintensiver das Fach, desto höher die Gebühren. Junge Australier zahlen das Geld allerdings erst nach dem Studium und in Raten, deren Höhe vom Einkommen abhängt.

3000 Euro pro Semester

Ausländer dagegen löhnen sofort den vollen Betrag, und darin liegt für die Australier ein weiterer Anreiz, viele Studenten ins Land zu holen. Meist entscheiden sich die Gäste für ein so genanntes Study-Abroad-Programm. Ein bis zwei Semester belegen sie Lehrveranstaltungen aus ihrem Studienjahr, wahlweise auch aus benachbarten Fächern. Das kostet mindestens 3000 Euro pro Semester; ob die Studienleistungen in Deutschland anerkannt werden, entscheidet die hiesige Uni. Wer wie Trüb einen international anerkannten Abschluss erwerben will, greift noch tiefer in die Tasche.

Regina Trüb bewarb sich deswegen um ein Stipendium des DAAD und erhielt vom Austauschdienst neben den Studiengebühren einen monatlichen Zuschuss sowie das Geld für den Flug. Auf ein Stipendium kommen allerdings inzwischen acht Bewerber, sagt DAAD-Betreuer Pankau: „Wir kommen mit der Stipendienanzahl gar nicht nach.“ Ähnlich sieht es bei anderen Stiftungen aus und den kostenfreien Austauschplätzen, die deutsche Hochschulen an ihren australischen Partneruniversitäten anbieten. Wie flexibel die Unis auf Wünsche der ausländischen Kundschaft reagieren, zeigt die Einführung von Study-Abroad Programmen einiger Unis in Sydney und Melbourne, bei der Interessenten Seminare mit einem Praktikum in einem Unternehmen verbinden. Denn eigentlich kennt der australische Bildungsweg Praktika nicht. Doch weil Praktika so wichtig für Europäer sind, reagierte die Uni sofort.

Ungezwungen, aufgeschlossen: So sehen sich die Australier selber am liebsten. Diese Einstellung zeichnet auch die Hochschulen des Kontinents aus, und das begründet vielleicht ihren internationalen Erfolg. Da fallen einige Kritikpunkte nicht so schwer ins Gewicht. „Weniger akademisch“ fand Regina Trüb den Unterricht schon: „Ein bisschen mehr Theorie hätte nicht geschadet.“

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