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Gesundheit: Vom Umgang mit Jugendsünden

Berliner Akademie diskutiert über NSDAP-Mitgliedschaften

Ist das Thema passé? Zu der kleinen Treibjagd gegen Walter Jens, Peter Wapnewski und Walter Höllerer wegen früher NSDAP-Mitgliedschaft ist in der Tat so gut wie alles gesagt. Aber im Magen liegt uns die Affäre doch noch. Man erkennt es an dem trocken-verletzten Tonfall, mit dem Peter Wapnewski an diesem Dienstagabend in der Akademie der Künste den Vorfall beschreibt, der dank einer Karteikarte „über mich gekommen ist“: Sommer 1940, ein 17-Jähriger, dem sein Scharführer mitteilt, dass er ihn bei der Partei zum Beitritt anmelden werde, was dieser, Abitur und Krieg vor Augen, ohne Widerspruch hinnimmt. Aber man spürt es auch an dem betroffenen und zugleich ratlosen Eifer, mit der sich seine Gesprächspartner – der Pädagoge Hartmut von Hentig, Bundestags-Vizepräsidentin Antje Vollmer und der Wissenschaftsdiplomat Manfred Osten – an dem Ärgernis abarbeiten, das dieser Streitfall für sie bedeutet. „Vom deutschen Umgang mit Jugendsünden und Lebensleistungen“ ist der Titel, den Akademiepräsident Adolf Muschg dem Gespräch gegeben hat.

Allerdings ist mehr von den Sünden die Rede. Auch von den eigenen: Es wäre einfacher gewesen, räumt Wapnewski ein, wenn man vor 20 Jahren gesagt hätte: Wir waren in der Partei, es war eine Dummheit. Es sind die kleinen, möglichen Gesten, die wir nicht getan haben, die ihn am meisten belasten, sagt von Hentig, sein Generationsgenosse. Aber schwerer wiegt in aller Augen die Manier, in der mit dem Thema umgegangen wurde. Am heftigsten drückt sich die Politikerin aus, die den Empörten über den Karteikarten-Fund alle ehrliche Empörung abspricht: ein Beispiel für die Lust an der öffentlichen Anprangerung, nicht mehr – Ertrag gering, Verletzung groß. Und die Lebensleistung? Vielleicht liegt das Problem darin, dass sie eigentlich nicht vorkommt. Einen Zug von Barbarei sieht Osten, frei nach Goethe, darin.

Die Diskussion leitete eine neue Reihe „Kontrapunkt Akademie“ ein. Sie soll aktuellen Ereignissen und dem Umgang mit ihnen gewidmet sein und gelassene Konfliktfähigkeit bezeugen. Etwas mehr davon als dieser abendliche Erinnerungs- und Bekenntnisaustausch erbrachte, wünschte man ihr schon.

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