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Gesundheit: Von der Planerfüllung zur kritischen Instanz - im nächsten Jahr steht das dreihundertjährige Bestehen an

Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften feiert im Juli 2000 ihr dreihundertjähriges Bestehen. Ihre Gründung geht auf Gottfried Wilhelm von Leibniz zurück.

Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften feiert im Juli 2000 ihr dreihundertjähriges Bestehen. Ihre Gründung geht auf Gottfried Wilhelm von Leibniz zurück. Die Geschichte der Akademie ist weitgehend geschrieben - bis auf die letzten 130 Jahre. Zur Vorbereitung der fehlenden Bände dient eine Serie von Konferenzen, deren jüngste gerade beendet wurde. Die Akademie hatte ihre Namen entsprechend den jeweiligen Machtverhältnissen geändert: Um 1700 hieß sie "Churfürstlich Brandenburgischen Societät der Wissenschaften", danach Königlich preußische Akademie, Preußische Akademie, Deutsche Akademie und seit 1972 "Akademie der Wissenschaften der DDR".

Die DDR-Akademie war mit anderen deutschen Akademien nicht mehr vergleichbar: Zwar hatte sie immer noch eine Gelehrtensozietät, aber in viel stärkerem Maße war sie zu einer Großforschungseinrichtung nach sowjetischem Vorbild geworden. Zur Wendezeit 1989 wurden mehr als 24 000 Personen in den Akademie-Instituten beschäftigt.

Die weitere Geschichte ist bekannt. Nach der Wiedervereinigung hatte das sowjetische Vorbild keine Chance mehr. Gegen eine Akademie der Wissenschaften als Forschungsverbund äußerten insbesondere die bestehenden Großorganisationen im Westen, wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Max-Planck-Gesellschaft oder die Großforschungsinstitute, Vorbehalte. Auf der abschließenden Podiumsdiskussion wies der in Wien lehrende Historiker Mitchel Ash darauf hin, dass die 1993 am Gendarmenmarkt neugegründete Berlin-Brandenburgische Akademie dennoch einige Strukturen ihrer Vorgängereinrichtungen übernommen habe: Die neue Gelehrtensozietät sei eine Arbeitsakademie, die sich der Aufklärung drängender Fragen widme. Der Charakter der Arbeitsakademie stammte aus der nur kurzlebigen West-Berliner Akademie. Außerdem wurden verschiedene Forschungsprojekte der DDR-Akademie übernommen - darunter Langzeitvorhaben. Es gehe jetzt darum, die unterschiedlichen Komponenten zusammenzufügen.

DDR war keine Wüste

Horst Klinkmann, der letzte Präsident der DDR-Akademie, erinnerte daran, dass bereits im November 1989 auf Einladung des Wissenschaftsrates und seines damaligen Vorsitzenden, des heutigen Akademie-Präsidenten Dieter Simon, eine Diskussion über die Zukunft der Wissenschaft in Deutschland stattgefunden habe. Die damaligen Empfehlungen hätten die östliche wie die westliche Seite berücksichtigt. So sei eine Evaluation der Wissenschaftseinrichtungen sowohl in der einstigen DDR als auch in Westdeutschland vorgeschlagen worden. Nach 1992 habe sich jedoch ein Wandel in den Zielen durchgesetzt. Im Zuge der anschließenden Polarisierung sei die ostdeutsche Wissenschaftslandschaft auch als Wüste bezeichnet worden. Klinkmann betonte, dass auch in der Wüste bemerkenswerte Pflanzen gediehen. Die künftige Rolle der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften sah er in einer Akademie mit nationalen Aufgaben - also einer Vertretung der deutschen Forschung im internationalen Austausch.

Der heutige Akademie-Präsident Dieter Simon billigt den Akademien nach wie vor nur in sehr begrenztem Maß eigene Forschungen zu. Wichtiger erscheinen ihm andere Aufgaben. Neben der klassischen Funktion einer Gelehrtengesellschaft, in der sich die Großen des Geistes begegnen, sei eine Akademie besser als andere Einrichtungen zur Forschungsaufsicht geeignet. Eine weitere Aufgabe kann die Vertretung der nationalen Wissenschaft im Ausland sein. Das könne entweder durch alle Akademien in Deutschland geschehen oder durch eine an die Spitze gewählte Akademie. Außerdem sollten sich die Akademien in die Wissenschaftspolitik einschalten.

Simon hält allerdings wenig davon, den Akademien die Rolle von Beratern für einzelne Politiker aufzubürden. Nach seinen Vorstellungen sollten sie sich eher bei der Elitenförderung engagieren. Und sie sollten sich der Wissenschaftskritik annehmen, für die es in Deutschland bisher noch keine wirkliche Instanz gebe. Und schließlich benötige die Gesellschaft dringend eine Instanz, die ihr die Wissenschaft verständlich mache. Die Berlin-Brandenburgische Akademie hat diese Vorstellungen noch längst nicht umgesetzt. Aber, sagte Simon, "erste ermutigende Schrittchen sind wir schon gegangen."

Umstrittene Geschichte

Auch diese Tagung zeigte, wie umstritten nach wie vor die Wissenschaftsgeschichte der DDR ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg benötigte die UdSSR das Potential der deutschen Wissenschaft. So erhielt die Akademie der Wissenschaften zu Berlin schon 1946 Materialien und Vermögen von den Sowjets teilweise zurück, damit sie vor allem ihre Arbeit in den naturwissenschaftlichen Bereichen wieder aufnehmen konnte. Das berichtete Natascha Timofejewa (Woronesch) aus Dokumenten, die sie in Moskau fand.

In der Folgezeit wurden an der DDR-Akademie die Forschungsvorhaben durch staatliche Planung weitgehend vorgegeben. Dadurch ging der Einfluss der Akademiemitglieder auf die Inhalte immer mehr zurück. Auf eine Folge dieser Entwicklung wies Ralph Jessen, Privatdozent an der Humboldt-Universität, hin: Insbesondere in den 50er und 60er Jahren war das Verhältnis zwischen den Wissenschaftlern, die an der Akademie tätig waren zu denen, die an den Universitäten arbeiteten, sehr gespannt. Da große Teile der Forschung von den Universitäten in die Akademie der Wissenschaften verlagert wurden, hätten die Professoren sich als Verlierer des Wandels empfunden. Und das nicht ganz zu Unrecht. Im Zuge der Neuverteilung sei das wissenschaftliche Personal der Akademie weit stärker als das der Universitäten gewachsen .

Darüber hinaus habe auch die Forschung in der Akademie Vorrang vor der universitären Forschung gehabt. Diese Aussage erhitzte die Gemüter von ehemaligen Professoren aus der DDR-Zeit. Aber Jessen blieb standhaft: Selbst als in den 70er und 80er Jahren auch die Universitäten wieder stärker an der Forschung beteiligt wurden, hätten Professoren sich in jetzt entdeckten Umfragen darüber beklagt, dass sie zu wenig Möglichkeiten für die Forschung besaßen. Schließlich büßten die Universitäten auch ihr Monopol bei der Ausbildung der wissenschaftlichen Nachwuchses ein, als 1963 der Akademie das Promotionsrecht zuerkannt worden war. Beklagt wurde schließlich auch, dass die Karriere eines Universitätsprofessors wegen seiner Lehrtätigkeit viel stärker an politische Aktivitäten gekoppelt worden sei als die der Mitarbeiter an der Akademie.

Anne Strodtmann

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