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Gesundheit: Vor geschlossenen Lesesälen

Die Staatsbibliothek verkürzt ihre Öffnungszeiten / "Benutzerinitiative" gegründet / Leser klagen über schlechten ServiceVON JOSEFINE JANERTAn der Tafel vor der Staatsbibliothek in der Potsdamer Straße stehen noch die alten Öffnungszeiten.Doch an den Eingangstüren hängen Zettel, die auf eine Verschlechterung des Service seit dem 1.

Die Staatsbibliothek verkürzt ihre Öffnungszeiten / "Benutzerinitiative" gegründet / Leser klagen über schlechten ServiceVON JOSEFINE JANERTAn der Tafel vor der Staatsbibliothek in der Potsdamer Straße stehen noch die alten Öffnungszeiten.Doch an den Eingangstüren hängen Zettel, die auf eine Verschlechterung des Service seit dem 1.Juli aufmerksam machen: Beide Häuser der renommierten Bibliothek öffnen montags statt um 9 Uhr erst um 14 Uhr. Erst fünf Stunden später also dürfen die Besucher in die Lesesäle, können bestellte Literatur abholen und in den Katalogen recherchieren.Wer montags ein Buch braucht, muß jetzt schon sonnabends seinen Leihschein abgeben.Bände, die montags bestellt werden, liegen erst am Dienstag bereit.Die Bibliotheksleitung begründet die Kürzungen mit dem Stellenabbau und dem gleichzeitig wachsenden Besucherandrang."Allein im ersten Halbjahr 1997 stieg die Zahl der Leser um zehn Prozent", sagt Generaldirektor Antonius Jammers.Und Öffentlichkeitsreferent Siegfried Detemple klagt, seit zwei Jahren habe es keine Neueinstellungen gegeben. Aus Protest gegen die neuen Öffnungszeiten hat sich eine "Benutzerinitiative Staatsbibliothek" gebildet, etwa zehn Studenten, Doktoranden und Habilitanden, die regelmäßig im Haus II arbeiten."Hier liegt einiges im argen", sagt Anja Brug.Sukzessive habe die Bibliothek in den vergangenen Jahren ihren Service verschlechtert.Mit Protestbriefen wenden sich die Mitglieder der Initiative an die Leitung der Bibliothek, an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und an deren Träger, das Bundesinnenministerium.2000 Personen haben eine Petition unterzeichnet. Obwohl es in beiden Häusern der Staatsbibliothek rund 800 Stellen gibt, reicht das Personal nach Ansicht der Bibliotheksleitung nicht aus, um die bisherigen Öffnungszeiten weiter zu gewährleisten.Die Mitarbeiter könnten bei Bedarf nicht einfach an andere Arbeitsplätze versetzt werden, weil sie unterschiedliche Gehaltsgruppen und Qualifikationen haben, sagt Günter Baron, Direktor bei der Staatsbibliothek.Auch die Studenten, die in den vergangenen Monaten für die verschiedenen Jobs angeheuert worden seien, brächten keine wesentliche Entlastung, weil sie nur tageweise arbeiteten. Die Mitglieder der Initiative glauben indessen, daß andere Lösungen als der verkürzte Montag nicht ausreichend geprüft wurden."Die organisatorischen Schwierigkeiten der Staatsbibliothek werden auf uns Leser abgewälzt", sagt die Slawistin Amory Burchard.Nach Ansicht der Initiative geht es auch nicht vorrangig um das fehlende Geld, sondern um interne Probleme der Bibliothek und die Diskussion darüber, ob die beiden Häuser am Standort in der Potsdamer Straße zusammengelegt, das Haus Unter den Linden also geschlossen wird.Der Benutzerinitiative liegt ein Papier des Bundesrechnungshofes vor, das eben dieser kostensparenden Lösung den Vorzug gibt.Seitens der Bibliothek favorisiere man das Zwei-Häuser-Modell und wolle mit dem verkürzten Montag ein Zeichen setzen, daß man weitere Sparmaßnahmen nicht mehr hinnehmen wolle, glauben die Mitglieder der Initiative. Öffentlichkeitsreferent Detemple verweist darauf, daß nach Ansicht des Bundesrechnungshofs noch weitere 120 Stellen in der Bibliothek eingespart werden können.Einen Zusammenhang zwischen der Standortfrage und den verkürzten Öffnungszeiten bestreitet Generaldirektor Antonius Jammers heftig.Es handele sich auch nur um eine vorübergehende Regelung."Wir bemühen uns, sie zum 1.Januar 1998 rückgängig zu machen, können aber keine 100prozentige Zusage geben." Die Mitglieder der Benutzerinitiative setzen wenig Hoffnungen in seine Worte."Solche befristeten Kürzungen sind bisher meistens in langfristige umgewandelt worden." Grund zum Ärger gibt es schon seit längerem.Erst zum 10.Juni wurde eine Regelung eingeführt, nach der Bücher, die wochentags nach 15 Uhr bestellt werden, erst am nächsten Öffnungstag bereitliegen.Das Ausleihsystem ist veraltet.Im Gegensatz etwa zur Amerika-Gedenkbibliothek erfährt der Leser nicht bereits aus dem Computer, ob und bis wann ein Band verliehen ist.Er muß ein Formular ausfüllen und hört Stunden später, ob das Buch überhaupt da ist.Benutzer beklagen sich, wie kürzlich ein Berliner Professor in einem Leserbrief an die "FAZ", über Mißstände im Service, fehlende Verlustlisten und schlechte Koordination zwischen beiden Häusern."Wir bitten um Ihr Verständnis", steht auf vielen Hinweis- und Verbotsschildern, die überall in der Bibliothek aushängen.Doch Verständnis hat offensichtlich nicht einmal das Personal."Schreiben Sie doch einen Protestbrief an den Generaldirektor", empfiehlt eine Mitarbeiterin, die Mühe hat, die neuen Öffnungszeiten mit all ihren Konsequenzen zu erläutern."Uns ärgert das auch!" Generaldirektor Jammers möchte den Schwarzen Peter gern an die Universitätsbibliotheken weiterreichen.Weil dort Stellen gekürzt würden und weniger Literatur angeschafft werde, kämen mehr Leser in die Staatsbibliothek, die dem Ansturm nicht gewachsen sei."Es ist nicht unsere zentrale Aufgabe, die Grundversorgung von Studenten und Professoren zu gewährleisten", sagt er.Jammers verweist darauf, daß andere große deutsche Bibliotheken noch kürzere Öffnungszeiten haben."Das ist uns doch egal", meint Anja Brug von der Benutzerinitiative.Und ihre Mitstreiter verweisen auf wissenschaftliche Bibliotheken in den USA, die vom frühen Morgen bis zum späten Abend geöffnet sind. Das Ibero-Amerikanische Institut und die anderen Bibliotheken der Stiftung Preußischer Kulturbesitz haben ihre Öffnungszeiten bisher nicht verkürzt.Ebensowenig die drei Universitätsbibliotheken und die meisten einzelnen Fachbibliotheken.An der Humboldt-Universität kommt man nach baulichen Veränderungen in der UB zur Zeit sogar mit weniger Personal aus.Christian Büttrich, Leiter der Bibliothek des Fachbereiches Germanistik der Freien Universität, spricht von einer "gewissen Entwarnung" bis zum Beginn des Wintersemesters."Bislang können wir die normalen Öffnungszeiten noch halten." Aber das Problem habe sich nach der Verlängerung von 56 Verträgen für studentische Hilfskräfte "nur verschoben".Im Zuge der Sparmaßnahmen sollen die 371 Stellen für studentische Hilfskräfte im Bibliotheksbereich der FU Schritt für Schritt abgebaut werden. Öffnungszeiten für beide Häuser: Mo 14 - 21 Uhr, Di bis Fr 9 - 21 Uhr, Sa 9 - 17 Uhr.Die Benutzerinitiative trifft sich dienstags und freitags 13 Uhr am i-Punkt im Haus II.

JOSEFINE JANERT

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