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Gesundheit: War die Antike eine Mediengesellschaft?

Eine Eckkneipe in Charlottenburg nennt sich "Bei Mutti". Den letzten Buchstaben im Schriftzug ersetzt ein Bierkrug mit Schaumkrone.

Eine Eckkneipe in Charlottenburg nennt sich "Bei Mutti". Den letzten Buchstaben im Schriftzug ersetzt ein Bierkrug mit Schaumkrone. Die schlichte Werbung soll einsame Söhne der Stadt zur Einkehr bewegen. In der Antike warb man wortreicher und hintergründiger. Die Inschrift über der Tür des Gasthauses "Bei Merkur und Apollo" in Lugdunum (Lyon) lautete: "Mercurius verspricht Gewinn, Apollo Segen und Septomanus Unterkunft und Verpflegung. Wer kommt, wird es hernach zu besseren Konditionen nutzen. Gast, achte darauf, wo du unterkommst." Mehr kann Wirtshauswerbung kaum versprechen: Die Schutzheiligen des Etablissements werden auch den Gästen helfen, der Wirt mit seinem Angebot in einer Reihe mit den Göttern belohnt zudem regelmäßige Besuche mit Rabatten. Schließlich appelliert Septomanus an das Prestigedenken der Reisenden, man komme in seinem Haus gut und standesgemäß unter.

Reklame in der Antike? Nicht nur das - auch schriftliche Werbung für Produkte und Dienstleistungen und Wahlpropaganda waren weit verbreitet. Der Altphilologe Peter Kruschwitz, Mitarbeiter der Edition der antiken lateinischen Inschriften an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, vertritt die These: Schon im alten Rom arbeitete man nach der Aida-Formel moderner Werbestrategen. Attention (Aufmerksamkeit), interest (Interesse), desire (Verlangen), action (Aktivität) lösten Werbesprüche wie dieser an einem Badehaus zehn Kilometer vor Rom aus: "Auf diesem Anwesen von Aurelia gibt es ein Badehaus. Man badet hier wie in der Hauptstadt und jeglicher Komfort wird geboten." Das Komfortversprechen - Lateinisch: "Omnis humanitas praestatur" - zählt doppelt. Bequem ist es auch, sich die zehn Kilometer weite Reise in die Hauptstadt zu sparen. Ein Badehausbesitzer im weit entfernten Algier betrieb "mit jeglichem hauptstädtischen Komfort" geschickte Prestigewerbung.

In Pompeji, wo sich selbst gemalte Inschriften an Häusern und Wänden durch die Lavaströme und den Ascheregen des Vesuvausbruches erhalten haben, treffen Forscher an jeder Ecke auf Reklame. Ist also die Antike eine Mediengesellschaft? Dazu, so Kruschwitz, fehlten den Antiken Gesellschaften die technischen und sozialen Grundlagen. Aber bestimmte Mechanismen und Inhalte könnten nachgewiesen werden. Die noch ausstehende umfassende Erforschung der lateinischen Reklameinschriften wären wichtig für die Wirtschafts- und Kulturgeschichte der Antike. Sie ließen beispielsweise Aussagen über den Grad der Alphabetisierung zu.

Führende Antikeforscher glauben, dass die einfache Stadtbevölkerung im alten Rom kaum des Lesens und Schreibens mächtig war. Warum aber sind dann unzählige Wahlaufrufe an die Wände Pompejis getüncht? Bruttius Balbus solle zum Finanzverwalter gewählt werden, denn "der wird die Stadtkasse schonen". Für Lucretius Fronto warben seine Anhänger mit einem moralischen Appell: "Wenn Anstand im Leben überhaupt noch irgendetwas nützen soll", dann sei er "eines ordentlichen Amtes würdig". Zumindest in der Stadt, schließt Kruschwitz, muss ein höherer Prozentsatz der Bürger in der Lage gewesen sein, diese Botschaften aufzunehmen. Allerdings gab es auch nicht schriftliche Reklame, darunter drastische gemalte Motive auf Werbetafeln für Bordelle.

Selbst solcher Werbemechanismen, die heute als furchtbar modern gelten, bediente man sich schon in der Antike. Steinmetze bauten in ihre auf Lateinisch und Griechisch verfasste Reklametafel offenbar absichtlich grammatikalische Fehler ein. Gestutzt und noch ein zweites Mal gelesen, heißt in der Werbewelt schon halb gewonnen. Frei nach Feldbusch: "Hier werden Sie geholfen."

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