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Gesundheit: Warum Afrika auseinanderbrechen wird

Von Axel Bojanowski Das Rätsel scheint gelöst. Lange ließ es Geologen an den Grundfesten ihrer Wissenschaft, der Plattentektonik, zweifeln.

Von Axel Bojanowski

Das Rätsel scheint gelöst. Lange ließ es Geologen an den Grundfesten ihrer Wissenschaft, der Plattentektonik, zweifeln. Die vermeintlich alles erklärende Theorie von der Verschiebung der Erdplatten scheiterte an der Konstellation des afrikanischen Kontinents: Ohne ersichtlichen Grund hebt sich das südliche Afrika seit etwa 100 Millionen Jahren. Heute bildet etwa ein Drittel des Kontinents ein Plateau und liegt rund 1500 Meter über dem Meeresspiegel. Die Plattentektonik sieht derartige Anhebungen nur als Folge von Erdplatten-Kollisionen vor. Doch die hat es in der Region seit 400 Millionen Jahren nicht mehr gegeben.

Des Rätsels Lösung wurzelt 2900 Kilometer tief im Erdinneren. Dort grenzt der Erdmantel an den noch heißeren Kern. Wie eine Herdplatte heizt der Kern das Mantelgestein auf, so dass es an einigen Stellen aufwallt – ähnlich den Blasen im Kochtopf. In mächtigen Schläuchen, Plumes genannt, soll die heiße Masse aufströmen, den gesamten Mantel durchdringen, bis sie schließlich gegen die Erdkruste stößt – und sie aufwölbt.

Bereits vor drei Jahren postulierten die Geophysiker Hendrik-Jan van Heijst und Jeroen Ritsema vom California Institute of Technology in Pasadena, dass Afrika auf diese Weise gehoben werden könnte. Beweisen konnten sie die Theorie aber nicht. Jetzt liefern Barbara Romanowicz und Yuancheng Gung von der Universität Kalifornien seismische Tomogramme, die das Szenario sichtbar machen (veröffentlicht im Fachblatt „Science“, Band 296, Seite 513).

Seismische Tomographie funktioniert ähnlich wie die Computertomographie. Nur analysiert man keine Röntgenbilder, sondern Muster von Erdbebenwellen, die sich in Gestein unterschiedlicher Dichte ausbreiten. Solche seismischen Tomogramme zeigen unter dem afrikanischen Kontinent bis hinunter zur Kern-Mantel-Grenze in 2900 Kilometer Tiefe ausgedehnte Zonen, in denen sich die Erdbebenwellen sehr langsam bewegen. Niedrige seismische Geschwindigkeiten weisen auf Substanz geringer Dichte hin. Besitzt Material weniger Dichte als seine Umgebung, so steigt es auf.

Heijst und Ritsema hatten in ihren Tomografien vor drei Jahren ein pilzförmiges Gebilde im unteren Erdmantel ausmachen können. Die Aufnahmen von Romanowicz und Gung zeigen nun den oberen Teil des aufwärts strömenden heißen Gesteinsbreis. Aufgrund der enormen Größe des Plumes sprechen die Forscher von einem Super-Plume. Die Bilder bestätigten vorhergehende Studien, denen zufolge auch unter Hawaii ein riesiger Glutpilz sitzt, der vermutlich die Vulkane der Inselgruppe speist.

Der Einfluss der Super-Plumes scheint groß. Sie bestimmen demnach zu etwa zwei Dritteln die Temperaturen der obersten Erdschichten. Unterhalb der Erdplatten breiten sie sich Hunderte Kilometer horizontal aus und schmieren anscheinend deren Bewegung. Den Geologen kommen die Super-Plumes unter Hawaii und Südafrika gerade recht. Sie könnten neben der Hebung Afrikas weitere Phänomene erklären, an denen die Plattentektonik scheitert.

Mysteriös erschien bisher, dass der Meeresboden des Pazifik in weiten Teilen ähnlich alt ist. Ozeankruste ensteht an den Scheitelgräben der mittelozeanischen Rücken, wo Lava aufsteigt und sich beim Erstarren an die seitwärts treibendenden Platten ansetzt. Bei dem Prozess, der inzwischen direkt beobachtet wurde, entstehen im Jahr zu beiden Seiten des Rückens höchstens zwanzig Zentimeter Kruste. Im Pazifik sind aber weit über eine Million Quadratkilometer innerhalb einer derart kurzen Zeitspanne entstanden, dass sie eigentlich nur von einem Vulkan stammen können. Einzig ein Super-Plume kommt als passende Quelle für diese großflächige Ozeankruste in Frage. Noch weiter zurück in der Erdgeschichte rettet ein Super-Plume möglicherweise ein drittes Mal die Plattentektonik.

Vor 190 Millionen Jahren begann der Riesenkontinent Pangäa auseinanderzubrechen. Umstritten ist, wie es dazu kam. Vermutet wurde, dass ein Riesenkontinent den Wärmeabgang aus dem Erdmantel behindern könnte. Der resultierende Hitzestau ließ möglicherweise große Bereiche des Erdmantels schmelzen. „Schließlich könnte ein Super-Plume den Kontinent zum Bersten gebracht haben“, sagt Romanowicz.

Durch einen ähnlichen Hitzestau entsteht auch der jetzt entdeckte Super-Plume unter Südafrika, glaubt Michael Gurnis, Geologe am California Institute of Technology. Südafrika lag lange im Zentrum des Pangäa nachfolgenden Großkontinents Gondwana und grenzte somit nicht direkt an andere Erdplatten.

An Plattengrenzen taucht häufig eine Platte unter die andere in den Erdmantel ab und kühlt das heiße Mantelgestein. Der Erdmantel unter Südafrika wurde seit mindestens 400 Millionen Jahren nicht von abtauchender Ozeankruste gekühlt und heizte sich folglich immer weiter auf. „Deshalb steigt dort heute dieser riesige Pilz heißen Gesteinsbreis auf“, meint Gurnis.

Bis unter Ostafrika dehnt sich der Plume. Dort an den ostafrikanischen Gräben speist er wahrscheinlich die aktiven Vulkane, die den afrikanischen Kontinent immer mehr durchlöchern. Der östliche Teil Afrikas wird sich deshalb voraussichtlich in einigen Millionen Jahren vom Kontinent abspalten.

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