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Gesundheit: Wenn Moleküle Bindungsprobleme haben, hilft eine Laserbehandlung

Mit extrem kurzen Lichtblitzen regen Berliner Wissenschaftler chemische Substanzen zu den gewünschten Reaktionen an

Will der Chemiker Moleküle zusammenbringen, die sich nicht von alleine paaren, so gibt er sie in einen Topf und heizt ihnen mit dem Bunsenbrenner ein. So lange, bis die potenziellen Partner nach vielen, mitunter unerwünschten Reaktionen endlich mit Wucht aufeinander treffen und die erhoffte Verbindung eingehen.

Mit dem Laser lassen sich dagegen ausgewählte chemische Reaktionen unter Umständen gezielt beeinflussen. Dem Physiker Ludger Wöste und seinen Kollegen von der Freien Universität Berlin ist dies nun gelungen. Sie haben das Verhalten komplexer Moleküle mit Laserlicht in Zeitlupe verfolgt und gesteuert, wie das Team in der neuesten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Science" (Band 299, Seite 536) berichtet. Die Chemikerin Leticia González hat den Fingerabdruck eines Moleküls anschließend mit einem mathematischen Verfahren entziffert. Und dieses Verständnis könnte es ermöglichen, auch komplexe chemische Abläufe in Zukunft zu kontrollieren.

„Das ist der 40 Jahre alte Traum der Laserchemie“, sagt Ludger Wöste. Zunächst war diese Technik ein Flop. Denn eine Begegnung zwischen zwei Atomen oder Molekülen ist extrem kurz. Sie dauert nur etwa 0,000 000 000 0001 Sekunden.

So blitzartig konnte zunächst kein Laser ins Geschehen eingreifen. Die ersten Laser strahlten viel länger. Die geballte Laserenergie brach daher nicht nur die gewünschte chemische Bindung eines Moleküls auf, sondern sie verteilte sich rasch auf alle Bestandteile des Moleküls. Das Endergebnis war lediglich ein warmes Molekül – also nichts anderes als das, was der Chemiker auch mit einem Bunsenbrenner erreichen konnte.

Inzwischen gibt es jedoch „Femtosekundenlaser“, die so kurze Blitze aussenden, dass man die Moleküle damit bei der Paarung oder Abspaltung eines Fragments, eines Liganden, beobachten kann. Der in Ägypten gebürtige Ahmed Zewail vom California Institute of Technology in Pasadena hat chemische Reaktionen mit solchen Lasern erstmals im Zeitlupentempo studiert. Für diese Momentaufnahmen der Moleküle erhielt er 1999 den Chemie-Nobelpreis.

Die Wissenschaftler der Freien Universität benutzen eine ähnliche Technik wie ihr ägyptischer Kollege. In ihrem Laserlabor stehen Werkbänke voller Spiegel und Linsen. Das optische Rüstzeug ist auf luftgefederten Stahltischen festgeschraubt und gibt den Zick-Zack-Kurs vor, auf den jeder Lichtstrahl gelenkt wird, um schließlich zu den Molekülen im Nachbarraum zu gelangen. Vorher jedoch muss das Licht in vielen Etappen präpariert werden.

Eine der vielen Stationen ist ein schwarzer, sargähnlicher Kasten. Am einen Ende des Kastens tritt ein grüner, kontinuierlicher Lichtstrahl ein, am anderen Ende schießen in jeder Sekunde 80 Millionen kurze Laserblitze aus einer Öffnung heraus.

Wöstes Assistent Thorsten Bernhardt öffnet den Deckel der schwarzen Trickkiste und zeigt auf einen Titan-Saphir-Kristall. Er ist so klein wie der Brillant eines schmucken Eheringes und in einen Kupferrahmen eingespannt. Die Verwandlung, die der Lichtstrahl beim Durchgang durch den Kasten erfährt, beruht vor allem auf den optischen Eigenschaften dieses erstaunlichen Kristalls.

Die extrem kurzen Lichtblitze unterscheiden sich von herkömmlichem Laserlicht. Die Lichtpulse sind nicht einfarbig, sondern aus unterschiedlichen Farben zusammengesetzt. „Wir fächern dieses Farbenspektrum auf und werfen es auf einen Schirm“, sagt Bernhardt.

Der kleine Schirm sieht aus wie die LCD-Anzeige eines Taschenrechners. Er besteht aus vielen Lamellen, die alle mit einem Computer verbunden und einzeln ein- oder ausgeschaltet werden können. Damit lassen sich bestimmte Farben des Laserlichtes ausblenden oder zeitlich verzögern. Die derart manipulierten Anteile werden anschließend wieder zu einem neuen Lichtblitz zusammengesetzt und zu den Molekülen im Nachbarraum gelenkt, die bereits in einer Vakuumkammer auf das anregende Geflimmer warten.

Aber welches Farbenspektrum ist nun geeignet, die erhoffte chemische Reaktion auszulösen? Wie muss das Licht zusammengesetzt sein, damit es nur eine bestimmte Bindung anspricht und den Rest des Moleküls in Ruhe lässt? Im Vorhinein lässt sich das nicht sagen. Denn Moleküle sind schwer berechenbar und mit Modellen der Quantenphysik kaum zu fassen.

Der Experimentator braucht dieses Vorwissen aber gar nicht. Mit einem computergesteuerten Optimierungssystem lassen sich verschiedenartige Lichtblitze automatisch erzeugen. Der Computer überprüft, ob die chemische Reaktion eingetreten ist oder nicht und verändert danach das Farbenspektrum.

„Die besseren Lösungen werden ausgewählt, die schlechteren verworfen", sagt Wöste. Das selbstlernende Programm findet immer geeignetere Kombinationen, bis schließlich ein Lichtblitz optimal zu der Molekülsorte passt und nur noch die gewünschte Reaktion einleitet.

Das Verfahren ist derzeit noch zu aufwändig, um damit etwa pharmazeutische Produkte herstellen zu können. „Uns geht es vor allem darum, die Prozesse zu verstehen", sagt Wöste. Und deshalb freut er sich besonders darüber, dass in dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereich an der FU Berlin nicht nur experimentell interessierte Physiker arbeiten, sondern auch Chemiker, die ein tiefes Verständnis für die Empfindlichkeiten komplexer Moleküle mitbringen.

Leticia González ist mit allerhand mathematischem Rüstzeug zu ihrer Habilitation an die Freie Universität Berlin gekommen, um die vielen Kräfte zu entschlüsseln, die ein solches Molekül zusammenhalten. Die junge Forscherin aus Madrid weiß, wie die verschiedenen chemischen Bestandteile um die zentralen Einheiten gruppiert sind und wie vorsichtig man diese Liganden anfassen muss, um sie so zu verbiegen wie das Plastikmodell im Chemieunterricht.

Sie hat den langwierigsten, aber auch bedeutendsten Teil zu der nun in „Science" veröffentlichten Arbeit beigesteuert. Denn sie hat den Lichtblitz, den das Computerprogramm gefunden hat, entziffert, die Melodie der Lichtfarben interpretiert und daraus die interne Dynamik des Moleküls, in diesem Falle eines Metall-Kohlenstoffoxid-Komplexes, aufgedeckt.

„Wir verstehen jetzt genau, was der Lichtblitz mit dem Molekül macht", sagt sie. Und diese Erkenntnis könnte dabei helfen, in ferner Zukunft „Designermoleküle" zu erzeugen, die die Produktion etwa von Arzneimitteln in völlig neue Bahnen lenken.

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