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Gesundheit: Wie bei der Echternacher Springprozession Die Entscheidung gegen eine Medizinische Hochschule überzeugt nicht / Von George TurnerFoto: Heinrich

Drei Schritte vor und einen zurück – so funktioniert das Original. Das Hin und Her um die Universitätskliniken in Berlin ist keinen Deut anders als die Echternacher Springprozession: Um 98 Millionen Euro zu sparen, sollte zunächst das Klinikum Benjamin Franklin seinen Status als Universitätsklinikum und die Freie Universität ihre Medizinische Fakultät verlieren.

Drei Schritte vor und einen zurück – so funktioniert das Original. Das Hin und Her um die Universitätskliniken in Berlin ist keinen Deut anders als die Echternacher Springprozession: Um 98 Millionen Euro zu sparen, sollte zunächst das Klinikum Benjamin Franklin seinen Status als Universitätsklinikum und die Freie Universität ihre Medizinische Fakultät verlieren. Nach massiven Protesten wurde eine Expertenkommission eingerichtet, die zu aller Verblüffung den modernsten Standort, das VirchowKlinikum, zurückstufen wollte. Alle medizinischen Einrichtungen sollten gleichzeitig zu einem Klinikum und einer Fakultät zusammengefasst und beiden Universitäten zugeordnet werden. Der Medizin-Ausschuss des Wissenschaftsrats erkannte die praktischen Schwierigkeiten und schlug daher die Bildung einer eigenständigen Medizinischen Hochschule vor. Dazu gibt es von einem Teil der Betroffenen aus der Charité Zustimmung, vor allem wegen der Praktikabilität.

Der Wissenschaftsrat verwarf nun den Vorschlag seines Fachausschusses und empfiehlt die Fusion der Hochschulmedizin, allerdings bleibt sie Teil der Freien und der Humboldt-Universität. Die Berliner Politik stimmt zu, egal wie unsinnig die Lösung sein mag. Die Hauptsache ist, man kann sich auf irgend etwas berufen und befreit sich von der Verantwortung.

Abgesehen von der Konstruktion, die dauerhafte Querelen zwischen den beteiligten Universitäten garantiert, enthalten die Empfehlungen so viele weltfremde Anregungen, dass man sich fragen muss, ob gezielt der Berliner Universitätsmedizin Schaden zugefügt werden soll. Ein Vorstand mit drei hauptamtlichen Mitgliedern soll im Wesentlichen die Entscheidungen treffen. Dabei haben sowohl der Dekan für die Forschung und der Ärztliche Direktor für die Krankenversorgung eigene Haushalte mit dafür erforderlichen Verwaltungen. Das Motto wird sein: Morgens arbeitet jeder für sich und nachmittags jeder gegen jeden. Der Vorsitzende kann bei dieser Aufgabenverteilung wohl bestenfalls als Frühstücksdirektor fungieren.

Er und der Ärztliche Direktor dürfen in den letzten acht Jahren nicht in der Berliner Hochschulmedizin beschäftigt gewesen sein. Auch dies ist eine sichere Methode, vorhandenen Sachverstand auszuschließen. Die Neuregelung soll nach dem Willen des Wissenschaftsrats nach fünf Jahren auf ihre Tauglichkeit überprüft werden. Wer auch nur über minimale Kenntnisse auf dem Gebiet der Organisation verfügt, braucht dafür allerdings nur fünf Minuten. Wir erinnern uns: Ausgangspunkt war die Sparauflage. Jetzt will der Senat ein Wirtschaftlichkeitsgutachten in Auftrag geben, das errechnet, mit welchen Schritten, welche Einsparungen erbracht werden können. Das war bereits Aufgabe der Expertenkommission, die sie allerdings nicht erfüllt hat. Zugleich wird ein Gesetz zur Umsetzung der Empfehlungen des Wissenschaftsrats angekündigt.

Wie wäre es, wenn die Sparauflage in der Weise umgesetzt wird, dass das Benjamin-Franklin-Klinikum und die Charité im Verhältnis ihrer Etats jeweils die Belastung tragen? Dies wird auf der Basis des Status quo verteilt, das heißt bei getrennten Fakultäten und Klinika in den beiden Universitäten. Diese Auflage zu erfüllen, ist – trotz der drohenden Einschnitte – immer noch besser, als sich auf ein Abenteuer einzulassen, wie es die Umsetzung der Empfehlungen des Wissenschaftsrates mit erneuten Umzügen und zum Teil erheblichen Kosten darstellt. Von allen schlechten Lösungen wäre das immer noch die beste.

Der Autor war von 1986 bis 1989 parteiloser Senator für Wissenschaft und Forschung in Berlin .

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